BGH,
Beschl. v. 17.8.2006 - 4 StR 117/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 117/06
vom
17.8.2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Untreue
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 17.08.2006
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Magdeburg vom 26.09.2005 in den Fällen II. 2 a und b der
Urteilsgründe (= Ziffern 1 und 2 der Anklageschrift) mit den
Feststellungen aufgehoben.
II. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und Sch. wird das vorgenannte
Urteil im Hinblick auf die beiden Fälle II. 3 der
Urteilsgründe (= Ziffern 4 und 5 der Anklageschrift)
1. dahin geändert, dass die Angeklagten B. und Sch. jeweils
einer Untreue schuldig sind,
2. in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
III. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten B. und Sch. werden
verworfen.
IV. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
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Das Landgericht hat die Angeklagten B. und Sch. wegen "gemeinschaftlich
begangener Untreue in vier Fällen" zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von jeweils einem Jahr und acht Monaten, die
Angeklagten J. und N. wegen "gemeinschaftlich begangener Untreue in
zwei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von jeweils einem
Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafen wurde
zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihren Revisionen rügen
die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten B. ,
J. und N. beanstanden zudem das Verfahren.
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Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, so dass es eines Eingehens
auf die nur die Fälle II. 2 a und b der Urteilsgründe
betreffenden Verfahrensrügen nicht bedarf. Die Revisionen der
Angeklagten B. und Sch. sind im Übrigen unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Soweit das Landgericht die Angeklagten in den Fällen II. 2 a
und b der Urteilsgründe (= Ziffern 1 und 2 der Anklageschrift)
wegen gemeinschaftlicher Untreue in zwei Fällen schuldig
gesprochen hat, vermögen die getroffenen Feststellungen die
Annahme der Strafkammer nicht zu belegen, dass der
Wohnungsbaugenossenschaft e.G. (im Folgenden: WBG) durch das Verhalten
der Angeklagten ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB
zugefügt worden ist.
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1. Nach den Feststellungen waren die Angeklagten B. und Sch.
Vorstandsmitglieder, der Angeklagte J. war Aufsichtsratsvorsitzender
und der Angeklagte N. Mitglied des Aufsichtsrats der WBG, die zu 51 %
an dem Stammkapital der Wohn- und Baugesellschaft mbH (im Folgenden:
WuB) beteiligt war. Die übrigen 49 % des Stammkapitals hielt
die N. Verwaltungs GmbH, an der alle Angeklagten als stille
Gesellschafter beteiligt waren. Auf Sitzungen am 10. Oktober und 5.
November 1996 kamen die Angeklagten überein, dass die WuB ein
Wohnbebauungsprojekt durchführen solle, das Investitionen in
Höhe von (mindestens) 6,7 Millionen DM erfordern
würde (UA 14). Um die hierzu benötigten Darlehen zu
erhalten, sollte die WBG entsprechende
Bürgschaftserklärungen gegenüber
Kreditinstituten abgeben. Absprachegemäß gingen die
Angeklagten B. und Sch. als vertretungsbefugte Vorstandsmitglieder der
WBG, ohne zuvor den erforderlichen (§ 49 GenG, § 34
Abs. 1 Buchst. n der Satzung der WBG) zustimmenden Beschluss der
Vertreterversammlung der WBG eingeholt zu haben, am 5. Mai 1997
gegenüber der A. -Bank eine selbstschuldnerische, unbefristete
und einredefreie Höchstbetragsbürgschaft
über 6,642 Millionen DM zu Lasten der WBG ein. Hierauf
gewährte die Bank der WuB ein Darlehen über 5,535
Millionen DM. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der WuB wurde die WBG im Jahre 2000
aus der Bürgschaft in Höhe von zwei Millionen DM in
Anspruch genommen (Fall II. 2 a der Urteilsgründe).
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Um eine Ausweitung der Kredite der Stadtsparkasse an die WuB um 900.000
DM zu erreichen, schlossen die Angeklagten B. und Sch. , wiederum
für die WBG handelnd und wiederum ohne zustimmenden Beschluss
der Vertreterversammlung, nach Absprache mit den Angeklagten N. und J.
am 16. September bzw. 6. November 1997 einen
Bürgschaftsvertrag mit der Sparkasse, in der eine bereits
bestehende selbstschuld-
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nerische Bürgschaft über 631.000 DM auf 1.531.000 DM
erweitert wurde. Aus dieser Bürgschaft wurde die WBG in der
Folgezeit in Höhe von 900.000 DM in Anspruch genommen (Fall
II. 2 b der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht ist hinsichtlich des Falles II. 2 a der
Urteilsgründe von einer Vermögensgefährdung
der WBG in voller Bürgschaftshöhe ausgegangen (UA
31). Die Behauptung der Angeklagten, dass das mit dem Darlehen
finanzierte Bauprojekt der WuB "realistisch und kaufmännisch
ordnungsgemäß kal-kuliert" worden war, "so dass aus
damaliger Sicht gar nicht die Gefahr bestanden habe, dass die
Bürgschaft der WBG in Anspruch genommen werde", hat die
Strafkammer lediglich im Zusammenhang mit der Prüfung, ob das
Verhalten der Angeklagten pflichtwidrig war, erörtert und hier
als rechtlich bedeutungslos angesehen, da die Pflichtwidrigkeit bereits
aus dem Fehlen der Zustimmung der Vertreterversammlung zur Eingehung
der Bürgschaft folge (UA 32). Dabei hat das Landgericht
verkannt, dass die Einlassung der Angeklagten für die Frage,
ob die WBG infolge der Übernahme der Bürgschaft im
Sinne des § 266 Abs. 1 StGB geschädigt wurde, von
Relevanz ist. Ob nämlich ein Vermögensnachteil
eingetreten ist, muss grundsätzlich durch einen ex-ante
vorzunehmenden Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach
der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten geprüft werden (BGHSt 47, 295, 301 f.; BGH
wistra 2000, 384, 386; NStZ-RR 2001, 241, 242). An einem Nachteil fehlt
es regelmäßig, wenn wertmindernde und
werterhöhende Faktoren, zu denen auch Gewinnerwartungen
zählen können (BGH NStZ 1996, 191), sich gegenseitig
aufheben.
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Durch die Bürgschaftsverpflichtung wurde das Vermögen
der WBG belastet, wobei wirtschaftlich gesehen die Höhe der
Belastung von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der
Bürgschaft abhing (vgl. Hoyos/M. Ring
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in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 6. Aufl. § 249 HGB Rdn. 100).
Da die Bürgschaft zur Finanzierung eines Bauprojekts der WuB
diente, an der die WBG zu 51 % beteiligt war, sie deshalb an der
Wertschöpfung durch das Bauvorhaben teilhatte, muss
geklärt werden, ob der Vermögenseinbuße
durch die Bürgschaftsgewährung damals ein diese
ausgleichender Vermögenszuwachs durch das in Aussicht
genommene Bauprojekt gegenüber stand. Der vom Landgericht
angenommene Gefährdungsschaden mit der vollen
Bürgschaftssumme wäre nur dann zutreffend, wenn - was
nicht festgestellt ist - das Bauprojekt von vornherein zum Scheitern
verurteilt gewesen wäre oder es sich um ein hochspekulatives
Risikoprojekt handelte (vgl. BGH NJW 1975, 1234, 1236; GA 1977, 342,
343; NStZ 1996, 191).
Hinsichtlich des Falles II. 2 b der Urteilsgründe ist dem
Urteil schon nicht zu entnehmen, welchem Zweck die Kreditausweitung bei
der Sparkasse gedient hat. Es liegt aber nahe, dass auch sie im
Zusammenhang mit dem Bauvorhaben der WuB erfolgt ist (vgl. UA 14, 15
f.), so dass zu der Frage eines Vermögensschadens der WBG aus
den oben dargelegten Gründen weitere Feststellungen
erforderlich sind.
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II.
Soweit das Landgericht die Angeklagten B. und Sch. in den beiden
Fällen II. 3 der Urteilsgründe (= Ziffern 4 und 5 der
Anklageschrift) jeweils wegen gemeinschaftlich begangener Untreue in
zwei Fällen verurteilt hat, ist der Schuldspruch dahin zu
ändern, dass nur eine Untreue vorliegt.
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1. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen schlossen die Angeklagten
B. und Sch. , für die WBG handelnd, mit der als Maklerin nicht
besonders qualifizierten (vgl. UA 21) Lebensgefährtin eines
Gesellschafters der N. Verwaltungs GmbH, Petra H. , am 10. Juni 1996
einen Maklervertrag, in dem sie diese mit dem Nachweis von
Kaufinteressenten und/oder der Vermittlung eines
Kaufvertragsabschlusses im Hinblick auf das im Eigentum der WBG
stehende Anwesen Z. beauftragten. Die Provision von 8 % sollte entweder
auf den Verkaufspreis aufgeschlagen und der Maklerin ausgezahlt oder im
Direktgeschäft zwischen Maklerin und Käufer erzielt -
also in jedem Fall letztlich vom Käufer entrichtet - werden
(UA 23, 34). Am 27. August 1996 wurde der Maklervertrag u.a. auf das
ebenfalls zu verkaufende Objekt R. erweitert, wobei die Provision auf 4
% herabgesetzt wurde. Noch am selben Tag wurde auf Veranlassung von
Frau H. in einem den Maklervertrag ergänzenden "Protokoll" mit
der WBG, diese vertreten durch die Angeklagten B. und Sch. , in
Abänderung der vorgenannten Vereinbarung festgehalten, dass
die Provision in jedem Falle von der WBG bezahlt werden solle; der
bisher vertraglich vorgesehene Aufschlag der Provision auf den
Verkaufspreis oder die direkte Bezahlung der Maklerin durch den
Käufer wurden gestrichen. Zugleich wurde der Begriff der
"Vermittlung" als Herstellung von Erstkontakten mit Kaufinteressenten
oder alle damit im Zusammenhang stehenden Arbeiten wie u.a. die
Übergabe von Unterlagen definiert, selbst wenn der Erstkontakt
nicht von der Maklerin, sondern über die WBG oder Dritte
hergestellt worden war. Die Angeklagten beabsichtigten damit, der
Maklerin unabhängig vom Erfolg ihrer Tätigkeit den
Provisionsanspruch gegen die WBG zu sichern, ohne dass die
Genossenschaft hieran ein wirtschaftliches Interesse haben konnte.
Ihnen war bewusst, dass sie mit der Regelung Frau H. "für
ihren Provisionsanspruch einen 'Blanko-Scheck' ausstellten" (UA 23).
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Auf Grund der Vereinbarung zahlte die WBG jeweils auf Veranlassung der
Angeklagten B. und Sch. an die Maklerin nach Verkauf des Objektes Z. am
4. November 1997 181.240 DM und nach Verkauf des Anwesens R. am 23.
April 1998 weitere 193.200 DM, wobei ein Provisionsanspruch jeweils nur
auf der Grundlage des "Protokolls" bestand (UA 24, 35).
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2. Das Landgericht hat zwei Untreuehandlungen der Angeklagten B. und
Sch. zum Nachteil der WBG darin gesehen, dass die Angeklagten mit der
Maklerin durch das "Protokoll" eine Vereinbarung trafen, die -
abweichend von der damals geltenden Vertragslage - die WBG dazu zwang,
die Maklerin unabhängig vom Erfolg ihrer Tätigkeit
aus eigenem Vermögen zu vergüten, sie dadurch das
Vermögen der WBG “missbräuchlich
gefährdet(en)“ (UA 35) und sie auf der Grundlage des
"Protokolls" schließlich die beiden Maklerprovisionen
auszahlen ließen (UA 34).
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Diese Würdigung hält insoweit rechtlicher
Prüfung nicht stand, als - entgegen der Ansicht des
Landgerichts - nur ein Fall der Untreue vorliegt; denn bereits mit der
nunmehr die WBG als Zahlungspflichtige bestimmenden Vereinbarung in dem
Protokoll trat ein - zur Vollendung des Tatbestands ausreichender (vgl.
BGH NStZ 2001, 650) - konkreter Gefährdungsschaden zum
Nachteil der WBG ein, der durch die späteren, auf Grund des
"Protokolls" erfolgten Auszahlungen der Maklerprovisionen nur vertieft
wurde (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 266
Rdn. 81).
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Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab.
§ 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten
gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als bisher
hätten verteidigen können.
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Mit der Schuldspruchänderung entfallen auch die für
den Fall II. 3 der Urteilsgründe erkannten beiden
Einzelstrafen; der neue Tatrichter wird insoweit eine Strafe
festzusetzen haben.
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VRi'inBGH Dr. Tepperwien und Maatz Kuckein Ri'inBGH Solin-Stojanović
sind infolge urlaubsbedingter Ab- wesenheit verhindert zu unter-
schreiben. Maatz Sost-Scheible |