BGH,
Beschl. v. 16.6.2009 - 3 StR 6/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 6/09
vom
16. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 16. Juni 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 20. Juni 2008
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
in zwei Fällen schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafen in den
Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe sowie im
Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die
zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Mit seiner Revision erhebt der Angeklagte eine
Verfahrensrüge und beanstandet die Verletzung materiellen
Rechts.
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Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
es unbegründet.
Nach den Feststellungen brachte der Angeklagte zwei Ernten aus einer
Indoor-Marihuana-Plantage ein, die er auf seinem landwirtschaftlichen
Hof errichtet hatte. Die erste Ernte von November 2006 mit einer
Gesamtmenge von 7,0 kg verkaufte er insgesamt an einen Abnehmer. Die
zweite Ernte setzte er in zwei Lieferungen ab: nach dem Verkauf einer
Teilmenge von 3,5 kg am 12. Januar 2007 übergab er am 23.
Januar 2007 die Restmenge von 4,0 kg an einen weiteren Abnehmer. Mit
diesem wurde er im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten und
festgenommen.
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I. Mit der Verfahrensrüge beanstandet der
Beschwerdeführer die Verwertung der Erkenntnisse aus einer auf
seinem Anwesen vorgenommenen Durchsuchung, die durch die Vernehmung des
Zeugen KK K. und der im Zusammenhang mit dieser Vernehmung
durchgeführten Inaugenscheinnahme von Lichtbildern, die
anlässlich der Durchsuchung gefertigt worden waren, in die
Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Der Vernehmung dieses
Zeugen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung widersprochen und,
nachdem der Vorsitzende die Fortsetzung der Vernehmung angeordnet
hatte, ohne Erfolg auf Entscheidung des Gerichts (§ 238 Abs. 2
StPO) angetragen. Der Angeklagte macht geltend, die Erkenntnisse aus
der Durchsuchung unterfielen einem Beweisverwertungsverbot, da die
Maßnahme in grober Verkennung des Richtervorbehalts von der
Staatsanwaltschaft angeordnet worden sei und eine Dokumentation der
Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug
(§ 105 Abs. 1 Satz 1 StPO) fehle.
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Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob die
vom Angeklagten geltend gemachten Verfahrensverstöße
vorliegen und zur Folge haben,
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dass die vom Zeugen KK K. bekundeten Erkenntnisse aus der Durchsuchung
unverwertbar sind; denn der Senat kann ausschließen, dass das
Urteil auf der Verwertung der Bekundungen dieses Zeugen beruht. Das
Landgericht hat zu den anlässlich der Durchsuchung gewonnenen
Ermittlungsergebnissen neben dem Zeugen K. auch den Zeugen KHK H.
(ausweislich der Akten der Durchsuchungsführer) vernommen, mit
dem ebenfalls der Bildbericht im Einzelnen erörtert worden ist
(UA S. 13). Gegen die Vernehmung dieses Zeugen und die Verwertung
seiner Angaben wendet sich die Revision indessen nicht. (Der Angeklagte
hatte hiergegen im Übrigen auch in der Hauptverhandlung keinen
Widerspruch erhoben oder Antrag auf Entscheidung des Gerichts
gestellt.) Da sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass der
Zeuge H. keine Angaben gemacht hat, die sich von denen des Zeugen K.
unterscheiden, fehlt es an jedem Anhalt dafür, das Landgericht
könnte sich bei Nichtverwertung der Aussage des letztgenannten
Zeugen eine abweichende Überzeugung gebildet haben.
Mit Blick auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in
seiner Antragsschrift bemerkt der Senat ergänzend, dass das
erkennende Gericht auch dann nicht von der grundsätzlichen
Pflicht entbunden ist, die Verwertbarkeit der durch eine Durchsuchung
gewonnenen Beweise zu prüfen, wenn der Angeklagte die
Rechtsschutzmöglichkeit entsprechend § 98 Abs. 2 Satz
2 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 105 Rdn.
16 m. w. N.) nicht genutzt hat. Ein Stufenverhältnis oder ein
Vorrang dieses Rechtsbehelfs besteht auch nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts nicht.
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II. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge führt zur Änderung des
Schuldspruchs und zur teilweisen Aufhebung des Strafausspruchs; denn
die Wertung des Landgerichts, die beiden letzten
Absatzgeschäfte über 3,5 und 4,0
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kg (Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe) seien als
rechtlich selbstständige Taten des Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge anzusehen, begegnet
durchgreifenden materiellrechtlichen Bedenken.
1. Nach ständiger Rechtsprechung bilden mehrere Akte des
Betäubungsmittelumsatzes eine einheitliche Tat des
Handeltreibens, wenn sie dieselbe Rauschgiftmenge betreffen (BGHR BtMG
§ 29 Bewertungseinheit 1, 4 m. w. N.). Dabei ist es
unerheblich, ob eine einheitlich von einem Lieferanten zum Zwecke des
sukzessiven Weiterverkaufs erworbene oder eine in einem Akt angebaute
und zum Handeltreiben hergestellte Menge von Betäubungsmitteln
in Rede steht (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Anbau 2).
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Danach liegt trotz zweier
Veräußerungsvorgänge in den Fällen
II. 2 und 3 der Urteilsgründe nur eine Tat des Handeltreibens
vor; denn es handelte sich bei den durch die zweite Ernte
hervorgebrachten 7,5 kg Marihuana um einen einheitlichen Gegenstand des
Handeltreibens, unabhängig davon, dass dessen Verkauf auf zwei
Veräußerungsgeschäfte aufgeteilt wurde.
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2. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender
Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst ab. Dem steht
§ 265 StPO nicht entgegen, da der Angeklagte sich gegen den
geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen hätte
verteidigen können.
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3. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung der
Einzelstrafen, auf die das Landgericht in den Fällen II. 2 und
3 der Urteilsgründe erkannt hat, sowie der Gesamtstrafe. Die
Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem Rechtsfehler nicht
betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353
Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu
nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig. Bei der
Neufestsetzung der Einzelstrafe für
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die einheitliche Tat der Fälle II. 2 und 3 der
Urteilsgründe ist die nunmehr zur Entscheidung berufene
Strafkammer an die Höhe der bisherigen Einzelstrafen nicht
gebunden; die neue Gesamtstrafe darf indes die bisherige nicht
übersteigen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Becker Pfister von Lienen
Hubert RiBGH Dr. Schäfer befindet sich
im Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.
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