BGH,
Beschl. v. 17.8.2006 - 3 StR 279/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 279/06
vom
17.8.2006
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 17.08.2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 29. März 2006
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall
II. 1. der Urteilsgründe statt der schweren
räuberischen Erpressung des Betruges und der Nötigung
schuldig ist, sowie
b) im Ausspruch über die im Fall II. 1. der
Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe und
über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung und Diebstahls in vier Fällen
zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des
Angeklagten, mit der er allgemein die Verlet-
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zung materiellen Rechts rügt, hat den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Verurteilung des Angeklagten wegen schwerer räuberischer
Erpressung gemäß §§ 253, 255,
§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB (Fall II. 1.
der Urteilsgründe) hält sachlich-rechtlicher
Nachprüfung nicht Stand.
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Nach den Feststellungen bestellte der heroinabhängige
Angeklagte, der seit etwa 10 Jahren arbeitslos war und von staatlicher
Unterstützung lebte, ein Taxi, nachdem er auf der
Rückfahrt von Holland den Zug verlassen musste, weil er keine
Fahrkarte vorweisen konnte. Er ließ sich, obwohl er nicht
zahlen konnte, zu dem von dem Taxifahrer angegebenen Preis (60 bis 65
€ bei einem Rabatt von 10 %) von Viersen nach Duisburg fahren.
Als der Fahrer am Ende der Fahrt den Fahrpreis kassieren wollte, sagte
ihm der Angeklagte, dass er kein Geld habe. Auf die
Ankündigung des Fahrers, er werde die Polizei rufen, holte der
Angeklagte einen wie eine Pistole aussehenden Gegenstand hervor und
richtete ihn "auf den Taxifahrer, um diesen dazu zu bringen, dass er
den Fahrpreis nicht weiter verlange". Aufgrund der Bedrohung mit der
Scheinwaffe forderte der Taxifahrer, der die Drohung ernst nahm und
nicht einschätzen konnte, ob es sich um eine scharfe Waffe
handelte, den Fahrpreis nicht weiter ein und ließ den
Angeklagten das Taxi verlassen.
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Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen schwerer
räuberischer Erpressung nicht. Allerdings kann eine Erpressung
auch dadurch begangen werden, dass der Täter das Tatopfer
durch Drohung oder Gewalt dazu veranlasst, auf die Geltendmachung einer
Forderung zu verzichten, sei es durch Unterlassen geeigneter
Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung, sei es dadurch, dass es (wie
hier) duldet, dass sich der Täter entfernt, ohne seine
Personalien
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anzugeben. Der von dem Tatbestand vorausgesetzte
Vermögensschaden tritt in diesen Fällen aber nur ein,
wenn die Forderung werthaltig ist. Wer auf die Geltendmachung einer
wertlosen, weil gänzlich uneinbringlichen Forderung
verzichtet, erleidet dadurch keinen Vermögensschaden. So
liegen die Dinge hier. Das Vermögen des Taxifahrers ist
bereits dadurch geschädigt worden, dass er den Angeklagten,
obwohl dieser nicht zahlen konnte, abgeholt und von Viersen nach
Duisburg gefahren hat. Nach den zu den persönlichen
Verhältnissen des Angeklagten getroffenen Feststellungen
spricht nichts dafür, dass nachträgliche
Bemühungen des Fahrers, den Fahrpreis - etwa auch gerichtlich
- geltend zu machen, irgendeine Aussicht auf Erfolg gehabt
hätten. Unter diesen Umständen hat der Angeklagte
durch den Einsatz des Nötigungsmittels dem Vermögen
des Fahrers keinen Nachteil im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB -
auch nicht im Sinne einer Vertiefung des eingetretenen Schadens -
zugefügt.
Allerdings ergeben die Feststellungen des Landgerichts, dass der
Angeklagte sich des Betrugs (§ 263 StGB) - durch die aufgrund
Täuschung über die Zahlungsfähigkeit
erlangte Transportleistung - und der Nötigung (§ 240
StGB) - durch den aufgezwungenen "Verzicht" auf die
Personalienfeststellung - schuldig gemacht hat.
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Da in einer neuerlichen Hauptverhandlung zu diesem Fall weitergehende
als die aus dem Urteil ersichtlichen Feststellungen nicht zu erwarten
sind, insbesondere keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind,
dass der neue Tatrichter feststellen könnte, dass die
Fahrpreisforderung des Taxifahrer doch werthaltig war, hat der Senat in
entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den
Schuldspruch geändert. § 265 steht dem hier nicht
entgegen, weil ausgeschlossen ist, dass sich der Angeklagte nach einem
entsprechenden Hinweis anders als geschehen verteidigt hätte.
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Die Berichtigung des Schuldspruchs im Fall II. 1. der
Urteilsgründe zieht die Aufhebung der zugehörigen
Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie des Ausspruches
über die Gesamtstrafe nach sich.
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Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Einzelstrafe
für die Nötigung auch Gelegenheit zu der
Prüfung haben, ob ein (unbenannter) besonders schwerer Fall
des Delikts gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB
gegeben ist.
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Tolksdorf Miebach RiBGH Pfister ist urlaubs- bedingt an der Unter-
zeichnung gehindert. Tolksdorf
von Lienen Hubert |