BGH,
Beschl. v. 17.2.2010 - 2 StR 524/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 524/09
vom
17. Februar 2010
BGHR: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja
StPO § 111 i Abs. 2
1. Die nach § 111 i Abs. 2 StPO notwendige Feststellung ist in
die Urteilsformel aufzunehmen.
2. Die Revision ist das statthafte Rechtsmittel, wenn das Landgericht
die Entscheidung gemäß § 111 i Abs. 2 StPO
nicht in der Urteilsformel, sondern im Anschluss an die
Urteilsverkündung durch Beschluss getroffen hat.
BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09
in der Strafsache
gegen
wegen Computerbetruges
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 17. Februar 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung
der Frist zur Anbringung der Verfahrensrüge aus dem
Schriftsatz seines Verteidigers vom 7. Dezember 2009 (unter Ziffer II.)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 25. Juni 2009 wird als unbegründet
verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Computerbetruges in sieben
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge und
Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten
bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts,
auf die verwiesen wird, ohne Erfolg.
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Näherer Erörterung bedarf allein die mit Schriftsatz
vom 7. Dezember 2009 unter II. nachgereichte Verfahrensrüge,
welche die Entscheidungen des Landgerichts zum Verfall und der
Verlängerung des Arrestes betrifft.
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1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Das Landgericht hat
unmittelbar nach Verkündung des Urteils durch gesonderten und
zu Protokoll genommenen Beschluss gemäß §
111 i Abs. 2 StPO festgestellt, dass in dem vorliegenden Verfahren nur
deshalb nicht auf Verfall erkannt werden konnte, weil
Ansprüche der verletzten "c. AG" in Höhe von 533.500
Euro seiner Anordnung entgegenstehen. Es hat weiter festgestellt, dass
gemäß § 73 a StGB die Voraussetzungen des
Verfalls von Wertersatz in Höhe von 533.500 Euro vorliegen, da
das eigentlich Erlangte im Vermögen des Angeklagten nicht mehr
vorhanden ist und dass die Ansprüche der Verletzten bislang
nicht befriedigt wurden. Im Übrigen hat das Landgericht
gemäß § 111 i Abs. 3 StPO angeordnet, dass
der dingliche Arrest aus dem Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am
Main vom 15. Oktober 2008 (Az.: 3520 Js 243922/08 - 931 Gs) sowie die
aufgrund dessen getroffenen Sicherungsmaßnahmen für
drei weitere Jahre aufrechterhalten bleiben.
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Der Angeklagte hat gegen diesen Beschluss zugleich mit der Revision
gegen das Urteil des Landgerichts vom 25. Juni 2009 Beschwerde
eingelegt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Sache mit
Beschluss vom 1. Dezember 2009 an den Bundesgerichtshof abgegeben, weil
die Feststellungen gemäß § 111 i Abs. 2
StPO ins Urteil gehörten, das auf die Sachrüge hin
der Überprüfung durch das Revisionsgericht
unterliege. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schriftsatz
vom 7. Dezember 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur
Nachholung einer die Entscheidung der Strafkammer
gemäß § 111 i Abs. 2 und 3 StPO
betreffenden Verfahrensrüge beantragt.
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2. Dem Angeklagten war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren, da er insoweit ohne sein
Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung seiner
Revision einzuhalten. Denn er konnte erst aus Inhalt und
Begründung des Abgabebeschlusses des Oberlandesgerichts
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Frankfurt am Main erkennen, dass der "Beschluss" des Landgerichts -
möglicherweise - nicht mit der Beschwerde zum
Oberlandesgericht, sondern im Rahmen der von ihm rechtswirksam
eingelegten Revision zum Bundesgerichtshof anzugreifen war. Insofern
liegt eine besondere Verfahrenslage vor, in der es zur Wahrung des
Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs.
1 GG) unerlässlich erscheint, ausnahmsweise eine
Wiedereinsetzung zur Anbringung einer Verfahrensrüge zu
gewähren.
3. Die Verfahrensrüge ist zulässig, jedoch nicht
begründet.
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a) Gegen die Entscheidung des Landgerichts zum Verfall und den
Ansprüchen der Verletzten gemäß §
111 i Abs. 2 StPO ist das Rechtsmittel der Revision statthaft. Dem
steht nicht entgegen, dass das Landgericht sie als "Beschluss" im
Anschluss an die Urteilsverkündung getroffen hat.
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Dies war allerdings rechtsfehlerhaft. Die nach § 111 i Abs. 2
StPO notwendigen Feststellungen gehören in die Urteilsformel
(BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 3 StR 402/08; Nack in KK 6.
Aufl. § 111 i Rdn. 14; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl.
§ 111 i Rdn. 9). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der
Vorschrift, wonach auf der Grundlage der Hauptverhandlung "im Urteil"
festzustellen ist, wenn das Gericht wegen entgegenstehender
Ansprüche eines Verletzten nicht auf Verfall erkennt. Im
Gegensatz dazu erfolgt die weitere Aufrechterhaltung der Beschlagnahme
einzelner Gegenstände bzw. des dinglichen Arrestes
gemäß § 111 i Abs. 3 StPO
ausdrücklich im Beschlusswege. Diese Differenzierung bei den
Entscheidungsformen entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (vgl.
Begr. des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der
Rückgewinnungshilfe und der
Vermögensabschöpfung bei Straftaten, BT-Drucks.
16/700, S. 9). Sie rechtfertigt sich daraus, dass die Entscheidung
gemäß § 111 i Abs. 2 StPO die
materiell-rechtliche Grundlage für einen eventuellen
späteren
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Auffangrechtserwerb des Staates schafft (vgl. BT-Drucks. aaO und BGHR
StPO § 111 i Anwendungsbereich 1). Diese soll aus dem
Urteilstenor erkennbar sein, während es bei der Entscheidung
nach § 111 i Abs. 3 StPO um die rein zeitliche Fortdauer
vorläufig angeordneter Zwangsmaßnahmen geht, die in
der Strafprozessordnung auch an anderer Stelle - so etwa bei der
Haftprüfung im Falle der Verurteilung (§ 268 b StPO)
- durch mit dem Urteil zu verkündenden Beschluss erfolgt.
Die Revision - und nicht etwa die Beschwerde nach §§
304 ff. StPO - ist jedoch auch dann das statthafte Rechtsmittel, wenn
das Landgericht die Entscheidung gemäß §
111 i Abs. 2 StPO nicht in der Urteilsformel, sondern im Anschluss an
die Urteilsverkündung durch Beschluss getroffen hat.
Für die Anfechtbarkeit einer Entscheidung kommt es nicht auf
ihre Bezeichnung, sondern auf ihren sachlichen Inhalt und das
Verfahrensrecht an (vgl. BGHSt 25, 242, 243 m.w.N.). Eine
fälschlich als Beschluss bezeichnete Entscheidung, die ihrem
Wesen nach ein Urteil darstellt, ist wie ein Urteil anzufechten (vgl.
BGHSt 50, 180, 185 f.; 18, 381, 385). Dies gilt erst recht, wenn - wie
im vorliegenden Fall - nach mündlicher Verhandlung ein Urteil
ergeht und lediglich über eine Nebenentscheidung
rechtsfehlerhaft im Wege des Beschlusses entschieden wird. Dann ist
auch diese vom Gesetz als Teil des Urteils angesehene Entscheidung mit
dem dafür vorgesehenen Rechtsmittel anzufechten. Für
die im Urteil zu treffende Entscheidung nach § 111 i Abs. 2
StPO ist dies die Revision.
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b) Die somit zulässige Verfahrensrüge ist jedoch
unbegründet. Allein die falsche Bezeichnung der - wie
gesetzlich vorgesehen aufgrund mündlicher Hauptverhandlung
ergangenen - Entscheidung gemäß § 111 i
Abs. 2 StPO als "Beschluss" führt nicht zu ihrer Aufhebung.
Insoweit kommt es wie bei der Wahl des Rechtsmittels nicht auf die
äußere Form, sondern auf den sachlichen Ge-
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halt der Entscheidung an. Darüber hinausgehende
Verfahrensfehler trägt die Revision nicht vor.
Im Übrigen hat insoweit auch die Nachprüfung des
Urteils auf die Sachrüge aufgrund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler ergeben.
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Cierniak Schmitt |