BGH,
Beschl. v. 16.12.2009 - 2 StR 520/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 520/09
vom
16. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 16. Dezember 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 13. August 2009 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben
a) soweit die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist
b) und im Ausspruch über die Maßregel.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, hinsichtlich des
sichergestellten Geldbetrages in Höhe von 1.195 Euro den
erweiterten Verfall angeordnet und die Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine auf die Sachrüge
gestützte Revision führt zur Aufhebung, soweit das
Landgericht ihm eine Straf-
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aussetzung zur Bewährung versagt und seine Unterbringung
gemäß § 64 StGB angeordnet hat; im
Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.
1. Die Versagung der Bewährung durch das Landgericht
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Das Landgericht hat ausgeführt, dem
"betäubungsmittelabhängigen Angeklagten"
könne "bereits im Hinblick auf seine unbehandelte Drogensucht
keine günstige Prognose gestellt werden". Außerdem
lägen keine besonderen Umstände in Tat und
Täterpersönlichkeit vor, die die Aussetzung einer
Freiheitsstrafe von über einem Jahr rechtfertigen
könnten.
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b) Es ist unter den vorliegenden Umständen rechtsfehlerhaft,
das Fehlen einer günstigen Sozialprognose nach § 56
Abs. 1 StGB allein mit der unbehandelten Drogenabhängigkeit
des Angeklagten zu begründen. Der Generalbundesanwalt weist
mit Recht darauf hin, dass das Landgericht dabei nach den
Urteilsfeststellungen nahe liegende prognoserelevante Umstände
außer Acht gelassen hat. Insbesondere hätte
berücksichtigt werden müssen, dass der Angeklagte
über feste soziale Bindungen verfügt, er erfolgreich
eine Umschulungsmaßnahme zum LKW-Fahrer absolviert hat und
die abgeurteilte Tat im Urteilszeitpunkt bereits fast ein Jahr und acht
Monate zurücklag, ohne dass ihm die lange Verfahrensdauer
anzulasten gewesen wäre. Darüber hinaus ist der
Angeklagte bisher lediglich geringfügig wegen
Straßenverkehrsdelikten zu Geldstrafen verurteilt worden.
Schließlich hat das Landgericht im Rahmen der gebotenen
Gesamtwürdigung weder das Geständnis des Angeklagten
noch seine Bereitschaft zu einer Drogentherapie erwogen.
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c) Mit Rücksicht darauf halten auch die Ausführungen
der Kammer zu § 56 Abs. 2 StGB rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Das pauschale Abstellen
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der Kammer auf das Fehlen besonderer Umstände im Sinne dieser
Vorschrift ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil zu den nach
§ 56 Abs. 2 StGB zu berücksichtigenden Faktoren auch
diejenigen gehören, die schon für die Prognose nach
§ 56 Abs. 1 StGB von Belang sein können (Senat StV
2009, 523, 524). Außerdem hat das Landgericht verkannt, dass
es für die Annahme besonderer Umstände im Sinne des
§ 56 Abs. 2 StGB ausreichen kann, wenn
Milderungsgründe zusammentreffen oder sich häufen,
die für sich allein nur als einfache oder durchschnittliche
Umstände angesehen werden können (vgl. Fischer StGB
57. Aufl. § 56 Rdn. 22).
d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht
bei Zugrundelegung der zutreffenden
Prüfungsmaßstäbe sowie der außer
Betracht gelassenen Milderungsgründe die verhängte
Strafe zur Bewährung ausgesetzt hätte.
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2. Unter diesen Voraussetzungen hat auch die Anordnung der
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß
§ 64 StGB keinen Bestand. Ist entsprechend den
Ausführungen zu Ziffer 1. nicht auszuschließen, dass
das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Prüfung des §
56 StGB die Strafe zur Bewährung ausgesetzt hätte,
kann der Senat ebenso wenig ausschließen, dass das
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Landgericht den therapiewilligen und lediglich geringfügig
vorbestraften Angeklagten nach § 56 c Abs. 3 Nr. 1 StGB
angewiesen hätte, sich einer Entziehungskur zu unterziehen. In
diesem Fall würde es für die Anordnung einer
Maßregel nach § 64 StGB bereits an der Gefahr der
künftigen Begehung erheblicher Straftaten oder aber an der
Verhältnismäßigkeit im Sinne des §
62 StGB fehlen.
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