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BGH, Beschluss vom 16. Juni 2005 - 5 StR 118/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 16.6.2005 - 5 StR 118/05
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
AO § 371, § 393 Abs. 1
1. Strafbefreiende Selbstanzeige: Wirksamkeitsvoraussetzung
(im Anschluß an BGHSt 3, 373) und Aufhebung der Sperrwirkung
nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO
2. Verstoß gegen Belehrungspflicht nach § 393 Abs. 1 AO und
Verwertungsverbot
BGH, Beschluß vom 16.06.2005 - 5 StR 118/05
LG Lübeck -
5 StR 118/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 16.06.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16.06.2005
beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gegen die Versäumung der
Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des
Landgerichts Lübeck vom 14. Dezember 2004 gewährt.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil
wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in
drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; im übrigen
ist der Angeklagte freigesprochen worden. Seine gegen die Verurteilung gerichtete
Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts
rügt, hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts machte der Angeklagte als
Geschäftführer der T -L (T -L ) in den Umsatzsteuervoranmeldungen
für Januar 1998 und November 1998 sowie für das
zweite Quartal 1999 unberechtigt Vorsteuern in Höhe von insgesamt
1,2 Mio. DM aus Rechnungen der I (I
) geltend. Dabei wußte der Angeklagte, daß die I die in
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Rechnung gestellten Waren nicht geliefert hatte und daß die T -L ihrerseits
auf die Rechnungen keine Zahlungen geleistet hatte.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten begegnet keinen durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die Revisionsangriffe bleiben aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts, die auch durch die Gegenerklärung
nicht entkräftet werden, ohne Erfolg.
Der weitergehenden Erörterung bedarf nur der Hintergrund einer Verfahrensrüge,
mit der geltend gemacht wird, das Landgericht habe zu Unrecht
einen Beweisantrag abgelehnt, mit dem nachgewiesen werden sollte, daß
die bei dem Angeklagten durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung so fehlerhaft
war, daß das Erscheinen des Außenprüfers aufgrund der Nichtigkeit
der Prüfungsanordnung die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht
hätte auslösen können, so daß der Angeklagte durch seine nachträglich eingereichten
zutreffenden Steuererklärungen nach § 371 Abs. 1 AO straflos
geworden sei. Letztlich war die Annahme einer (rechtlichen) Bedeutungslosigkeit
des unter Beweis gestellten Verfahrensgangs nicht rechtsfehlerhaft.
Dies bedarf indes näherer Erläuterung.
1. Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelte seit August 1998 gegen
den Angeklagten wegen Geldwäsche aufgrund einer Verdachtsanzeige der
Geschäftsbank der T -L . Nach der Auffassung der in die Ermittlungen
einbezogenen Steuerfahndung Lübeck ergab sich bei der steuerlichen Überprüfung
der Verdacht der „Umsatzsteuererschleichung“ mittels „Luftrechnungen“.
Am 20. Oktober 1998 verfügte die Staatsanwaltschaft Hamburg die
Abgabe des Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft Lübeck, da
diese für das Verfahren, welches sich nunmehr allein gegen den Angeklag-
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ten „wegen des Verdachts der USt-Hinterziehung (‚Luftgeschäfte’)“ richte,
zuständig sei. Nach einem mehrere Monate dauernden Zuständigkeitsstreit
übernahm die Staatsanwaltschaft Lübeck im Juni 1999 das Verfahren. Mit
Verfügung vom 8. Juni 1999 ersuchte die Staatsanwaltschaft die Steuerfahndung
Lübeck um einen Zwischenbericht und Abklärung der in Frage kommenden
Durchsuchungsobjekte.
Zwischenzeitlich hatte das für die Umsatzsteuervoranmeldungen der
T -L zuständige Finanzamt - nachdem es von der Steuerfahndung
über die Verdachtslage informiert worden war - im März 1999 eine Umsatzsteuersonderprüfung
angeregt. Die entsprechende Prüfungsanordnung erging
am 11. August 1999; dies wurde dem Angeklagten durch den Prüfer des
Finanzamtes mitgeteilt. Die Umsatzsteuersonderprüfung bei der T -L
fand am 17. und 18. August 1999 statt. Bei der Schlußbesprechung am
14. September 1999 räumte der Angeklagte gegenüber dem Umsatzsteuersonderprüfer
ein, daß die fraglichen Rechnungen nur „pro forma Rechnungen“
seien, denen keine Warenlieferungen zugrunde lagen. Der Prüfer wies
darauf hin, daß er den Prüfbericht an die Buß- und Strafsachenstelle des Finanzamtes
zur strafrechtlichen Würdigung weiterleiten werde.
Die Ermittlungsakte wurde von der Steuerfahndung erst Ende März
2000 mit den gewünschten Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zurückgeleitet.
Am 15. Mai 2000 wurde bei dem Angeklagten wegen des Verdachts
der Umsatzsteuerhinterziehung durchsucht; darüber wurde der abwesende
Angeklagte telefonisch unterrichtet. Die schriftliche Mitteilung mit der vorgeschriebenen
Belehrung über die Beschuldigtenrechte wurde ihm am 2. Juni
2000 zugestellt.
Mit zwei Schreiben vom 14. Februar 2000, welche erst am 28. und
29. Dezember 2000 beim Finanzamt eingingen, reichte der steuerliche Berater
des Angeklagten berichtigte Umsatzsteuererklärungen ein. Die sich dar-
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aus ergebenden nachzuzahlenden Umsatzsteuern wurden in Teilbeträgen
bis zum 25. April 2001 vollständig bezahlt.
2. Die Revision zeigt zutreffend auf, daß das Verhalten der Finanzbehörde
im Zusammenhang mit der Umsatzsteuersonderprüfung erheblichen
rechtlichen Bedenken unterliegt, welches die Annahme eines strafrechtlichen
Verwertungsverbots hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse nahelegt. Insoweit
ist indes unmittelbar keine Verfahrensbeanstandung angebracht worden.
a) Ein Rechtsverstoß liegt allerdings nicht schon darin, daß trotz des
bereits eingeleiteten Steuerstrafverfahrens eine Außenprüfung angeordnet
und durchgeführt worden ist. Mit welchen Mitteln und auf welche Weise das
Finanzamt seiner Ermittlungspflicht beim Verdacht einer Steuerstraftat (§ 386
Abs. 1 Satz 1 AO) nachkommt, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit und der
Praktikabilität. Dabei schließen sich die Zuständigkeiten der Außenprüfung
(§ 193 AO) und die der Steuerfahndung (§ 208 AO) nicht gegenseitig aus
(vgl. BFHE 186, 506; BFH/NV 1990, 347; jew. m.w.N). Der Außenprüfer hat
aber die Vorschrift des § 10 Betriebsprüfungsordnung 2000 (BpO (2000), zur
Tatzeit inhaltsgleich: § 9 BpO) zu beachten sowie zu bedenken, daß nach
Einleitung eines Steuerstrafverfahrens der Finanzbehörde nach § 393 Abs. 1
Satz 2 AO die im Rahmen des Besteuerungsverfahrens eingeräumten
Zwangsmittel (§ 328 AO) nicht mehr zustehen (vgl. BFH/NV aaO; BFHE 151,
324, 327).
b) Vorliegend hat die Finanzbehörde aber gegen die sich aus § 393
Abs. 1 AO, § 397 Abs. 3 AO und § 10 BpO (2000) ergebenden Mitteilungsund
Belehrungspflichten verstoßen.
Nach § 393 Abs. 1 AO ist der Steuerpflichtige, soweit Anlaß dazu besteht,
darüber zu belehren, daß im Besteuerungsverfahren die Anwendung
von Zwangsmitteln gegen ihn unzulässig ist, wenn er dadurch gezwungen
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wäre, sich selbst wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit
zu belasten; dies gilt jedenfalls dann, wenn gegen ihn wegen einer solchen
Tat ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens
ist dem Beschuldigten gemäß § 397 Abs. 3 AO spätestens
mitzuteilen, wenn er dazu aufgefordert wird, Tatsachen darzulegen oder Unterlagen
vorzulegen, die im Zusammenhang mit der Straftat stehen, derer er
verdächtig ist. Bei einer Außenprüfung dürfen nach § 10 BpO (2000) die Ermittlungen
hinsichtlich eines Sachverhalts, auf den sich der Verdacht einer
Straftat bezieht, erst fortgesetzt werden, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung
des Strafverfahrens mitgeteilt worden ist. Der Steuerpflichtige ist dabei,
soweit die Feststellungen auch für Zwecke des Strafverfahrens verwendet
werden können, darüber zu belehren, daß seine Mitwirkung im Besteuerungsverfahren
nicht mehr erzwungen werden kann.
Gegen diese Mitteilungs- und Belehrungspflichten ist im vorliegenden
Verfahren verstoßen worden. Ausweislich der Abgabeverfügung der Staatsanwaltschaft
Hamburg vom 20. Oktober 1998 war gegen den Angeklagten
ein Ermittlungsverfahren anhängig, welches zumindest auch wegen des Verdachts
der Umsatzsteuerhinterziehung geführt wurde. Zügige strafrechtliche
Ermittlungsmaßnahmen wurden wegen des mehrmonatigen Zuständigkeitsstreits
zwischen den Staatsanwaltschaften Hamburg und Lübeck verhindert.
Zwar wäre es der Finanzbehörde in dieser Situation grundsätzlich möglich
gewesen, den Sachverhalt durch eine Außenprüfung weiter aufzuklären.
Spätestens mit der Aufforderung, im Rahmen dieser Prüfung Unterlagen vorzulegen,
hätte dem Angeklagten aber eröffnet werden müssen, daß gegen
ihn der Verdacht besteht, durch „Luftrechnungen“ zu Unrecht Vorsteuererstattungen
beantragt zu haben. Über diesen bereits sehr konkreten Verdacht
und über das gegen den Angeklagten bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren
wegen Geldwäsche war der Sonderprüfer von dem in die Ermittlungen
eingebundenen Steuerfahnder informiert worden. Gleichwohl wurde der Angeklagte
nicht über seine Beschuldigtenrechte belehrt, obwohl eine Belehrung
in dieser Situation offensichtlich erforderlich war.
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c) Der Verstoß gegen Belehrungspflichten über die Aussagefreiheit
des Beschuldigten führt im Strafprozeß grundsätzlich zu einem Verwertungsverbot
der unmittelbar hierdurch erlangten Informationen (vgl. BGHSt 38,
214).
Der Grundsatz, daß niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen
braucht, gehört zu den verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien
des Strafprozesses. Die Anerkennung des Schweigerechts schützt das Persönlichkeitsrecht
des Beschuldigten und ist notwendiger Bestandteil eines
fairen Verfahrens. Die Hinweispflicht auf das Recht, nicht auszusagen, dient
der Wahrung der Rechte des Beschuldigten. Dies gilt insbesondere dann,
wenn der Beschuldigte durch andere, außerhalb des Straf- und Strafprozeßrechts
liegende Vorschriften verpflichtet wird, Angaben zu machen (vgl.
BGHSt 38, 214, 221). Im Besteuerungsverfahren und insbesondere auch im
Rahmen von Außenprüfungen (§§ 193 ff. AO) ist der Steuerpflichtige verpflichtet,
umfassende und wahrheitsgemäße Angaben über steuerlich erhebliche
Tatsachen zu machen (§ 90 Abs. 1, § 150 Abs. 2 AO), auch dann, wenn
er sich dadurch selbst einer allgemeinen Straftat bezichtigt.
Um sicherzustellen, daß der Steuerpflichtige, gegen den bereits wegen
einer Steuerstraftat ermittelt wird, seine Beschuldigtenrechte wahrnehmen
kann, enthält das Gesetz (neben § 136 Abs. 1 StPO) in den § 393
Abs. 1, § 397 Abs. 3 AO, § 10 BpO (2000) entsprechende Belehrungspflichten.
Ein Verstoß gegen diese Verfahrensvorschriften begründet grundsätzlich
ein Verwertungsverbot für den Strafprozeß (vgl. zur Frage eines Verwertungsverbots
im Besteuerungsverfahren BFHE 198, 7; FG Mecklenburg-
Vorpommern wistra 2003, 473), zu dessen Geltendmachung im Revisionsverfahren
es indes einer - hier, wie erwähnt, nicht erhobenen, im übrigen
mangels Beruhens auch nicht erfolgversprechenden - Verfahrensrüge bedürfte
(vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 136a Rdn. 27).
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3. Der Angeklagte hat nicht durch eine Selbstanzeige gemäß § 371
AO Straffreiheit hinsichtlich der ausgeurteilten Taten erlangt.
a) Eine wirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO setzt
voraus, daß die bisher unrichtigen, unvollständigen oder ganz unterbliebenen
Angaben wahrheitsgemäß nachgeholt werden. Straffreiheit tritt nicht ein,
wenn zum Zeitpunkt der Berichtigung einer der Ausschlußgründe des § 371
Abs. 2 AO vorliegt oder wenn die Steuern nicht innerhalb angemessener
Frist nachgezahlt werden (§ 371 Abs. 3 AO).
b) Als Selbstanzeige kämen die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung
für das zweite Quartal 1999 (eingegangen beim Finanzamt am 28. Dezember
2000) und die zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für 1998
(eingegangen beim Finanzamt am 29. Dezember 2000), in denen der Angeklagte
den umsatzsteuerlich relevanten Sachverhalt wahrheitsgemäß angibt,
in Betracht (vgl. BGHR AO § 371 Abs. 1 Unvollständigkeit 2). Einer strafbefreienden
Wirkung dieser berichtigten Erklärungen steht hier aber der Ausschlußgrund
des § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO entgegen, da dem Angeklagten im
Mai 2000 die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben worden war.
Der Umstand, daß das Begleitschreiben das Datum des 14. Februar 2000
trägt, ist dabei unerheblich, weil es für die Selbstanzeige auf den Eingang bei
der Finanzbehörde ankommt (vgl. Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
AO 183. Lfg. Dezember 2004 § 371 Rdn. 65).
c) Auch im Zusammenhang mit der Umsatzsteuersonderprüfung bei
der T -L im August 1999 liegen die Voraussetzungen einer strafbefreienden
Selbstanzeige nicht vor.
aa) Insoweit ist allerdings fraglich, ob das Erscheinen des Außenprüfers
bei der T -L am 17. August 1999 die Sperrwirkung des § 371
Abs. 2 Nr. 1a AO ausgelöst hat.
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(1) In der Literatur werden verschiedene Fallkonstellationen diskutiert,
in denen die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO entfallen soll. Nach
einer Meinung soll bereits die formelle oder materielle Rechtswidrigkeit der
Prüfung dazu führen, daß trotz Erscheinens eines Amtsträgers eine wirksame
Selbstanzeige noch möglich ist (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht 33. Lfg.
Januar 2005 § 371 Rdn. 155.5). Nach anderer Auffassung soll es darauf ankommen,
ob die Ergebnisse der Prüfung steuerrechtlich (vgl. Rüping aaO
§ 371 Rdn. 154) oder strafrechtlich einem Verwertungsverbot (vgl. Joecks in
Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 371 Rdn. 162) unterliegen.
In der steuerrechtlichen und steuerstrafrechtlichen Rechtsprechung ist diese
Frage - soweit ersichtlich - bisher noch nicht entschieden.
(2) In den Fällen, in denen die dem Erscheinen des Amtsträgers
zugrunde liegende Prüfungsanordnung nichtig ist, weil sie an besonders
schwerwiegenden, offenkundigen Fehlern leidet (vgl. § 125 AO), wird eine
Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO ausscheiden. Gegen eine weitergehende
Einschränkung dieses Sperrgrundes könnten folgende Erwägungen
sprechen: Mit der Regelung der Selbstanzeige verfolgt der Gesetzgeber vornehmlich
den steuerpolitischen Zweck, dem Täter einen Anreiz zu geben,
bisher verheimlichte Steuerquellen zu offenbaren. Die Straffreiheit soll daher
nicht eintreten, wenn die bisher verborgene Steuerquelle durch die Finanzbehörde
bemerkt wurde oder wenn sie nach dem normalen Verlauf der Dinge
alsbald bemerkt würde (vgl. Joecks aaO § 371 Rdn. 132). Die Situationen, in
denen eine nachträgliche Straffreiheit durch eine Selbstanzeige nicht mehr
erreicht werden kann, sind aus Gründen der Rechtssicherheit weitgehend
objektivierend beschrieben. Bereits nach dem Wortlaut von § 371 Abs. 2
Nr. 1a AO wird nicht auf die Anordnung oder die Durchführung der - möglicherweise
mehrere Wochen dauernden - Prüfung abgestellt, sondern auf
das tatsächliche Erscheinen des Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen
Prüfung, in welchem sich für den Steuerstraftäter das Risiko der Entdeckung
manifestiert. Nach dem Sinn und Zweck des § 371 AO erscheint es
in dieser Situation, in der mit der baldigen Aufdeckung der bisher verheim-
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lichten Steuerquelle zu rechnen ist, nicht mehr angezeigt, dem Steuerstraftäter
für deren Offenbarung Straffreiheit in Aussicht zu stellen.
Für den Steuerpflichtigen muß jederzeit eindeutig erkennbar sein, ob
eine Selbstanzeige dazu führt, daß er in bezug auf den offenbarten Sachverhalt
straffrei wird. Ein Abstellen auf die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung
oder der Prüfungsdurchführung oder auf die steuerliche oder strafrechtliche
Verwertbarkeit des Prüfungsergebnisses würde insoweit zu erheblichen
Unsicherheiten führen, da solche Mängel in vielen Fällen nicht ohne weiteres
erkennbar sein werden und unter Umständen erst nach langdauernden Streitigkeiten
feststehen. Anders ist dies nur dann, wenn die Prüfungsanordnung
an so gravierenden Fehlern leidet, daß sich ihre Nichtigkeit aus § 125 AO
ergibt.
bb) Der Senat braucht letztlich aber nicht zu entscheiden, unter welchen
Umständen das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde, namentlich
eines Prüfers zur Durchführung einer Außenprüfung, die Sperrwirkung
des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO nicht auslöst. Denn der Angeklagte hat mit
der bloßen Bestätigung des Außenprüfungsergebnisses schon keine taugliche
Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs.1 AO abgegeben.
(1) Mit der Selbstanzeige gemäß § 371 AO soll dem Täter selbst nach
einer vollendeten Steuerhinterziehung noch die Möglichkeit gegeben werden,
seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und eventuelle
Verfehlungen nachträglich zu berichtigen. Dem Staat soll dadurch der Zugriff
auf bisher unbekannte Steuerquellen ermöglicht werden. Eine wirksame
Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO setzt daher voraus, daß der Steuerpflichtige
eine gewisse Tätigkeit entfaltet, die zu einer Berichtigung und Ergänzung
der bisherigen Angaben führt. Er muß hierdurch einen wesentlichen
Beitrag zur Ermöglichung einer zutreffenden nachträglichen Steuerfestsetzung
leisten (vgl. BGHSt 3, 373, 375). Durch die Berichtigung und Ergänzung
der bisherigen oder die Nachholung von bisher unterbliebenen Angaben
- 11 -
durch den Steuerpflichtigen muß das Finanzamt in der Lage sein, ohne
langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären (vgl.
BGHSt 49, 136, 139 m.w.N.).
Für eine wirksame Selbstanzeige reicht es daher nicht aus, daß der
Steuerpflichtige lediglich das von einem Außenprüfer erarbeitete Ergebnis
anerkennt oder auf Vorhalt bestimmter auffälliger Sachverhalte die Unrichtigkeit
seiner bisherigen Angaben einräumt (vgl. BGHSt 3, 373; Joecks in Franzen/
Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 371 Rdn. 56; Kohlmann, Steuerstrafrecht
33. Lfg.01.2005 § 371 Rdn. 63; Rüping in Hübschmann/
Hepp/Spitaler, AO 183. Lfg. Dezember 2004 § 371 Rdn. 77).
(2) Hier hat der Angeklagte nach abgeschlossener Prüfung in der
Schlußbesprechung auf Vorhalt des Prüfers zu bestimmten Rechnungen
eingeräumt, daß diesen weder Warenlieferungen noch Zahlungen zugrunde
lagen; vielmehr hat er sie als „pro forma Rechnungen“ bezeichnet. Darin ist
kein hinreichender Beitrag des Angeklagten zu sehen, der als Berichtigung
seiner bisher unzutreffenden Angaben im Sinne des § 371 Abs. 1 AO gewertet
werden kann. Für die Finanzbehörde hat sich durch die bloße Bestätigung
des Ergebnisses der Außenprüfung keine wesentliche Verbesserung der für
die zutreffende Steuerfestsetzung notwendigen Tatsachengrundlage ergeben.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem der
Entscheidung in BGHSt 49, 136 zugrundeliegenden Sachverhalt. Dort hatte
der Beschuldigte im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen eingeräumt, daß
sämtliche Angaben im Zusammenhang mit Vorsteuererstattungsanträgen
unrichtig waren und insbesondere die Existenz der vorsteuerberechtigten
Unternehmen vorgetäuscht worden war. Daraus ergab sich ohne weiteres,
daß ein irgendwie gearteter Steuererstattungsanspruch unter keinen Umständen
in Betracht kam (vgl. BGHSt 49, 136, 141). Vorliegend hat der Angeklagte
jedoch unrichtige Rechnungen in die Buchhaltung eines existieren-
12 -
den Unternehmens und letztlich in dessen Umsatzsteuervoranmeldungen
einfließen lassen. Für das Finanzamt war somit auch nach Bestätigung des
Außenprüfungsergebnisses hinsichtlich einzelner Rechnungen keinesfalls die
Möglichkeit einer zutreffenden Festsetzung ohne weitere langwierige Nachforschungen
gegeben.
Die Tatsache, daß der Prüfer des Finanzamts im Rahmen der Außenprüfung
gegen seine Belehrungspflichten verstoßen hat, ändert an dem gefundenen
Ergebnis nichts. Denn auch die Bestätigung eines steuerstrafrechtlich
relevanten Vorhalts gegenüber einem Finanzbeamten außerhalb jeglicher
offizieller Amtshandlung wäre nicht als Selbstanzeige zu bewerten.
Harms Basdorf Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Gerhardt ist durch Urlaub an der
Unterschrift gehindert
Harms
Brause Schaal



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