BGH,
Beschl. v. 16.2.2010 - 4 StR 586/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 586/09
vom
16. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag hin - und des
Beschwerdeführers am 16. Februar 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 21. Juli 2009 im Rechtsfolgenausspruch
a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Vollstreckung der
Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus
nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
b) dahin ergänzt, dass der Führerschein des
Beschuldigten eingezogen wird.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des
gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, der
versuchten gefährlichen Körperverletzung und der
Nötigung wegen nicht ausschließbarer
Schuldunfähigkeit freigesprochen und - neben einer
Maßregel nach §§ 69, 69a StGB - seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die
hiergegen vom Angeklagten eingelegte Revision hat mit der
Sachrüge Erfolg, soweit die Unterbringung des Angeklagten
nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde; im Übrigen ist
sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beschloss der Angeklagte im
Vorfeld des Besuchs des damaligen
US-Präsidentschaftskandidaten Barak Obama in Berlin
“durch eine medienwirksame Aktion ein Zeichen gegen die
Ungerechtigkeit in der Welt zu setzen und hierdurch die Politiker
aufzurütteln“. Hierzu brachte er im Kofferraum
seines Pkws einen Verschluss an, den er vom Fahrersitz aus
öffnen konnte, kaufte 70 Liter rote Farbe und füllte
diese - mit Wasser verdünnt - in den Kofferraum.
Anschließend fuhr er in Richtung „Großer
Stern“ in Berlin. In dessen Nähe umfuhr der
Angeklagte eine Absperrung auf dem Fußweg und fuhr mit 50
km/h auf den Zeugen G. zu, dessen Aufgabe es war, an einer weiteren
Absperrung berechtigte Fahrzeuge durchzulassen. Der Zeuge wich
„schnell“ zur Seite aus und der Angeklagte
durchbrach in einem Abstand von zehn Zentimetern zu dem Zeugen die
Absperrung, wobei er dessen Verletzung als ein „notwendiges
Opfer … für das von ihm verfolgte höhere
Ziel“ billigend in Kauf nahm. Anschließend
öffnete der Angeklagte - während der Fahrt - den im
Kofferraum seines Fahrzeugs angebrachten Verschluss und verteilte im
Kreis fahrend die Farbe auf der Straße. Sodann hielt er an
und ließ sich widerstandslos festnehmen.
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Der Angeklagte befand sich während der Vorbereitung und
Ausführung der Tat - wie die sachverständig beratene
Strafkammer festgestellt hat - in einer noch andauernden akuten
manischen Phase seiner bipolaren affektiven Störung, aufgrund
derer sein Steuerungsvermögen jedenfalls erheblich
eingeschränkt, nicht ausschließbar aber auch
aufgehoben war. Die Strafkammer bewertete das Verhalten des Angeklagten
als versuchte gefährliche Körperverletzung,
vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den
Straßenverkehr und Nötigung.
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2. Dem Angeklagten die Aussetzung der Vollstreckung der
Maßregel zur Bewährung zu versagen, hält
der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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Die Anordnung der Maßregel selbst weist allerdings keinen
Rechtsfehler auf. Insbesondere sind die jedenfalls erheblich
verminderte, möglicherweise auch aufgehobene
Schuldfähigkeit des Angeklagten und seine künftige
Gefährlichkeit infolge seines Zustandes hinreichend belegt.
Auch handelt es sich bei den - ohne medizinische Behandlung - zu
erwartenden „ähnlichen Delikten“
jedenfalls insofern um erhebliche Taten im Sinne des § 63
StGB, als sie der im angefochtenen Urteil festgestellten (versuchten)
gefährlichen Körperverletzung oder dem
vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr
entsprechen.
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Jedoch ist nach § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB die Aussetzung des
Vollzugs der Unterbringung geboten, wenn besondere Umstände
die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch
ohne deren Vollzug erreicht werden kann. Bei dieser Prüfung
sind zwar auch die vom Landgericht allein herangezogenen
Umstände zu berücksichtigen, nämlich dass
der Angeklagte keine Krankheitseinsicht zeigt und sich weigert, die
Medikamente einzunehmen, die eine „schnelle Linderung der
krankheitsbedingten Symptome“ herbeiführen
würden. Jedoch hätte die Strafkammer
erörtern müssen, ob sich die vom Ange-
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klagten ausgehende Gefahr insbesondere durch die Begründung
eines Betreuungsverhältnisses nach §§ 1896
ff. BGB (vgl. BGH, Urt. vom 23. Mai 2000 - 1 StR 56/00, NStZ 2000, 470,
471) und/oder durch geeignete Weisungen im Rahmen der
Führungsaufsicht (§§ 67b Abs. 2, 68b StGB;
vgl. dazu BGH, Beschl. vom 25. April 2001 - 1 StR 68/01 - und Urteile
vom 11. Juni 1987 - 4 StR 227/87 - und vom 12. Juni 2001 - 1 StR
574/00) abwenden oder jedenfalls so stark abschwächen
lässt, dass ein Verzicht auf den Vollzug der
Maßregel gewagt werden kann. Denn die damit verbundenen
Überwachungsmöglichkeiten und das dem Beschuldigten
zu verdeutlichende Risiko, bei Nichterfüllung solcher
Weisungen mit dem Vollzug der Unterbringung rechnen zu müssen,
können geeignet sein, die vom Sachverständigen und
der Strafkammer angeführten Voraussetzungen einer
erfolgversprechenden ambulanten Therapie herbeizuführen (vgl.
BGH, Urt. vom 12. Juni 2001 - 1 StR 574/00 - und Urt. vom 27.
März 2007 - 1 StR 48/07, NStZ 2007, 465 jeweils m.w.N.).
Hierzu bestand vorliegend schon deshalb Anlass, weil - was die
Strafkammer ebenfalls nicht
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erörtert - sich der Angeklagte trotz seines Zustandes bis zur
Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat straffrei
geführt hat und auch danach ohne weitere relevante
Auffälligkeiten zunächst auf freiem Fuß
verblieben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 4 StR 148/09
m.w.N.).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |