BGH,
Beschl. v. 16.7.2009 - 4 StR 241/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 241/09
vom
16. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. Juli
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Bochum - große auswärtige Strafkammer Recklinghausen
- vom 19. März 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB)
in Tateinheit mit Körperverletzung sowie der
Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter
Nötigung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wir die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung
(§ 177 Abs. 1 Nr. 1 bis 3; Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 a StGB)
in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu
einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verur-
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teilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Während die
Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts erfolglos bleiben, hat das Rechtsmittel mit
der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen
Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der
eine sog. Drückerkolonne leitete und dessen
Lebensgefährtin ein Kind erwartete, mit der
Geschädigten, die in seiner Kolonne arbeitete, eine sexuelle
Beziehung aufgenommen, in deren Verlauf er sie zunehmend
körperlich misshandelte. Auch am Abend der Tat, von einer
Kneipentour vorzeitig zurückgekehrt, versetzte er der
Geschädigten in der gemeinsamen Wohnung zunächst
mehrere heftige Schläge in den Bauch und auf den Kopf, die als
"Bestrafung" dafür gedacht waren, dass sie seine schwangere
Lebensgefährtin seiner Anweisung zuwider während
seiner Abwesenheit alleingelassen hatte. Nachdem sich die
Geschädigte, die bereits aus der Nase blutete, weil sie durch
die Schläge eine Nasenbeinfraktur erlitten hatte, mit
Erlaubnis des Angeklagten zu Bett begeben hatte, folgte er ihr kurze
Zeit später, legte sich neben sie und forderte sie auf sich
auszuziehen. Als die Nebenklägerin dies
unmissverständlich ablehnte, griff ihr der Angeklagte mit der
rechten Hand an den Hals und würgte sie. Daraufhin zog sich
die Geschädigte aus Angst vor dem Angeklagten aus und
führte nach seiner Anweisung mit ihm Oralverkehr und weitere
sexuelle Handlungen bis zum Samenerguss aus. Im Anschluss daran drohte
der Angeklagte der Geschädigten, er werde sie "arm machen";
sie müsse den Bus, für den sie unterschrieben habe,
bezahlen. Die Nebenklägerin forderte ihn daraufhin auf zu
verschwinden und erklärte, sie werde ihn ins
Gefängnis bringen. Der Angeklagte kniete sich daraufhin
über sie, hielt sie fest und schlug ihr mit der Faust heftig
auf Kopf und Nase.
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2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen (besonders)
schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1,
Abs. 4 Nr. 2 a StGB nicht.
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a) Die Urteilsgründe belegen zwar das Vorliegen des
Qualifikationsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung
im Sinne des § 177 Abs. 4 Nr. 2 a StGB. Ausreichend
dafür ist eine schwere Beeinträchtigung der
körperlichen Integrität des Opfers; heftige, mit
erheblichen Schmerzen verbundene Schläge, wie hier auf die
bereits gebrochene Nase der Nebenklägerin, genügen
(BGH NJW 2000, 3655). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts
sind dem angefochtenen Urteil jedoch keine ausreichenden Feststellungen
dafür zu entnehmen, dass die schwere körperliche
Misshandlung der Geschädigten "bei der Tat" erfolgt ist.
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Dass der Angeklagte die sexuellen Handlungen mit den
Faustschlägen erzwungen oder sie als Mittel dieser Handlungen
selbst eingesetzt hat, ist nach den Urteilsfeststellungen
auszuschließen. Zwar erfasst die Qualifikation, wie die
Formulierung "bei" belegt, darüber hinaus auch solche
Gewalttätigkeiten, die nicht final auf die
Möglichkeit der sexuellen Handlung gerichtet sind (vgl.
MünchKommStGB/Renzikowski, § 177 Rn. 84). Ob
insoweit, wie der Generalbundesanwalt unter Berufung auf Stimmen im
Schrifttum meint (LK/Laufhütte, StGB 11. Aufl. § 176
Rn. 24; Lenckner/Perron/Eisele in Schönke/Schröder,
StGB 27. Aufl. § 177 Rn. 27; § 176 Rn. 14; a. A.
Renzikowski aaO), ein zeitlich-räumlicher Zusammenhang
zwischen einer vollendeten Vergewaltigung und einer nachfolgenden
schweren Misshandlung - etwa wenn der Täter sein Opfer nach
den sexuellen Handlungen durch Schläge zum Schweigen bringen
will - für die Annahme des Merkmals "bei der Tat" ausreicht,
bedarf hier keiner Entscheidung; für den insoweit gleich
lautenden § 250 Abs. 2 Nr. 3 a StGB hat der Bundesgerichtshof
dies im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang mit § 252
StGB jüngst verneint (BGH JR 2009, 297, 298 m. Anm. Mitsch;
vgl. auch
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BGHSt 51, 276; Renzikowski aaO). Jedenfalls reicht im Hinblick auf die
deutlich angehobene Strafrahmenuntergrenze für einen solchen
Zusammenhang das bloße Übergehen zur schweren
körperlichen Misshandlung nur bei Gelegenheit einer bereits
vollendeten Tat nicht aus (BGH JR 2009, 297, 298). Eine Anwendung des
Qualifikationstatbestandes des § 177 Abs. 4 Nr. 2 a StGB kommt
namentlich dann nicht in Betracht, wenn die schwere Misshandlung nur
das Mittel einer auf einem neuen Tatentschluss beruhenden Bedrohung war
(so vgl. schon BGH NStZ-RR 2007, 12, 13). So liegt der Fall hier.
b) Nach den Feststellungen erfolgte die Drohung des Angeklagten
gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie "arm
machen", nach Abschluss der sexuellen Handlungen und bezog sich
erkennbar darauf, dass der Angeklagte und die Mitglieder der
Drückerkolonne seit einiger Zeit mit einem gemieteten Pkw
unterwegs waren, für den die Zahlung des Mietzinses noch
ausstand. Das Verhalten des Angeklagten war ersichtlich darauf
gerichtet, der Geschädigten bei dieser Gelegenheit zu
verdeutlichen, dass sie den Geldbetrag zu zahlen habe und beruhte daher
auf einem neuen Tatentschluss. Vor diesem Hintergrund fügt
sich auch die nachfolgende Misshandlung der Nebenklägerin
durch Faustschläge auf Kopf und gebrochene Nase in das vom
Landgericht - losgelöst von der abgeurteilten Tat -
festgestellte Bild einer allgemein von Gewalt seitens des Angeklagten
geprägten Beziehung. So misshandelte der Angeklagte die
Geschädigte schon im Sommer 2008, als sie die Kolonne
verlassen wollte. Einige Zeit später kam es
anlässlich eines Gaststättenbesuchs zu einem weiteren
Übergriff des Angeklagten, als er die Geschädigte
gemeinschaftlich mit einem anderen Mitglied der Drückerkolonne
würgte, ihr ins Gesicht sowie ihren Kopf auf die Erde schlug.
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c) Die Verurteilung wegen gefährlicher
Körperverletzung gemäß § 224 Abs.
1 Nr. 5 StGB kann ebenfalls keinen Bestand haben. Insoweit nimmt der
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Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug. Der
insoweit anlässlich der schweren Vergewaltigung verwirklichte
Tatbestand der Körperverletzung gemäß
§ 223 StGB tritt hier jedoch nicht hinter § 177 Abs.
1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB zurück (BGH bei Miebach NStZ
1995, 224).
3. Der Schuldspruch war danach wie aus der Beschlussformel ersichtlich
zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da
auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte anders als
geschehen hätte verteidigen können. Danach ist
über die Höhe der Strafen unter Beachtung von
§ 358 Abs. 2 StPO neu zu befinden.
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Maatz Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke |