BGH,
Beschl. v. 17.4.2007 - 5 StR 541/06 alt: 5 StR 345/04
5 StR 541/06
alt: 5 StR 345/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
17.4.2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.4.2007
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 21. August 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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Das Landgericht Berlin hat den Angeklagten am 19. März 2004
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren
verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat durch
Beschluss vom 6. Oktober 2004 - in der Fassung des
Berichtigungsbeschlusses vom 27. Oktober 2004 - den Schuldspruch
bestätigt, den Strafausspruch jedoch mit den Feststellungen
aufgehoben, da die Höhe der innerhalb des Regelstrafrahmens
verhängten Freiheitsstrafe besorgen ließ, dass die
Strafkammer der krankheitsbedingt massiv erhöhten
Strafempfindlichkeit des Angeklagten ein zu geringes Gewicht
beigemessen hat. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen
wendet sich der Angeklagte mit seiner Sachrüge, die zur
abermaligen Aufhebung des Strafausspruchs führt.
1. Die Strafzumessung des Landgerichts begegnet im Blick auf die nicht
ausreichende Berücksichtigung einer Verletzung der Rechte des
Angeklagten aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durchgreifenden Bedenken.
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Hierzu ist festgestellt, dass nach der ersten teilaufhebenden
Senatsentscheidung eine Ende Januar 2005 begonnene erste
Hauptverhandlung vor der nunmehr zuständigen Strafkammer am
10. Februar 2005 ausgesetzt wurde, um ein medizinisches und ein
psychiatrisches Gutachten einzuholen. Das vorbereitende Gutachten ging
fast ein Jahr lang beim Landgericht nicht ein. Die Vorsitzende ergriff
außer Nachfragen beim Sachverständigen keine
Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung. Die am 30. Januar
2006 begonnene neue Hauptverhandlung wurde nach 17 Verhandlungstagen am
31. Juli 2006 erneut ausgesetzt, da der Angeklagte an diesem Tag
verhandlungsunfähig war und die Vorsitzende mit Ablauf dieses
Tages in den Ruhestand trat.
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2. Weder die Würdigung dieses Ablaufs als
„überlange Verfahrensdauer“ und
„vermeidbare Verfahrensverzögerung“ von
sechs Monaten durch die „sanktionslos hingenommene
Verschleppung“ der Gutachtenerstattung (UA S. 14) noch die
strafmildernde Berücksichtigung dieser Umstände durch
das Landgericht hält revisionsgerichtlicher
Überprüfung stand. Diesen Mangel kann das
Revisionsgericht auf die Sachrüge hin
berücksichtigen, denn bereits aus den Urteilsgründen
ergeben sich deutlichste Anhaltspunkte für eine vom
Angeklagten nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung (vgl.
BGHSt 49, 342).
Zwar geht auch das Landgericht für einen Zeitraum von sechs
Monaten, nämlich von August 2005 bis Januar 2006, von einer
nicht vom Angeklagten zu vertretenden Verfahrensverzögerung
aus, es lässt jedoch die gebotene Erörterung
vermissen, ob nicht eine weit längere, der Justiz
zuzurechnende Verfahrensverzögerung vorliegt. Hierzu
hätte dringender Anlass bestanden, da der Schuldspruch gegen
den Angeklagten bereits in Rechtskraft erwachsen war und dennoch eine
so lange Zeitspanne benötigt wurde, um die Strafe neu
festzusetzen, wobei allein zwischen der Aussetzung der ersten und dem
Beginn der zweiten, ebenfalls ausgesetzten Hauptverhand-
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lung im zweiten Rechtsgang fast ein Jahr verstrich und es
anschließend weiterer acht Monate bis zum Erlass eines
Urteils bedurfte.
Zudem genügt die diesen Umständen vom Landgericht
zugemessene allgemeine strafmildernde Wirkung den Anforderungen an die
Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung nicht. Hierzu bedarf es nach der
ausdrücklichen Feststellung der Verletzung des Art. 6 Abs. 1
Satz 1 MRK einer genauen Bezeichnung des Ausmaßes der
Berücksichtigung dieses Umstands (BVerfG - Kammer StV 1993,
352; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7;
vgl. auch EGMR EuGRZ 1983, 371). Grundsätzlich ist die
vorgenommene Herabsetzung der Strafe durch Vergleich mit der ohne
Berücksichtigung der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK
angemessenen Strafe zu bestimmen, der Umfang der Kompensation muss zu
überprüfen sein (vgl. BVerfG - Kammer NStZ 1997, 591;
BGHR § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11).
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3. Der Strafausspruch, mithin das gesamte Urteil im zweiten Rechtsgang
ist deshalb aufzuheben. Für die neue Hauptverhandlung weist
der Senat darauf hin, dass die Hauptverhandlung nicht der medizinischen
Aufbereitung des bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs
zahlreicher Gebrechen des Angeklagten dient. Ein
beträchtlicher Strafabschlag ist allein infolge der
krankheits- und behandlungsbedingten besonderen
Beeinträchtigungen für den Angeklagten
während der ungewöhnlich langen Untersuchungshaft
geboten (§ 358 Abs. 1 StPO). Darüber hinaus wird den
Belastun-
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gen durch die schwere Erkrankung des Angeklagten auch während
der Dauer der möglicherweise nicht von ihm zu vertretenden
Verfahrensverzögerung bei der Bemessung der Kompensation
angemessen Rechnung zu tragen sein.
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