BGH,
Beschl. v. 16.3.2000 - 4 StR 2/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 2/00
vom
16. März 2000
in der Strafsache gegen
wegen Brandstiftung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16.
März 2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Arnsberg vom 6. August 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung (unter
Anwendung von § 308 Abs. 1 StGB a.F.) zu einer Freiheitsstrafe
von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit
seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die
Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit
der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeschwerden kommt es
deshalb nicht an.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen legte der
Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 1. Februar 1998 in
der Werkhalle auf dem Betriebsgelände seines Vaters ein Feuer,
durch das die Halle weitgehend zerstört wurde. Der
Gebäudeschaden und der "Schaden an Einrichtung und Inventar"
in Höhe von zusammen etwas über eine Million DM wurde
von der Versicherung reguliert, "da sich keine Verdachtsmomente gegen
den Eigentümer Klaus H. ", den Vater des Angeklagten, ergaben
(UA 6). Hintergrund der Tat war nach den Feststellungen, daß
der Vater des Angeklagten sich mit seinem Kfz-Reparatur-Betrieb und
Transportunternehmen in finanziellen Schwierigkeiten befand.
Spätestens im Herbst 1997 war darüber hinaus auch der
Angeklagte selbst mit seiner Firma, mit der er auf dem
Betriebsgelände seines Vaters ein eigenes Transportunternehmen
betrieb, in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
2. Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen
Nachprüfung nicht stand, weil die Rechtswidrigkeit der Tat und
die subjektive Tatseite des Angeklagten nicht ausreichend mit Tatsachen
belegt sind. Das Landgericht hat festgestellt, der Angeklagte, der
seine Tatbegehung bestreitet, habe den Brand "ohne Wissen seines
Vaters, der sich zu dieser Zeit auf einer Geschäftsreise in
Polen befand" (UA 5), gelegt. Worauf es seine Überzeugung
stützt, daß der Vater des Angeklagten nicht
eingeweiht war, teilt das Urteil nicht mit. Dies beanstandet die
Revision zu Recht.
Das Landgericht sieht als Tatmotiv die Erwartung des Angeklagten an,
daß - wie der Angeklagte den Feststellungen zufolge
gegenüber dem Zeugen D. geäußert hat - "sie
von der Versicherungssumme gut neu bauen könnten" (UA 9). Mit
"sie" ist ersichtlich (auch) der Vater des Angeklagten gemeint, zumal
das Landgericht selbst davon ausgeht, "daß der Angeklagte
dabei in erster Linie an seinen Vater gedacht hat" (UA 11). Stand die
Brandlegung somit auch nach Auffassung des Landgerichts vorrangig im
wirtschaftlichen Interesse des Vaters, so versteht es sich keineswegs
von selbst, daß der Angeklagte "ohne Wissen" seines Vaters
tätig geworden ist. Jedenfalls hätte dies
näherer Begründung bedurft. Der Vater selbst konnte
dazu in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden, weil er bereits
vor deren Beginn verstorben ist (UA 3). Daß er sich zur
Tatzeit auf Geschäftsreise im Ausland befand,
schließt seine Kenntnis von der bevorstehenden Tat ebenso wie
einen gemeinsamen Tatplan nicht aus.
In diesem Zusammenhang begegnet es auch rechtlichen Bedenken,
daß das Landgericht "zugunsten des Angeklagten" von einem
"kurzfristig", d.h. spontan gefaßten Tatentschluß
ausgegangen ist (UA 13). Dies läßt besorgen,
daß das Landgericht insoweit nicht die dem Angeklagten
jeweils günstigste Gestaltung seiner rechtlichen Bewertung
zugrunde gelegt hat (vgl. BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 11
= StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 12). Denn die
Erwägung der Strafkammer läßt die
Möglichkeit offen, daß der Angeklagte den
Entschluß schon zu einem früheren Zeitpunkt
gefaßt hat, als sein Vater noch nicht abgereist war. Indem
das Landgericht einen spät(er) gefaßten
Entschluß unterstellt, hat es sogleich die
Möglichkeit einer Einwilligung ausgeschlossen. Damit hat es
die Tragweite des Zweifelsgrundsatzes verkannt.
Auf den aufgezeigten Mängeln beruht das Urteil; denn wenn der
Vater des Angeklagten in die beabsichtigte Brandlegung eingeweiht war,
liegt die Annahme nahe, daß er hierin auch eingewilligt hat.
Dies würde zumindest die Rechtswidrigkeit der Tat auch
für den Angeklagten ausschließen (BGHR StGB
§ 308 Abs. 1 Fremdeigentum 1 m.w.N.; Cramer in
Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 308 Rdn.
14a).
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf
folgendes hin:
In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht,
bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs einer lückenlosen Gesamtwürdigung
aller Indizien, die die Angaben des Belastungszeugen in Frage stellen
(BGHSt 44, 153, 158 f.; 44, 256 f., jew.m.w.N.). Dies gilt hier umso
mehr, als unmittelbare Beweise für die Täterschaft
des Angeklagten fehlen und das Landgericht die Schuldfeststellungen im
Ergebnis allein auf die Angaben des Zeugen D. über das
gestützt hat, was ihm gegenüber der Angeklagte
"gestanden" hat. Insoweit wird der neue Tatrichter eingehender als
bisher sich damit auseinanderzusetzen und im Urteil darzulegen haben,
inwieweit der Zeuge im Ermittlungsverfahren von seiner Aussage in der
Hauptverhandlung abweichende Angaben gemacht hat. Der pauschale
Hinweis, die Aussagen entsprächen sich "inhaltlich in allen
wesentlichen Punkten" (UA 10), erlaubt dem Senat nicht die
Prüfung, ob das Landgericht insoweit einen zutreffenden
rechtlichen Maßstab zugrundegelegt hat. Zudem kann von
Bedeutung sein, ob die Angaben des Zeugen Täterwissen
offenbaren oder auf Informationen aus allgemein zugänglichen
Quellen beruhen können.
Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, daß der
Angeklagte den Brand (nicht ausschließbar) mit Einwilligung
seines Vaters gelegt hat, scheidet - wie dargelegt - eine Strafbarkeit
wegen Brandstiftung nach § 308 StGB a.F./§ 306 StGB
n.F. aus. Doch wird das Landgericht seine Strafbarkeit dann unter dem
Gesichtspunkt der §§ 263, 265 StGB zu prüfen
haben, die auch neben der vom Landgericht angenommenen Brandstiftung
verwirklicht sein können. Dabei ist wegen der
Änderung der genannten Strafvorschriften durch das am 1. April
1998 in Kraft getretene 6. StrRG mit Blick auf § 2 Abs. 1 und
3 StGB nach dem Grundsatz strikter Alternativität (BGHSt 37,
320, 322) einheitlich dasjenige Recht anzuwenden, das nach einem
Gesamtvergleich des Tatzeit- und des derzeit geltenden Rechts im
konkreten Fall die mildeste Beurteilung zuläßt (BGH,
Beschluß vom 28. Oktober 1999 - 4 StR 460/99). Insoweit wird
nach der Rechtsprechung die Herabstufung bei § 265 StGB n.F.
grundsätzlich durch die Aufwertung des Betrugs in Form eines
Regelbeispiels des besonders schweren Falles nach § 263 Abs. 3
Satz 2 Nr. 5 StGB n.F. ausgeglichen (BGH NStZ 1999, 32, 33; 243, 244;
BGH, Beschluß vom 19. Oktober 1999 - 4 StR 471/99); dieser
Betrug bildet mit der Brandstiftung prozessual eine Tat im Sinne des
§ 264 StPO (BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/99,
zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt, StV 2000, 133 m.Anm.
Schlothauer aaO S. 138 ff.) und ist deshalb von der zugelassenen
Anklage erfaßt. Die Prüfung der §§
263, 265 StGB drängt sich im übrigen auch insoweit
auf, als es den von dem Angeklagten für seine Firma geleasten
LKW betrifft, den er "tags zuvor in die Halle gefahren" hatte (UA 5).
Die Verwendung dieses LKW bei der Brandlegung legt nahe, daß
das Fahrzeug bei dem Brand beschädigt wurde. Der neue
Tatrichter wird deshalb auch Gelegenheit haben, Feststellungen hierzu
und zu der Frage, ob auch dieser Schaden von der Versicherung reguliert
worden ist, nachzuholen.
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |