BGH,
Beschl. v. 17.7.2007 - 5 StR 219/07
5 StR 219/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 17.7.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.7.2007
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 1. Februar 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im
Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit
Brandstiftung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe
verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge
einen den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Teilerfolg.
1
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
2
Zur Tatzeit wohnte der Angeklagte in einem Mehrfamilienhaus, in dem
auch das spätere Opfer, K. , in einer Dachgeschosswohnung
lebte. Der Angeklagte half ihr gelegentlich beim Hinauftragen schwerer
Einkaufskörbe oder führte Reparaturarbeiten in ihrer
Wohnung durch. Einige Male
3
- 3 -
tauschten beide auf Initiative des Angeklagten auch
Zärtlichkeiten aus; zu intimen Kontakten kam es jedoch nicht.
In den letzten Jahren ließ Frau K. den Angeklagten, wenn
dieser alkoholisiert war, nicht mehr in ihre Wohnung, weil sie Angst
vor seinen aggressiven Ausbrüchen hatte. Am Tattag hatte der
Angeklagte bis etwa 21.00 Uhr maximal elf Flaschen Bier getrunken und
fühlte sich angetrunken. In diesem Zustand beschloss er, Frau
K. einen Besuch abzustatten, weil er einen „Trieb nach
ihr“ hatte. Er klopfte und klingelte mehrfach an ihrer
Wohnungstür; sie öffnete jedoch nicht. Da er
zutreffend davon ausging, dass sie in ihrer Wohnung war und ihn nicht
einlassen wollte, wurde er immer wütender und hatte das
Gefühl, dass alles in ihm „hoch kocht“. Er
entschloss sich, den Dachboden unmittelbar neben ihrer Wohnung
anzuzünden, wobei er hoffte, dass das Feuer auf ihre Wohnung
übergreifen würde. Einige Zeit später
verschüttete er in unmittelbarer Nähe der
Holzdachsparren verschiedene als Brandbeschleuniger geeignete
Flüssigkeiten und zündete sie an. Danach zog er sich
in seine Wohnung zurück, die unter der Dachgeschosswohnung von
Frau K. lag. Gegen 23.00 Uhr - der gesamte Dachstuhl brannte schon
lichterloh - alarmierte der Zeuge S. die Feuerwehr. Als der Angeklagte,
der aus dem Fenster schaute, den Zeugen auf der Straße
entdeckte und auch bemerkte, dass dieser ihn erblickt hatte, lief er
zur Haustür, wobei er auf dem Weg nach unten bei den anderen
Mietern klingelte, um sie zu warnen. Gefolgt von dem Angeklagten, lief
S. dann nach oben, um K. herauszuholen; sie reagierte aber weder auf
Rufe noch auf Klopfen. Der kurze Zeit später eingetroffenen
Feuerwehr gelang es, K. , die schwerste Verbrennungen erlitten hatte,
über eine Drehleiter zu bergen. Sie starb drei Tage
später infolge einer Hirnschwellung, die sich durch die
Rauchgasvergiftung entwickelt hatte.
Während der Löscharbeiten verhielt sich der
Angeklagte hilfsbereit und kooperativ. Er zeigte den
Feuerwehrmännern den Schieber für das
Löschwasser und half, die Wasserhähne und die
elektrischen Haussicherungen im Keller des Hauses abzustellen. Zur
Tatzeit hatte er eine Blutalkohol-konzentration von maximal 2,52
Promille.
4
- 4 -
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat zu den
Feststellungen zum Tatablauf und zur subjektiven Tatseite auch
hinsichtlich der vom Landgericht angenommenen Mordmerkmale
(Heimtücke, niedrige Beweggründe und
gemeingefährliche Begehungsweise) keinen den Angeklagten
beschwerenden Rechtsfehler ergeben; jedoch hält der
Strafausspruch sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat den Angeklagten
für uneingeschränkt schuldfähig erachtet,
wobei es maßgeblich auf die alkoholische Beeinflussung und in
diesem Zusammenhang auf sein Leistungsverhalten abgestellt hat. Das
psychopathologische Verhalten des Angeklagten an diesem Abend gebe
keinen Anlass für die Annahme eines Vollrauschs, aber auch
keinen Anlass für die Annahme einer verminderten
Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB. Bei dem
Angeklagten liege darüber hinaus keine
Persönlichkeitsstörung vor. Er verfüge
jedoch über eine akzentuierte
Persönlichkeitsstruktur. Er sei leicht reizbar und erregbar,
was durch Alkohol verstärkt werde.
6
Diese Erwägungen greifen zu kurz. Sie lassen die
Erörterung der sich hier aufdrängenden Frage
vermissen, welche Bedeutung dem Deliktstypus der Brandstiftung
für eine etwaige Verminderung der Schuldfähigkeit des
Angeklagten zukommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 1995
- 5 StR 530/95, vom 7. Dezember 1999 - 5 StR 548/99, vom 25. Juli 2001
- 5 StR 287/01, vom 20. Juli 2004 - 5 StR 193/04 und vom 10. Januar
2007, insoweit in BGH NStZ 2007, 270, 271 nicht abgedruckt). Immerhin
hat der mehrfach wegen im Vollrausch begangener
Körperverletzungen und Brandstiftungen vorbestrafte Angeklagte
vor der hier in Frage stehenden Tat bereits dreimal in Holzschuppen und
Gärten in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern
Feuer gelegt, wobei er jeweils stark alkoholisiert (3,64; 3,66; 4,39
Promille) und/oder zornig war. So hat die Strafkammer auch
festgestellt, dass der Angeklagte, wenn er wütend wird,
„zum Zündeln neigt“ (UA S. 7). Angesichts
dieser nach erheblichem Alkoholgenuss immer wieder auftreten-
7
- 5 -
den aggressiven Ausbrüche des Angeklagten,
überwiegend verknüpft mit seiner Vorliebe
für Feuer, liegt eine erhebliche
Persönlichkeitsstörung in Form einer anderen schweren
seelischen Abartigkeit durchaus nahe. Für eine in diesem Sinne
ausgeprägte pyromanische Neigung des Angeklagten
könnte auch sprechen, dass er die Tat ohne Rücksicht
auf eigene existentielle Interessen begangen und die
Zerstörung seiner eigenen Wohnung in Kauf genommen hat. Aus
diesen Gründen hätte die Affinität des
Angeklagten zum Feuer bei der Prüfung seiner
Schuldfähigkeit mitbedacht und erörtert werden
müssen. Dies war hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich,
weil der Angeklagte das Feuer nicht aus purer Lust am
„Zündeln“ gelegt hat, sondern in erster
Linie aus Wut über das abweisende Verhalten seines
späteren Opfers.
8
Aufgrund der getroffenen Feststellungen, insbesondere auch zum
Nachtatverhalten des Angeklagten, schließt der Senat aus,
dass der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt
hat. Der Senat schließt auch aus, dass das etwaige Vorliegen
einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit die
subjektiven Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen
Mordmerkmale in Frage stellen würde. Denn die
äußeren Umstände, welche die vorliegende
Tat zu einer heimtückischen und gemeingefährlichen
Tötung machen, sind ebenso wie die niedrigen
Beweggründe der Tat derart offensichtlich, dass der Angeklagte
dies auch bei eingeschränkter Schuldfähigkeit erkannt
hat.
b) Neben der lückenhaften Erörterung der Frage der
Schuldfähigkeit begegnet es darüber hinaus
durchgreifenden Bedenken, dass die Strafkammer die Voraussetzungen des
§ 64 StGB ohne nähere Prüfung abgelehnt hat,
weil der Angeklagte keinen Hang habe, Alkohol im
Übermaß zu sich zu nehmen. Zutreffend weist der
Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der
Angeklagte seit langen Jahren Alkoholmissbrauch betreibe und dass allen
strafrechtlichen Auffälligkeiten erheblicher Alkoholgenuss
vorausgegangen sei. Dies ergibt sich auch eindeutig aus den
Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte im alkoholisierten Zustand
dazu neigt,
9
- 6 -
bei bestimmten ihn frustrierenden Anlässen Feuer zu legen oder
gegenüber Personen gewalttätig zu werden bzw. - wie
hier - sogar ein Haus anzuzünden. Auch die bei
früheren Straftaten festgestellten sehr hohen Blutalkoholwerte
sprechen für das Vorliegen eines Hanges. Deshalb bedarf die
Frage der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
erneuter Prüfung. An der Verhängung einer solchen
Maßregel wäre der neue Tatrichter nicht gehindert,
obgleich nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs.
2 Satz 2 StPO). Bei sicherer Feststellung einer schweren seelischen
Abartigkeit wäre das neue Tatgericht auch an der Anordnung
einer Maßregel nach § 63 StGB nicht gehindert.
Basdorf Häger Gerhardt
Brause Jäger |