BGH,
Beschl. v. 16.5.2007 - 2 StR 96/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 96/07
vom
16.5.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16.05.2007
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wiesbaden vom 2. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei
Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung und Freiheitsberaubung, in einem Fall
zusätzlich in Tateinheit mit Bedrohung, sowie wegen sexueller
Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen
gefährlicher Körperverletzung in zwei
Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und
Bedrohung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn
Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten
mit der Sachrüge, mit der er die unzureichenden Feststellungen
zur Schuldfähigkeit des Angeklagten rügt.
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Das Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an
chronischer Schizophrenie. Das Landgericht ist - dem
Sachverständigen folgend - davon ausgegangen, dass er bei
Begehung der Straftaten, die sich sämtlich gegen seine Ehefrau
richteten, auf Grund seiner Erkrankung in seiner
Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen war. Hinweise
dafür, dass der Angeklagte die Taten während eines
akuten Schubs dieser Erkrankung begangen habe, habe der
Sachverständige nicht feststellen können.
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Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit
des Angeklagten begegnen durchgreifenden Bedenken. Der
Generalbundesanwalt hat insoweit folgendes ausgeführt:
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"Die Revision des Angeklagten beanstandet zu Recht
Darstellungsmängel des Urteils im Zusammenhang mit der
Feststellung, der seit 2002 an chronischer Schizophrenie erkrankte
Beschwerdeführer habe die verfahrensgegenständlichen
Taten nicht während eines akuten Krankheitsschubes begangen,
so dass Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB nicht in
Betracht komme. Der Tatrichter hat sich insoweit dem Gutachten des
Sachverständigen Dr. G. angeschlossen, wonach beim Angeklagten
keine Hinweise auf einen akuten Schub festzustellen gewesen seien (UA
S. 45); auf Seite 47 im zweiten Absatz von oben teilt das Urteil
nochmals mit, 'Hinweise auf einen akuten, zur
Schuldunfähigkeit führenden Schub zum Zeitpunkt der
Taten konnten vom Sachverständigen Dr. G. nicht festgestellt
werden'. Die Revision weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf
hin, dass es nicht Aufgabe des Sachverständigen war, ohne
Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen eine
solche Feststellung zu treffen; vielmehr wäre der Tatrichter
gehalten gewesen, unter Würdigung des gesamten
Beweisergebnisses und unter zu Hilfenahme der Sachkunde des Gutachters
sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der
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Beschwerdeführer die Taten während akuter
Schübe beging. Dazu hätte es zunächst
Darlegungen dazu bedurft, aufgrund welcher Kriterien ein akuter Schub
abzulehnen oder zu bejahen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
liegen Anzeichen dafür vor, dass die Taten während
akuter Schübe (oder während eines lang dauernden
Schubes) begangen wurden. Denn der Beschwerdeführer steigerte
sich bis Oktober 2003 immer weiter in seine wahnhafte Vorstellung
hinein, seine Ehefrau sei von seinem Vater schwanger geworden, er
ließ seine Frau - auch bei medizinischen Untersuchungen -
nicht mehr aus den Augen und wurde zunehmend aggressiver und
gewalttätiger (UA S. 10). Auch das Verhalten des Angeklagten
bei den Taten kann auf den schubartigen Ausbruch der Krankheit
hindeuten, wie das im Falle II 3 festgestellte Herumlaufen 'wie ein
Huhn ohne Kopf' (UA S. 13) und das dauernde Herumlaufen im Hof (UA S.
14).
Bei akuten Schüben einer Schizophrenie ist in der Regel davon
auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist (BGH MDR
1995, 1090; BGH Beschluss vom 16. Januar 2003 - 1 StR 531/02). Die
Sache bedarf deshalb zur Klärung der Frage, ob bei dem
Beschwerdeführer zu den Tatzeiten ein akuter Schub einer
Schizophrenie vorlag, der nochmaligen Verhandlung."
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Dem stimmt der Senat zu.
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Der neue Tatrichter wird zudem zu beachten haben, dass durch die
Möglichkeit einer medizinischen Behandlung und durch die
Überwachung der Medikamenteneinnahme durch die
Angehörigen des Angeklagten seine Gefährlichkeit
für die Allgemeinheit nicht beseitigt wird. Entsprechende
Maßnahmen können erst für die Frage, ob
eine Entscheidung der Unterbringungsanordnung zur Bewährung
ausgesetzt werden kann, Bedeutung erlangen.
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Zu Recht weist der Generalbundesanwalt auch darauf hin, dass im Fall
II.1 der Urteilsgründe die bisherigen Feststellungen die
Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nicht
tragen und im Fall II.5 der Urteilsgründe es näherer
Feststellungen zu den von der Strafkammer als sexuell motiviert
bezeichneten Handlungen bedarf.
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Bode Otten Boetticher
Rothfuß Roggenbuck |