BGH,
Beschl. v. 16.10.2007 - 3 StR 254/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 254/07
vom
16.10.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.
a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16.10.2007
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Krefeld vom 2. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs
Monaten verurteilt und daneben Verfalls- und Einziehungsentscheidungen
getroffen. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der
Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat mit einer verfahrensrechtlichen Beanstandung Erfolg.
Zutreffend macht der Beschwerdeführer einen Verstoß
des Landgerichts gegen § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO geltend.
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Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Die
Hauptverhandlung gegen den Angeklagten fand an fünf
Hauptverhandlungsterminen statt; sie begann am 15. November 2006 und
wurde sodann am 6. und 20. Dezember 2006 fortgesetzt. Der Termin vom 6.
Dezember dauerte von 9.02 bis 9.08 Uhr. In diesem erschien statt des
erkrankten Pflichtverteidigers ein an-
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derer Rechtsanwalt und beantragte, dem Angeklagten für diesen
Terminstag als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Der
Vorsitzende gab darauf zunächst bekannt, dass ein
Ablehnungsantrag vorliege, über den noch nicht entschieden
worden sei; er ordnete an, dass die Hauptverhandlung dennoch
zunächst fortgesetzt werde (§ 29 Abs. 2 Satz 1 Halbs.
1 StPO). Sodann bestellte er den erschienenen Rechtsanwalt für
diesen Terminstag zum Pflichtverteidiger des Angeklagten.
Anschließend stellte er fest, dass das am ersten
Hauptverhandlungstag angeordnete Selbstleseverfahren zwischenzeitlich
durchgeführt worden sei (§ 249 Abs. 2 Satz 3 StPO).
Danach wurde die Hauptverhandlung bis zum 20. Dezember 2007
unterbrochen.
Mit Recht rügt der Beschwerdeführer, dass durch diese
Verfahrensvorgänge die Hauptverhandlung im Termin vom 6.
Dezember 2007 nicht im Sinne des § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO
fortgesetzt worden ist, deren tatsächliche Fortsetzung somit
erst am 20. Dezember 2006 stattgefunden hat und die Hauptverhandlung
daher wegen Überschreitung der Frist des § 229 Abs. 1
StPO neu hätte begonnen werden müssen. Ein
Fortsetzungstermin ist nur dann geeignet, die Unterbrechungsfristen des
§ 229 Abs. 1 oder 2 StPO zu wahren, wenn in ihm zur Sache
verhandelt (BGH NJW 1952, 1149; 1996, 3019, 3020; NStZ 1999, 521), also
das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch
hin gefördert wird (BGH NJW 2006, 3077 m. w. N.). Nicht
genügend sind dagegen sog. Schiebetermine, die die
Unterbrechungsfrist lediglich rein formal wahren, in denen
tatsächlich aber keine Prozesshandlungen oder
Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen vorgenommen
werden, die geeignet sind, die Sache ihrem Abschluss substantiell
näher zu bringen. Derartige Schiebetermine liegen
darüber hinaus auch dann vor, wenn einheitliche
Verfahrensvorgänge, insbesondere Beweisaufnahmen,
willkürlich in mehrerer kurze Verfahrensabschnitte
zerstückelt und diese auf mehrere Verhandlungstage verteilt
werden,
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nur um hierdurch die zulässigen Unterbrechungsfristen
einzuhalten (BGH NJW 1996, 3019, 3020; 2006, 3077; NStZ-RR 1998, 335).
Wo dabei zur Wahrung der dem § 229 StPO zu Grunde liegenden
Konzentrationsmaxime (zum Zweck der Vorschrift s. BGH NJW 1996, 3019
f.; 2006, 3077, 3078 jew. m. w. N.) die Grenze zu ziehen ist, bedarf
vorliegend keiner allgemeinen Erörterung. Sie ist jedenfalls
dann überschritten, wenn sich ein "Fortsetzungstermin" in der
Abwicklung solcher Formalien erschöpft, die weder für
die Urteilsfindung noch für den dorthin führenden
Verfahrensgang eigenständiges Gewicht besitzen.
So lag es hier. Die Bestellung des Pflichtverteidigers für den
Hauptverhandlungstermin vom 6. Dezember 2006 sowie die Anordnung des
Vorsitzenden nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO haben die
Sache nicht inhaltlich auf die Endentscheidung hin gefördert;
sie schafften vielmehr erst die notwendigen Voraussetzungen, damit an
diesem Termin die Verhandlung überhaupt fortgesetzt werden
konnte (zur Entpflichtung oder Bestellung eines Pflichtverteidigers
vgl. BGH StV 1982, 4, 5 m. Anm. Peters; NStZ 1999, 521; vgl. auch BGH
NStZ-RR 1998, 335). Aber auch die Feststellung nach § 249 Abs.
2 Satz 3 StPO beinhaltete keine Sachverhandlung. Sie
erschöpfte sich in der Protokollierung, dass ein Teil der
Beweiserhebung, der Urkundsbeweis im Selbstleseverfahren, entsprechend
der Anordnung des Vorsitzenden vom ersten Terminstag zwischenzeitlich
außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden hatte. Nur die
Beweisaufnahme als solche, nicht jedoch ihre Aufnahme in die
Sitzungsniederschrift befördert die Wahrheitsermittlung in der
Sache und damit die Urteilsfindung. Ein Hauptverhandlungstermin, der
nur zu dem Zweck anberaumt wird, Verfahrensvorgänge aus einem
früheren Terminstag zu protokollieren, ist daher generell
nicht geeignet, die Unterbrechungsfristen des § 229 Abs. 1
oder 2 StPO zu wahren; nichts anderes kann gelten, wenn es allein um
die Protokollie-
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rung eines Verfahrensteils geht, der - wie hier - ausnahmsweise
außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden konnte.
Hat der Tatrichter gegen § 229 Abs. 1 und 4 Satz 1 StPO
verstoßen, so beruht das Urteil regelmäßig
auf diesem Verfahrensmangel (§ 337 Abs. 1 StPO; vgl. BGH NStZ
1992, 550, 551; StV 1995, 623, 624; 1996, 3019, 3020). So liegt es auch
hier; denn besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere
Beurteilung rechtfertigen könnten (s. BGHSt 23, 224, 225; BGH
StV 1994, 5), liegen nicht vor. Die angefochtene Entscheidung ist daher
aufzuheben.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes
hin: Sollte im Falle einer erneuten Verurteilung des Angeklagten
wiederum die Anordnung des erweiterten Verfalls des Pkw VW Phaeton
gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73
d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht zu ziehen
sein, so wird sich das Landgericht eingehender mit der Frage zu
beschäftigen haben, ob eine derartige Anordnung gegen den
Angeklagten ergehen kann, obwohl das Fahrzeug in das Eigentum der B. AG
gelangt ist. Allein der Umstand, dass der Angeklagte
Alleinaktionär dieser Gesellschaft ist, reicht
hierfür nicht aus; vielmehr ist es nur beim Vorliegen
besonderer, darüber hinaus gehender Gründe
zulässig, die formale rechtliche Unterscheidung zwischen dem
Gesellschaftsvermögen und dem Privatvermögen des
Angeklagten außer Betracht zu lassen (vgl. BVerfG NStZ 2006,
639, 640). Die bisherigen Feststellungen zu den persönlichen
Verhältnissen des Angeklagten deuten jedoch darauf hin, dass
derartige Besonderheiten hier gegeben sein könnten. Sollten
solche dennoch nicht festzustellen sein, wird der neue Tatrichter zu
beachten haben, dass die Anordnung des erweiterten Verfalls gegen die
B. AG von vornherein ausscheidet und diese daher nicht am Verfahren zu
beteiligen ist; denn § 73 d verweist nicht auf § 73
Abs. 3 StGB (Joecks in MünchKomm-StGB § 73 d
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Rdn. 26). In diesem Fall wird zu erwägen sein, ob gegen den
Angeklagten in Höhe des Kaufpreises des VW Phaeton der
erweiterte Wertersatzverfall hinsichtlich des Kurierlohns aus nicht
abgeurteilten Betäubungsmitteltransporten anzuordnen ist
(§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73 d Abs. 2, § 73
a Satz 1 StGB).
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