BGH,
Beschl. v. 17.7.2002 - 2 AR 77/02
2 ARs 164/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 AR 77/02
vom
17. Juli 2002
in der Strafsache gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts am 17. Juli 2002 beschlossen:
Die Untersuchung und Entscheidung der Sache wird
gemäß § 13 a StPO dem
Amtsgericht Aachen
übertragen.
Gründe:
I.
1. Der Angeschuldigte betrieb seit dem Jahreswechsel 2000/2001 in H.
/Niederlande einen Head-Shop, in dem er auch Marihuana in
größeren Mengen verkaufte. In dem vorliegenden
Verfahren wird ihm vorgeworfen, zwischen Januar und März 2001
in vier Fällen in H. an den gesondert verfolgten K. aus S.
jeweils mindestens 50 Gramm Marihuana zu einem Grammpreis von DM 6,50
verkauft zu haben. Das Rauschgift wurde sogleich bezahlt und
übergeben. K. führte die Betäubungsmittel in
die Bundesrepublik ein und verkaufte sie - zumindest teilweise - in S.
/Deutschland in kleinen Portionen gewinnbringend weiter.
2. Die Staatsanwaltschaft Aachen hat beim Amtsgericht Eschweiler - dem
für S. zuständigen Amtsgericht - den Erlaß
eines Strafbefehls gegen den Angeschuldigten wegen unerlaubten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen
beantragt. Das Amtsgericht Eschweiler hat den Antrag
zurückgewiesen, da es mangels Begründung eines
Gerichtsstands örtlich nicht zuständig sei. Die gegen
diesen Beschluß eingelegte sofortige Beschwerde der
Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Aachen zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft Aachen hat den Generalbundesanwalt gebeten,
gemäß § 13 a StPO eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofes über den Gerichtsstand
herbeizuführen.
II.
Nach § 13 a StPO bestimmt der Bundesgerichtshof das
zuständige Gericht, wenn es im Geltungsbereich der
Strafprozeßordnung an einem zuständigen Gericht
fehlt oder dieses nicht ermittelt ist. Diese Voraussetzungen liegen
hier vor:
Ein Gerichtsstand in Deutschland ist nicht begründet. Die
Voraussetzungen für einen Gerichtsstand nach § 8 StPO
(Wohn- oder Aufenthaltsort), § 9 StPO (Ergreifungsort) oder
§§ 10 ff. StPO sind nicht erfüllt. In
Deutschland ist auch kein Gerichtsstand des Tatorts nach § 7
Abs. 1 StPO gegeben:
1. Im Hinblick auf das eigene - täterschaftliche -
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln des Angeschuldigten liegt
in Deutschland kein Tatort i.S.v. § 9 Abs. 1 StGB. Der
Angeschuldigte wurde von K. in H. /Nie- derlande aufgesucht. Er hat ihm
dort gegen sofortige Bezahlung das Rauschgift übergeben. Die
Tat war damit nicht nur voll-, sondern auch beendet (vgl. BGHSt 43,
158, 162; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314). Handlungsort war damit
allein H. .
In Deutschland ist auch kein zum Tatbestand gehörender Erfolg
i.S.v. § 9 Abs. 1 StGB eingetreten (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR
1998, 314). Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein
Tätigkeits- und kein Erfolgsdelikt (vgl. BGHSt 30, 277, 278),
so daß allein auf den Handlungsort abzustellen ist (h.M.,
vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314; Lackner/Kühl, StGB 24.
Aufl. § 9 Rdn. 2; Eser in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl., § 9 Rdn. 6; Hoyer in SK-StGB § 9 Rdn.
8; str. vgl. auch Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 9
Rdn. 5a). Durch die Übertragung des Besitzes an dem Rauschgift
gegen Bezahlung ist hier jedenfalls das tatbestandliche Endziel des
Handeltreibens in den Niederlanden bereits erreicht worden.
Weitergehende Tatwirkungen, die für die Verwirklichung des
Tatbestands nicht oder nicht mehr relevant sind, können keinen
Tatort begründen (Gribbohm in LK 11. Aufl. § 9 Rdn.
19; Eser aaO).
2. Ein Tatort in Deutschland läßt sich - entgegen
der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch nicht mit einer
Beteiligung des Angeschuldigten an dem Handeltreiben des K. durch
dessen Weiterverkauf der Drogen in S. /Deutschland begründen.
Mittäterschaftliches Handeln, bei dem die Tat an jedem Ort
begangen ist, an dem einer der Mittäter gehandelt hat (vgl.
BGHSt 39, 88, 91), liegt hier nicht vor. Denn das Zusammenwirken
zwischen Veräußerer und Erwerber von
Betäubungsmitteln stellt sich grundsätzlich als
jeweils selbständige Täterschaft dar, da sich beide
als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegenteilige
Interessen verfolgen, so daß ihr Zusammenwirken allein durch
die Art der Deliktsverwirklichung notwendig vorgegeben ist (BGHSt 42,
255, 259; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314; vgl. auch Eser in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., Vorbem.
§§ 25 ff. Rdn. 46 ff.).
Aus dem gleichen Grund kann in dem täterschaftlichen
Handeltreiben des Verkäufers auch nicht zugleich eine
Beihilfehandlung zu dem durch den Erwerb und die
Weiterveräußerung der Betäubungsmittel
begründeten Handeltreiben des Abnehmers gesehen werden (vgl.
OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 314; Körner, BtMG 5. Aufl.,
§ 29 Rdn. 645 a.E.; a.A. Oehler Anm. zu BGHSt 27, 30 ff., JR
1977, 424, 426), so daß ein Gerichtsstand in Deutschland hier
auch nicht nach § 7 Abs. 1 StPO i.V.m. § 9 Abs. 2
Satz 1 StGB gegeben ist. Der Angeschuldigte verfolgte mit der
Übergabe des Rauschgifts an K. allein seine eigenen
Interessen. Sein Beitrag zur Tat des K. ging nicht über das
zur eigenen Deliktsverwirklichung notwendige Zusammenwirken mit einem
anderen hinaus.
Dem Ergebnis steht auch das Urteil des Senats vom 5. Februar 1997 (NStZ
1997, 286) nicht entgegen. Denn in dem dieser Entscheidung
zugrundeliegenden Fall wirkten die Beteiligten gerade
mittäterschaftlich in dieselbe Deliktsrichtung zusammen: Der
Lieferant übergab das Rauschgift in den Niederlanden ohne
Vorkasse an seine Landsleute, die es - wie er wußte und
wollte - in Deutschland verkauften.
3. Bei der hier gegebenen Sachlage liegt auch keine Beihilfe des
Angeschuldigten zur Einfuhr der Betäubungsmitteln durch K.
vor. Der Fall unterscheidet sich wesentlich von dem dem Urteil des
Bundesgerichtshofes vom 7. Juli 1994 (BGHSt 40, 208, 210)
zugrundeliegenden Sachverhalt. Denn dort hatte der Angeklagte gerade
ein - insoweit mit dem Verkäufer übereinstimmendes -
Interesse an der Einfuhr, um sodann das Rauschgift erwerben zu
können.
4. Die Entscheidung über den Erlaß des von der
Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls obliegt dem Amtsgericht, so
daß ein örtlich zuständiges Amtsgericht zu
bestimmen war (vgl. BGHSt 32, 159, 161). Das Amtsgericht Aachen ist
sach- und (hinsichtlich der Niederlande) ortsnah; zudem hat auch die
Staatsanwaltschaft Aachen ermittelt.
Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ergibt sich aus §
6 Nr. 5 StGB (vgl. BGHSt 27, 30 ff.).
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