BGH,
Beschl. v. 16.2.2005 - 2 StR 492/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 492/04
vom
16.02.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16.02.2005
gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1 a und 1 b StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 17. Mai 2004
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte schuldig
ist der Nötigung zu sexuellen Handlungen im schweren
Fall, der Vergewaltigung im schweren Fall in drei Fällen, davon
in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung zu sexuellen
Handlungen im schweren Fall, und der Vergewaltigung in
fünf Fällen, davon in zwei Fällen in
Tateinheit mit sexuellem
Mißbrauch von Kindern,
b) im Strafausspruch hinsichtlich der Einzelstrafen in den
Fällen
1 bis 4 aufgehoben; für diese Fälle wird eine
Freiheitsstrafe
von vier Jahren und sechs Monaten als Hauptstrafe
festgesetzt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
- 3 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen
Mißbrauchs von
Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie wegen
Vergewaltigung in
acht Fällen, davon in fünf Fällen in
Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von
Kindern, in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit sexueller
Nötigung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Die
auf Verfahrensrügen
und auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten führt
zur Umstellung des Schuld- und Strafausspruchs in den Fällen 1
bis 4 der Urteilsgründe;
im übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts
offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte
seine damals elfjährige Stieftochter im Jahre 1988 in Halle in
vier Fällen unter
Gewaltanwendung sexuell mißbraucht, wobei er in drei
Fällen den Geschlechtsverkehr
durchführte. Ende 1990, die Familie lebte weiterhin in Halle,
vergewaltigte er das dann dreizehnjährige Opfer noch zweimal.
Zu drei weiteren
Vergewaltigungen kam es in den Jahren 1998, 1999 und 2001.
Das Landgericht hat in allen Fällen Schuldsprüche
nach bundesdeutschem
Recht getroffen und dann in den ersten sechs Fällen
Einzelstrafen aus
den milderen Strafrahmen des Strafgesetzbuchs der DDR entnommen. Dies
hält in den Fällen 1 bis 4 der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
1. Der Senat hat den Schuldspruch in den Fällen 1 bis 4
geändert.
a) Der Schuldspruch für die Taten 1 bis 4 bestimmt sich nach
dem StGBDDR
(vgl. BGH, Beschluß vom 1. Juni 1995 - 1 StR 162/95). Das
Recht der
DDR war, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, milder
als
das zur Tatzeit geltende bundesdeutsche Recht. Dies folgt nicht nur aus
dem
- 4 -
im Höchstmaß milderen Strafrahmen des § 121
Abs. 2 Nr. 1 StGB-DDR gegenüber
§ 177 Abs. 1 StGB a. F. in den Fällen 2 bis 4,
sondern auch daraus, daß
bei Aburteilung mehrerer Taten nach dem StGB-DDR nur eine einheitliche
Strafe auszusprechen war (§ 64 Abs. 1 StGB-DDR).
Gemäß Art. 315 Abs. 1
Satz 1 EGStGB in Verbindung mit § 2 Abs. 3 StGB kommt daher
für diese Taten
das Recht der DDR zur Anwendung.
b) Zudem entfällt in diesen Fällen der Schuldspruch
wegen tateinheitlichen
sexuellen Mißbrauchs von Kindern, denn die Taten nach
§ 148 Abs. 1
StGB-DDR sind verjährt. Die Verjährungsfrist von acht
Jahren nach § 82 Abs. 1
Nr. 3 StGB-DDR war am 3. Oktober 1990, dem Zeitpunkt des Beitritts,
nicht
abgelaufen. Die Verjährung wurde deshalb an diesem Tag
unterbrochen
(Art. 315 a Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz EGStGB), danach lief die
fünfjährige Verjährungsfrist
des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB (vgl. BGHSt 47, 245, 246; BGH NStZ
1998, 36). Das Inkrafttreten des § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB
durch das
30. StrÄndG vom 23. Juni 1994 am 30. Juni 1994 führte
dazu, daß die zu diesem
Zeitpunkt nicht abgelaufene Verjährungsfrist bis zum 18.
Lebensjahr des
Opfers, mithin bis zum 5. September 1995, ruhte, und ab diesem Zeitpunkt
praktisch erneut zu laufen begann (vgl. BGHSt 47, 245, 247; BGH NStZ
2000,
251 f.). Die fünfjährige Verjährungsfrist
wäre daher am 5. September 2000 abgelaufen;
durch Art. 315 a Abs. 2 EGStGB in der Fassung des 3.
Verjährungsgesetzes
vom 22. Dezember 1997, in Kraft getreten am 31. Dezember 1997,
wurde ihr Ablauf bis zum 2. Oktober 2000 hinausgeschoben. An diesem Tag
verjährte der tateinheitliche sexuelle Mißbrauch von
Kindern; die erste Unterbrechungshandlung
wurde erst nach Ablauf der Verjährungsfrist durch den
Erlaß
des Haftbefehls am 28. November 2003 (§ 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr.
5 StGB)
vorgenommen.
- 5 -
2. Auch die Strafzumessung in den Fällen 1 bis 4 ist
rechtsfehlerhaft. Bei
einer Aburteilung wegen mehrerer Gesetzesverletzungen ist nach
§ 64 Abs. 1
StGB-DDR eine Hauptstrafe zu bilden. Der Senat hat deshalb die
für diese Fälle
festgesetzten Einzelstrafen aufgehoben und die vom Landgericht als
Einsatzstrafe für den Fall 2 verhängte
Freiheitsstrafe von vier Jahren und
sechs Monaten als Hauptstrafe festgesetzt. Hierdurch ist der Angeklagte
nicht
beschwert; daß das Landgericht eine noch niedrigere
Hauptstrafe festgesetzt
hätte, schließt der Senat aus.
3. Die Schuld- und Strafaussprüche in den Fällen 5
und 6 halten hingegen
der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Taten
fanden Ende
1990, mithin nach dem 3. Oktober 1990 und damit unter der Geltung
bundesdeutschen
Rechts statt. Dadurch, daß das Landgericht die in diesen
Fällen verhängten
Einzelstrafen den milderen Strafrahmen des StGB-DDR entnommen
hat, ist der Angeklagte nicht beschwert.
4. Auch die vom Landgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe
von acht
Jahren und drei Monaten kann bestehen bleiben. Das Landgericht hatte
für
acht Taten Einzelstrafen verhängt, die eine Summe von 360
Monaten ergeben.
Als Folge der vom Senat in den Fällen 1 bis 4 anstelle der
Einzelstrafen verhängten
Hauptstrafe entfallen 108 Monate. Der Senat hält es dennoch
für naheliegend,
daß das Landgericht auch bei richtiger Rechtsanwendung auf
eine
Gesamtfreiheitsstrafe in dieser Höhe erkannt hätte.
Jedenfalls aber ist die festgesetzte
Gesamtfreiheitsstrafe angemessen und kann deshalb in zumindest
- 6 -
entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1, Abs. 1 a Satz 1 und
Abs. 1 b
Satz 2 und 3 StPO aufrechterhalten werden (vgl. BGH, Beschluß
vom 8. Dezember
2004 - 1 StR 483/04).
Rissing-van Saan Bode Otten
Rothfuß Roggenbuck |