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BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 - 5 StR 115/03


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 17.6.2004 - 5 StR 115/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 211
Strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine im Jahre 1944
während der Besetzung Italiens durchgeführte Massenerschießung
italienischer Gefangener als Vergeltungsmaßnahme nach einem gegen
deutsche Soldaten gerichteten Partisanenangriff.
BGH, Beschluß vom 17.06.2004 5 StR 115/03
- LG Hamburg -
5 StR 115/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
17.06.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17.06.2004
beschlossen:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft
wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom
5. Juli 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Das Verfahren wird nach § 206a StPO eingestellt.
3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen
des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (tateinheitlich begangenen)
Mordes (an 59 Menschen) zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des
Urteils und zur Einstellung des Verfahrens. Zum selben Ergebnis führt gemäß
§ 301 StPO die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte, auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft.
I.
Im angefochtenen Urteil ist folgendes festgestellt:
1. Der im Jahre 1909 geborene Angeklagte wurde als SS-Sturmbannführer
Ende 1943 in das von der deutschen Wehrmacht besetzte Italien abkommandiert.
Anfang 1944 übernahm er die Leitung eines Außenkommandos
der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes der SS in Genua. Die
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Sicherheitspolizei war u.a. zuständig für sogenannte „Sühnemaßnahmen“
nach gewaltsamen Aktionen von Partisanen, welche die deutschen Besatzer
als Sabotagehandlungen und Attentate bewerteten.
Im April 1944 nahm der Angeklagte in Florenz an einer Besprechung
der Leiter der Außenkommandos der Sicherheitsdienste teil, die derartige als
erforderlich und zulässig angesehene Vergeltungsmaßnahmen nach Angriffen
italienischer Partisanen gegen Angehörige der deutschen Besatzungstruppen
zum Gegenstand hatte. Der Befehlshaber der deutschen Sicherheitsdienste
in Italien Dr. H gab hierfür den Grundsatz bekannt, für jeden
getöteten Deutschen seien zehn Italiener zu erschießen. Eine solche
„Repressalquote“ - die den (Mindest-)Vorstellungen Adolf Hitlers entsprach -
bezeichnete der Jurist Dr. H als im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht
stehend.
2. Am 15. Mai 1944 kam es zu einem Bombenanschlag italienischer
Partisanen auf ein gut besuchtes deutsches Soldatenkino in Genua. Fünf
oder sechs deutsche Soldaten wurden getötet, weitere 15 Besucher verletzt.
Entsprechend dem genannten Grundsatz erteilte der unmittelbare Vorgesetzte
des Angeklagten, der das übergeordnete Außenkommando der Sicherheitsdienste
in Mailand leitende SS-Obersturmbannführer R , diesem
den Befehl, für jeden getöteten Deutschen die zehnfache Anzahl Italiener
erschießen zu lassen. Die Auswahl der Opfer und die Art der Durchführung
der „Sühnemaßnahme“ blieb dem Angeklagten überlassen.
Die Erfolgsaussicht für eine Ermittlung der Attentäter wurde als gering
erachtet; der Angeklagte beschränkte sich auf die Auslobung einer Belohnung.
Als Opfer der vorgesehenen „Sühnemaßnahme“ wurden auf seine
Veranlassung 60 männliche Gefangene des seinem Außenkommando unterstellten
Marassi-Gefängnisses - darunter jedenfalls 17 seit April 1944 inhaftierte
Partisanen - ausgewählt. Als Ort für deren Erschießung sah der Angeklagte
einen 25 km von Genua entfernten Platz oberhalb des Turchino-
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Passes vor, der zwar gut erreichbar, aber so abgelegen war, daß eine Störung
durch die Bevölkerung nicht zu erwarten war. Jüdische Häftlinge hoben
dort am 17. Mai 1944 unter Aufsicht von Marineangehörigen eine Grube aus.
Da die Opfer des Attentats überwiegend aus der Marine stammten, wurde
das sachlich und personell für die Aktion unzureichend ausgestattete Außenkommando
der Sicherheitsdienste dabei durch teils freiwillige, teils abkommandierte
Angehörige der Marine unterstützt, welche auch die Soldaten für
die Erschießungskommandos und für die Bewachung der Opfer auf der Paßhöhe
stellte.
3. In den frühen Morgenstunden des 19. Mai 1944 wurden die ausgewählten
Gefangenen - 59 Männer (einer der ursprünglich Vorgesehenen, der
Zeuge Ri , blieb aus ungeklärten Gründen verschont) - unter dem Vorwand,
sie sollten verlegt werden, ihre persönlichen Sachen würden ihnen
später wieder ausgehändigt, mit Fahrzeugen in etwa einstündiger Fahrt auf
die Paßhöhe transportiert. Von dort wurden sie unter Bewachung auf einem
500 bis 600 Meter langen ansteigenden schmalen Weg zu der ausgehobenen
Grube geführt. An deren Rand wurden sie in Gruppen von mindestens
vier, höchstens acht Gefangenen von zwei Kommandos, die sich abwechselten,
erschossen. Die Opfer stürzten in die Grube; wer noch Lebenszeichen
von sich gab, erhielt mit einer Pistole den „Gnadenschuß“. Ein Arzt war
nicht zugegen. Ebenso stand den Gefangenen kein geistlicher Beistand zur
Seite. Deren Ahnung über ihr Schicksal wurde spätestens zur Gewißheit, als
sie beim Anmarsch die Gewehrsalven auf die vorangegangenen Opfer anhören
mußten. Unmittelbar vor ihrer Tötung blickten sie noch auf die in der
Grube liegenden Leichen der vor ihnen Erschossenen.
Der Angeklagte, der schon frühmorgens vor den Gefangenen am Tatort
eingetroffen war, beobachtete das Geschehen aus einer Entfernung von
höchstens 15 Metern, bis der letzte Gefangene erschossen war. Er war von
der Haltung und Fassung der Opfer beeindruckt. Seinem Vorgesetzten mel-
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dete er den Vollzug der Maßnahme. Am Folgetag ließ er eine Mitteilung über
die „Sühnemaßnahme“ in einer Genueser Tageszeitung veröffentlichen.
4. Die Leichen der Opfer wurden erst nach Kriegsende, im Juni 1945,
exhumiert. 47 Tote konnten identifiziert und in ihren Heimatgemeinden bestattet
werden.
5. Der Angeklagte war im Januar 1945 zum SS-Obersturmbannführer
befördert worden. Im April 1945 war er in amerikanische Kriegsgefangenschaft
geraten, wo er falsche Personalien angab. Nach etwa einem Jahr gelang
ihm die Flucht.
Später übersiedelte er nach Hamburg, wo er noch heute lebt. Bis 1954
gebrauchte er - offenbar aus Furcht, sich für Kriegsverbrechen verantworten
zu müssen - falsche Personalien. Zu seiner Tätigkeit in Italien wurde er lediglich
zeugenschaftlich vernommen. Ein auf eine Anzeige eingeleitetes Ermittlungsverfahren
wurde im Jahre 1969 alsbald mangels Tatverdachts eingestellt.
In Italien hatte es schon frühzeitig Hinweise auf den Angeklagten und
seine Verantwortlichkeit als Leiter des Genueser SD-Außenkommandos gegeben,
und zwar in einem Strafverfahren gegen den italienischen Dolmetscher
N , der bereits im November 1945 als Kollaborateur der deutschen
Besatzungstruppen neben anderen Taten auch wegen Beteiligung an
den Erschießungen am Turchino-Paß zum Tode (später in Freiheitsstrafe
umgewandelt) verurteilt worden war. Aus ungeklärten Gründen wurden die
Ermittlungen gegen den Angeklagten nicht fortgesetzt, sondern erst im Jahre
1995 wiederaufgenommen. Am 15. November 1999 wurde der Angeklagte
vom Militärgericht in Turin wegen der hier abgeurteilten Tat und des Vorwurfs
dreier weiterer kriegsverbrecherischer Morde in Abwesenheit zu lebenslanger
Zuchthausstrafe verurteilt. Im Frühjahr 2000 wurde nach Eingang von
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Unterlagen aus dem in Italien geführten Verfahren in Hamburg ein Ermittlungsverfahren
gegen den Angeklagten eingeleitet.
II.
Verfahrenshindernisse im Blick auf die Verurteilung des Angeklagten in
Italien liegen nicht vor.
1. Die im angefochtenen Urteil niedergelegte Auffassung, das in Art. 54
des Schengener Durchführungsübereinkommens - SDÜ - (entsprechend
Art. 1 EG-ne bis in idem-Übk) normierte Doppelbestrafungsverbot hindere die
Verurteilung des Angeklagten nicht, erweist sich für die derzeitige Rechtslage
als zutreffend. Das italienische Abwesenheitsurteil ist nicht vollstreckt (Art. 54
SDÜ, erste Variante). Jedenfalls mangels - bislang nach deutschem Recht
ausgeschlossener - Auslieferungsbewilligung oder deutscher Bewilligung der
Rechtshilfe zur Vollstreckung des italienischen Urteils fehlt es auch an einem
Vollstreckungsbeginn (Art. 54 SDÜ, zweite Variante). Der Senat hat darüber
hinaus mit Hilfe des Bundesministeriums der Justiz und unter Einschaltung
von Eurojust ermittelt, ob etwa nach italienischem Recht ein Vollstreckungshindernis
vorliegt (Art. 54 SDÜ, dritte Variante). Dies ist nicht der Fall; vielmehr
hat Italien die Ausschreibung des Angeklagten im Schengener Informationssystem
- SIS - zur Festnahme zwecks seiner Auslieferung nach Italien
zur Strafvollstreckung veranlaßt.
2. Der Senat hat ferner erwogen, ob angesichts des Rahmenbeschlusses
des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 über den Europäischen
Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten
(ABl. L 190/1 vom 18.7.2002) - RBEuHb -, der mit Wirkung vom 1. Januar
2004 eine Ablösung der zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Auslieferungsübereinkommen
vorsieht (Art. 31), und angesichts der unmittelbar
bevorstehenden innerstaatlichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses in
einem Europäischen Haftbefehlsgesetz (EuHbG; vgl. BRDrucks. 547/03)
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Anlaß bestehen könnte, mit dem Verfahren bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes
innezuhalten. Der Senat sieht davon ab, da eine unmittelbar bevorstehende
relevante Änderung der Verfahrensrechtslage, die ein sofortiges
Verfahrenshindernis aus dem Doppelbestrafungsverbot zur Folge hätte, aus
mehrerlei Gründen nicht zu erwarten ist.
a) Zwar steht durch die Konkretisierung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG
im EuHbG eine Lockerung des bisherigen strikten Verbots der Auslieferung
deutscher Staatsangehöriger, soweit es die Auslieferung in Mitgliedstaaten
der Europäischen Union betrifft, zu erwarten. Indes ist eine Auslieferung zur
Strafvollstreckung ohne Zustimmung des verurteilten Deutschen nicht vorgesehen.
Allerdings liegt es nahe, daß mit innerstaatlicher Umsetzung der Regelungen
über den Europäischen Haftbefehl, wenn eine Auslieferung zur
Strafvollstreckung gleichwohl ohne Zustimmung ausgeschlossen ist, regelmäßig
stattdessen Rechtshilfe durch Vollstreckung der entsprechenden
ausländischen Strafurteile - nach §§ 48 ff. IRG oder aufgrund spezieller
Rechtsgrundlagen - zu leisten sein wird, damit die Rechtshilfepraxis den Intentionen
des Rahmenbeschlusses nicht zuwiderläuft (vgl. Art. 4 Nr. 6
RBEuHb; BRDrucks. 547/03 S. 32). Ob etwa dann nach neuer Rechtslage im
Bestehen einer Verpflichtung zu derartiger Rechtshilfe bereits ein Beginn der
Vollstreckung im Sinne der zweiten Variante des Art. 54 SDÜ mit der Folge
eines innerdeutschen Verfahrenshindernisses zu sehen ist oder ob es hierfür
etwa über die internationale Ausschreibung des im Ausland verurteilten
Deutschen hinaus - trotz Art. 9 Abs. 3 Satz 2 RBEuHb - eines wiederholten
speziellen Rechtshilfeersuchens und insbesondere - was naheliegt - einer
innerstaatlichen Rechtshilfebewilligung bedarf, ist zweifelhaft; es erscheint
nicht ausgeschlossen, daß die Frage gegebenenfalls sogar nach § 1 EuGHG
i. V. m. Art. 35 EUV dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt
werden müßte (vgl. BGHSt 47, 326, 333 f.; Plöckinger/Leidenmühler
wistra 2003, 81, 82).
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b) Darüber hinaus können sich im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten
hier relevanter Neuregelungen für die Vollstreckbarkeit ausländischer
Strafurteile gegen Deutsche unter Umständen - selbst wenn dies bei einer
prozessualen Neuregelung nicht unbedingt naheliegt (a. A. ohne nähere Begründung
v. Münch, Geschichte vorGericht: Der Fall Engel, 2004, S. 11 f.) -
Rückwirkungsprobleme für deren Anwendbarkeit auf Altfälle ergeben.
c) Erheblich größere Probleme dürften aber ferner aus der Besonderheit
des gegen den Angeklagten in Italien durchgeführten Abwesenheitsverfahrens
erwachsen (vgl. Art. 5 Nr. 1 RBEuHb sowie den in Art. 1 Nr. 1 des
Entwurfes zum EuHbG vorgesehenen § 83 Nr. 3 IRG; s. auch Kap. III Art. 3
des 2. ZP-EuAlÜbk, dazu Lagodny in Schomburg/Lagodny, Internationale
Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. § 73 IRG Rdn. 70 ff.). Dies gilt zumal aufgrund
vorsorglicher erster Ermittlungen des Senats mit Hilfe von Eurojust.
Danach könnte der Angeklagte bei der Unterrichtung über den Verfahrensgegenstand
des gegen ihn beim Militärgericht in Turin durchgeführten Strafverfahrens
unzulänglich informiert worden sein. Es gibt Anzeichen, daß ihm
gerade der Vorwurf derjenigen Straftat nicht benannt worden ist, der Gegenstand
des vorliegenden Strafverfahrens ist.
d) Unter Berücksichtigung all dieser rechtlichen und tatsächlichen
Probleme sieht der Senat keinen Anlaß, mit der Förderung des vorliegenden
Verfahrens innezuhalten, bis die alsbald in Aussicht stehende neue Auslieferungs-
und Rechtshilferechtslage in Kraft tritt, da auch hierdurch ein Hindernis
zur Fortführung des Verfahrens, wie es nach derzeitiger Rechtslage nicht
besteht, nicht zu erwarten ist.
Der Senat sieht nach den hierüber eingeholten Erkenntnissen indes
Anlaß zu dem Hinweis, daß Rechtshilfe bei der Vollstreckung des gegen den
Angeklagten in Italien ergangenen Urteils insoweit durchsetzbar sein könnte,
als dieses Urteil andere Tatvorwürfe betrifft, über die der Angeklagte recht-
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zeitig unterrichtet worden war. Dem stünde, soweit ersichtlich, die hiesige
Entscheidung, die einen weiteren Tatvorwurf betrifft, nicht entgegen.
III.
Der gegen den Angeklagten verhängte Schuldspruch wegen grausamen
Mordes begegnet einem durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten, da die Feststellungen des Schwurgerichts die subjektiven
Voraussetzungen des angenommenen Mordmerkmals nicht ausreichend
belegen.
1. Allerdings ist das Urteil des Schwurgerichts insoweit rechtsfehlerfrei,
als der Angeklagte als täterschaftlich verantwortlich für die rechtswidrige und
schuldhafte Tötung von 59 Menschen angesehen worden ist.
a) Mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung hat sich das Schwurgericht
von dem gesamten Tathergang überzeugt. Gleiches gilt hinsichtlich der Verantwortlichkeit
des Angeklagten als Befehlshaber des an den Gefangenen
verübten Massakers. Seine Einlassung, die Durchführung der „Sühnemaßnahme“
sei der Marine übertragen worden, ist rechtsfehlerfrei widerlegt worden.
Konsequent hat das Schwurgericht den Angeklagten, der die Durchführung
organisierte und beherrschte, aber keine Befehlsgewalt über die Marineeinheiten
hatte, welche die Erschießungskommandos stellten, als Mittäter
für verantwortlich gehalten.
b) Der Angeklagte handelte nach den tatgerichtlichen Feststellungen
auch rechtswidrig und schuldhaft.
aa) Allerdings hat das Schwurgericht dem Angeklagten geglaubt, daß
ihm die Tötung von 60 Italienern als „Sühnemaßnahme“ befohlen worden
war. Es hat ferner ausgeführt, daß eine derartige Vergeltungsaktion zur Tatzeit
unter Berücksichtigung von Kriegsvölkerrecht als gewohnheitsrechtlich
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erlaubt angesehen worden sei (UA S. 61 f.), und zwar - entsprechend der
dem Angeklagten unwiderlegt von zuständiger vorgesetzter Stelle erteilten
Belehrung - selbst mit einer „Repressalquote“ von zehn zu eins. Dieser Befund
des Schwurgerichts ist für sich jedenfalls aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1955 - 3 StR 603/54; Schreiber,
Deutsche Kriegsverbrechen in Italien: Täter - Opfer - Strafverfolgung, 1996,
S. 105; Artzt/Penner, Geisel- und Partisanentötungen im zweiten Weltkrieg
- Hinweise zur rechtlichen Beurteilung -, herausgegeben von der Zentralen
Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, 1968, S. 30 ff., 57 f.;
v. Münch aaO S. 50 ff.).
Diese damalige Beurteilung ist allerdings mit der Bedeutung des Menschenrechts
auf Leben schlechthin unvereinbar. Das Tatgeschehen umfaßte
die Erschießung einer Vielzahl wehrloser, an dem mit der „Vergeltungsaktion“
zu ahndenden Geschehen individuell nicht unmittelbar beteiligter Personen.
Es wurde dabei auch nicht näher darauf Bedacht genommen, ob und
inwiefern die Opfer etwa sonst in Schuld verstrickt waren; jedenfalls gab es
hierfür keine wie auch immer geartete Aburteilung. Die Tat ist daher nach
geläuterter Auffassung als derart menschenverachtend einzustufen, daß sie
nur als rechtswidrig zu werten ist (vgl. auch BGHSt 2, 333, 334 f.). Es bedarf
daher nicht einmal der Vertiefung, ob eine Rechtmäßigkeit von Reaktionen
der deutschen Wehrmacht gegen italienische Partisanen wegen der Rechtswidrigkeit
der deutschen Besetzung Italiens vor dem Hintergrund der deutschen
Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg nicht grundlegend in Frage zu
stellen ist.
bb) Die Feststellung, daß dem Angeklagten die in die Tat umgesetzte
„Repressalmaßnahme“ von den zuständigen militärischen Vorgesetzten befohlen
worden ist, beseitigt nicht seine Schuld. Der Senat schließt - ungeachtet
abweichender Tatzeitauffassung und selbst vor dem weiteren Hintergrund
des damaligen aktuellen, mit mannigfaltigen Schrecknissen einhergehenden
Kriegsgeschehens - aus, daß dem Angeklagten eine Entschuldigung
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nach § 47 des zur Tatzeit geltenden Militärstrafgesetzbuches (MStGB) - das
auch für ihn galt (UA S. 55) - zuzubilligen wäre. Es mag im Blick auf die Tatzeitsicht
problematisch sein, über die Beurteilung des Schwurgerichts in dem
angefochtenen Urteil hinausgehend den Befehl der „Repressalie“ als solchen,
deren äußerste numerische Grenzen nach den tatgerichtlichen Feststellungen
(insoweit im Gegensatz zu den Feststellungen des italienischen
Urteils gegen den Angeklagten) nicht überschritten wurden, bereits als
verbrecherisch im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MStGB zu bewerten.
Jedenfalls wäre es angesichts der grauenvollen Begleitumstände des vom
Angeklagten zu verantwortenden Massakers abwegig, den Befehl zu einem
derartigen Verhalten anders als offensichtlich verbrecherisch zu bewerten.
Dies gilt angesichts der Greuel des Tatgeschehens selbst unter den im
Urteil zugrundegelegten, durchweg zumindest nicht ausgeschlossenen Voraussetzungen
(UA S. 61 ff.; vgl. dazu ferner Artzt in: Rückerl - Hrsg. -, NSProzesse,
1971, S. 163, 172), daß die von hoher Instanz angeordnete „Sühnemaßnahme“
zu dem als kriegsverbrecherisch gewerteten Anlaß in einem
engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stand, eine effektive zeitnahe
Täterermittlung nicht zu erwarten war, die getöteten Gefangenen sämtlich
ihrerseits der Partisanentätigkeit verdächtig waren (vgl. namentlich hierzu
Artzt/Penner aaO S. 82) und eine öffentliche Bekanntgabe der „Repressalie“
aus Abschreckungsgründen vorgesehen war. Angesichts der vom Landgericht
im angegebenen Zusammenhang erörterten „Humanitätsschranke“ (vgl.
Artzt/Penner aaO S. 25 f.) hätte auch unter Berücksichtigung der Sittenverrohung
während des Krieges auf eine derart qualvolle Vergeltungsaktion gegen
für den Sprengstoffanschlag nicht unmittelbar verantwortliche Opfer
gänzlich verzichtet werden müssen.
Erforderlich ist allerdings, daß der Angeklagte den offensichtlich verbrecherischen
Charakter des ihm erteilten Befehls auch positiv erkannte (vgl.
BGHSt 22, 223, 225; hierzu auch Ducklau, Die Befehlsverweigerung bei NSTötungsverbrechen,
Diss. Freiburg 1976 S. 128 f.). Hieran kann indes - zu-
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mal angesichts der Herkunft des Angeklagten und seines Bildungsgrades -
kein Zweifel bestehen. Auch im vorliegenden Zusammenhang ist kein Raum,
systemimmanent indoktrinierten Tätern eine Exkulpation aus subjektiven
Gründen zu gewähren (vgl. in anderem Zusammenhang BGHSt 41, 247,
276; 41, 317, 340).
2. Das Schwurgericht hat auch die objektiven Voraussetzungen des
Mordmerkmals der Grausamkeit angesichts der rechtsfehlerfrei festgestellten
offensichtlich hochgradig entwürdigenden und quälenden Begleitumstände
des Massakers, namentlich der damit verbundenen massiven, noch über eine
„herkömmliche“ Hinrichtungsaktion hinausgehenden seelischen Qualen
der Opfer zutreffend bejaht (vgl. nur Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 54 mit
Rechtsprechungsnachweisen). Dies wird nicht etwa durch den im Urteil (UA
S. 57) näher belegten Umstand in Frage gestellt, daß die Möglichkeit einer
noch grausameren Tatausführung konkret denkbar gewesen wäre. Auch vor
dem Hintergrund der aktuellen Schrecken des Zweiten Weltkrieges besteht
insoweit kein Anlaß zu abweichender Bewertung (a. A. v. Münch aaO
S. 80 ff.). Die Hinrichtung der Opfer erfolgte namentlich angesichts der Erschießungen
an der offenen Grube unter Umständen, die dem verbrecherischen
Vorgehen in den Konzentrationslagern der Naziherrschaft in ihrem
Erscheinungsbild nahekommen (zweifelhaft daher v. Münch aaO S. 31 ff.).
3. Indes sind die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der
Grausamkeit (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 23a
m.w.N.) nicht rechtsfehlerfrei belegt.
a) Das Schwurgericht hat im Zusammenhang hiermit zum Beleg der für
das Mordmerkmal der Grausamkeit zutreffend subjektiv verlangten gefühllosen
unbarmherzigen Gesinnung ausgeführt: „Dabei hätten die Opfer unter
weniger qualvollen Umständen, ohne daß hier Alternativen aufgezeigt werden
müssen, auf eine nicht als grausam anzusehende Art und Weise getötet
werden können“ (UA S. 58 f.). Ferner hat es im Rahmen der Begründung
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befehlswidriger Mißachtung einer möglichen Einhaltung der „Humanitätsschranke“
ebenfalls ohne konkrete Bezeichnung von Handlungsalternativen
angemerkt, es hätte für den Angeklagten Möglichkeiten gegeben, den ihm
erteilten Befehl „so auszuführen, daß eine grausame Tötung der Opfer vermieden
wurde“ (UA S. 64). Diese Erwägungen sind für die Frage, ob sich der
Angeklagte wegen Mordes strafbar gemacht hat, relevant, erweisen sich indes
als zweifelhaft und unbelegt.
Zum einen sind an die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals
der Grausamkeit höhere Anforderungen zu stellen als an den bloßen
Beleg des Bewußtseins vom verbrecherischen Charakter des erteilten Befehls
im Rahmen der Schuldfrage; bei dieser ist das subjektive Element stärker
an normativen Mindestanforderungen orientiert (oben 1 b bb a. E.). Zum
anderen sind folgende tatsächliche Gegebenheiten bedeutsam: Das
Schwurgericht hat festgestellt, daß das Ziel der Aktion den Opfern zunächst
tunlichst verheimlicht werden sollte. Es hat nicht feststellen können, daß der
Angeklagte sich etwa gar an den besonderen Leiden der Opfer - deren Haltung
ihn sogar beeindruckte - erfreut hätte. Die Leiden der Opfer entgingen
ihm zwar nicht, es kam ihm jedoch nicht hierauf an, er ließ sich dadurch lediglich
nicht davon abhalten, den ihm erteilten erbarmungslosen Befehl strikt
zu erfüllen. Sein Handeln war am Streben nach unbedingter - wenngleich
gänzlich kritik- und gewissenloser - Befehlserfüllung orientiert. Der Angeklagte
meinte ersichtlich, eine furchtbare Aufgabe im Interesse der deutschen
Wehrmacht befehlsgemäß erfüllen zu sollen. Der gebotene Verzicht auf die
ihm befohlene Durchführung der „Sühneaktion“ unter den gegebenen Begleitumständen
hätte ihm auf Menschlichkeit und Mitgefühl basierenden Mut
abverlangt.
Indes reicht der Mangel an solchen positiven Eigenschaften zum Beleg
der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals der Grausamkeit allein
noch nicht aus. Daher hat das Schwurgericht bezogen auf die besondere
Tatzeitsituation zum Beleg der subjektiven Voraussetzungen eines grausa-
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men Mordes zutreffend noch den Nachweis für erforderlich gehalten, daß der
Angeklagte bei der von ihm verantworteten brutalen Durchführung der „Sühneaktion“
so menschenverachtend vorgegangen ist, daß er eine ihm offenstehende
Möglichkeit bewußt ausgelassen hat, den ihm erteilten Befehl zur
Tötung derart vieler Männer unter Begleitumständen auszuführen, die für die
Opfer schonender gewesen wären (vgl. Hanack JZ 1967, 297, 302 f.). Das
Schwurgericht läßt diese zutreffend verlangte Prämisse indes unbewiesen
und meint, keinen Beleg für die Möglichkeit einer objektiv weniger grausamen
Verwirklichung der dem Angeklagten befohlenen Vergeltungsaktion
erbringen zu müssen.
Diese Betrachtungsweise greift zu kurz und ist daher rechtsfehlerhaft.
Denn eine derartige Möglichkeit versteht sich nicht von selbst. Aus dem Vergeltungszweck
folgte eine besondere Eilbedürftigkeit der „Repressalie“; eine
große Zahl von Opfern war vorgesehen; naheliegend - im Urteil auch angedeutet
(UA S. 24) - wurde die Gefährdung einer solchen Aktion für den Fall
erwartet, daß sie nicht derart versteckt, etwa unmittelbar im Bereich des mitten
in der Stadt gelegenen Gefängnisses, durchgeführt worden wäre. All diese
Umstände machen, zudem unter Berücksichtigung begrenzter personeller
und sachlicher Mittel der für den Vollzug zur Verfügung stehenden Kräfte, die
vom Angeklagten erkannte Möglichkeit einer - notwendig nicht nur in Details
des Ablaufs der Erschießungsaktion - abweichenden Gestaltung, wie sie das
Schwurgericht unbelegt voraussetzt, gerade nicht ohne weiteres vorstellbar.
Damit fehlt es im angefochtenen Urteil am Beleg der subjektiven Voraussetzungen
des Mordmerkmals der Grausamkeit. Ein anderes Mordmerkmal
ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Als Totschlag
- auch wenn er wegen der Zahl der Opfer und der Begleitumstände
der Tat als besonders schwerwiegend zu werten wäre - ist die Tat des Angeklagten
bereits bei Anklageerhebung längst verjährt gewesen.
- 15 -
IV.
Gleichwohl ist nicht etwa auf die Revision des Angeklagten - und
zugleich nach § 301 StPO auf diejenige der Staatsanwaltschaft - die Freisprechung
des Angeklagten vom Anklagevorwurf des Mordes (vgl. BGHSt
36, 340 f. m.w.N.) durch das Revisionsgericht auszusprechen.
1. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der bislang unterbliebene Beleg
einer vom Angeklagten bewußt vernachlässigten Möglichkeit weniger brutaler
Durchführung der Tötungshandlungen von einem neuen Tatgericht noch
erbracht werden könnte. Sogar zu weitergehenden die Opfer quälenden Begleitumständen
der Tat, welche subjektiv zur Erfüllung des Mordmerkmals
der Grausamkeit zweifelsfrei ausreichten, sind ergänzende Feststellungen
nicht undenkbar. Zudem erscheinen weitere Feststellungen zu vom Angeklagten
zu verantwortenden Organisationsmaßnahmen im Zusammenhang
mit der Auswahl der Opfer nicht ausgeschlossen; dies gilt zumal angesichts
entsprechender Andeutungen in dem angefochtenen Urteil (UA S. 23, 63/64)
über teils besonders junge, möglicherweise auch nicht durchweg im Verdacht
der Partisanentätigkeit stehende Gefangene. In diesem Zusammenhang
könnte möglicherweise sogar auch eine Erfüllung des Mordmerkmals der
niedrigen Beweggründe belegt werden.
Dies würde die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung
der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung veranlassen.
Daneben läge nicht fern, daß die Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft
bei der Art des Kapitalverbrechens im Blick auf die in Betracht zu ziehenden
Mordmerkmale ungeachtet der ganz ungewöhnlichen Dauer der seit Tatbegehung
verstrichenen Zeit gleichfalls Erfolg haben müßte (vgl. BGH StV
2002, 598, 599; BGH, Beschluß vom 16. Mai 2002 - 1 StR 553/01). Jedenfalls
käme das Moment, daß mit Rücksicht auf das hohe Alter des Angeklagten
im Interesse der Rechtskraft von einer Urteilsaufhebung auf eine
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derartige Revision abzusehen ist (vgl. BGHSt 41, 72, 93 f.), bei ohnehin zugunsten
des Angeklagten gebotener Urteilsaufhebung nicht zum Tragen.
2. Außergewöhnliche Umstände, die in Fallbesonderheiten und namentlich
im hohen Alter des Angeklagten zu finden sind, geben Anlaß, von
der bezeichneten üblichen Verfahrensweise abzusehen, vielmehr das Verfahren
nunmehr abzubrechen und einzustellen.
a) Das hohe Alter des Angeklagten läßt in absehbarer Zeit eine beträchtliche
Minderung seiner Verhandlungsfähigkeit erwarten. Dies macht die
Möglichkeit einer notwendig umfassend wiederholten abschließenden Aufklärung
des 60 Jahre zurückliegenden Tatgeschehens, die noch weiter als bisher
gehen müßte, schon für sich hochgradig unwahrscheinlich (vgl. zu dieser
Problematik v. Münch JZ 2004, 184). Eine fallspezifische Besonderheit
kommt hinzu:
Käme ein neues Tatgericht zur Feststellung der genannten, eine Freisprechung
hindernden gravierenden Erschwerungsgründe, könnte dies weiteren
Klärungsbedarf nach sich ziehen. Es wäre nämlich zu prüfen, ob die
Tat gerade unter derartigen, die Schrecklichkeit des Tatgeschehens noch
verstärkenden Begleitumständen etwa selbst in den Augen der nationalsozialistischen
Gewaltherrscher nicht mehr als eine unnachsichtige und strenge,
aber vermeintlich noch zu rechtfertigende, jedenfalls ungeahndet hinzunehmende
„Vergeltungsaktion“ bewertet worden wäre, sondern als eine verfolgbare
und verfolgungswürdige Pflichtwidrigkeit. Für diesen Fall wäre nach den
Grundsätzen, die der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs für ein im Herbst
1943 in Caiazzo/Italien begangenes exzessives Kriegsverbrechen im Rahmen
von „Partisanenbekämpfung“ für erwägenswert erachtet hat (BGH NJW
1995, 1297 = BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 1), ein Ruhen der Verjährung
während der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus in Frage zu stellen.
Sofern eine Verfolgung der Tat durch die Militärgerichtsbarkeit auch unter der
Herrschaft des Nationalsozialismus für möglich erachtet würde, wäre die am
- 17 -
19. Mai 1944 begangene Tat bereits im Januar 1969 vor Verlängerung der
damals noch zwanzigjährigen Verjährungsfrist für Mord verjährt (vgl. BGH
aaO).
Der Senat übersieht nicht die Kritik, die hiergegen vor dem Hintergrund
fehlender historischer Erkenntnisse über Aktivitäten deutscher Militärgerichtsbarkeit
in Fällen der hier in Rede stehenden Art vorgebracht worden ist
(vgl. Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002,
S. 127 f., 130 ff. m.w.N.). Er verkennt auch nicht das Problem, daß es mit
dem Gerechtigkeitsgefühl schwer zu vereinbaren wäre, eine Tat bei Feststellung
eines herausgehobenen Schweregrades im Gegensatz zu einem
weniger schweren Kapitalverbrechen unverfolgbar zu stellen. Der Senat sähe
indes vor dem Hintergrund des Urteils des 2. Strafsenats (aaO im Anschluß
an BGHSt 23, 137) keine rechtliche Handhabe, eine solche - gegebenenfalls
aufwendige und schwierige - Prüfung der Verjährungsfrage hier abzuschneiden.
b) Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sach- und Rechtslage hält
es der Senat insbesondere auch unter den allein mit Rücksicht auf das hohe
Alter des Angeklagten bestehenden nurmehr begrenzten Möglichkeiten weiterer
Verfahrensförderung und -beschleunigung für ausgeschlossen, daß die
Feststellung eines vom Angeklagten verschuldeten Mordes unter gleichzeitiger
sicherer Feststellung der Nichtverjährung der Tat in diesem Verfahren
noch erbracht werden könnte.
Eine Abwägung der widerstreitenden, jeweils rechtsstaatlich verankerten
Belange - Wahrheitsermittlung auf der einen, Vermeidung der Gefahr,
den Angeklagten zum bloßen Objekt des Verfahrens zu machen, auf der anderen
Seite - gebietet unter den gegebenen Voraussetzungen, von der Anordnung
einer Verfahrensfortsetzung abzusehen. Dies gilt verstärkt vor dem
Hintergrund, daß mit einer ernstlichen Verfolgung des Angeklagten erst 1995
- 18 -
und damit unbegreiflich spät begonnen wurde, und angesichts eines in jeder
Beziehung offenen Ausgangs des Verfahrens.
c) Ein so begründetes Hindernis für die Fortsetzung des Verfahrens ist
gegenüber der auf den Strafausspruch beschränkten Revision der Staatsanwaltschaft
schon im Blick auf § 301 StPO vorgreiflich. Der Senat ist bei dieser
Sachlage nicht gehindert, die Verurteilung des Angeklagten durch einstimmigen
Beschluß nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und das Verfahren
einzustellen (vgl. BGHSt 44, 68, 82; BGHR StPO § 349 Abs. 4 Revision der
Staatsanwaltschaft 1). Diese sofort angezeigte Entscheidung ist ebenfalls
vorrangig gegenüber einem denkbaren Freispruch des Angeklagten, der zur
Zeit nicht entscheidungsreif ist (vgl. BGHR StGB § 78b Ruhen 10).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Angesichts
dessen, daß der - wegen der Tat in Italien in Abwesenheit zu lebenslanger
Freiheitsstrafe verurteilte - Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen des Schwurgerichts rechtswidrig und schuldhaft mindestens
den Tatbestand eines (an 59 Menschen begangenen) Totschlags erfüllt, sich
zudem der strafrechtlichen Verantwortung nach Beendigung der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft gezielt entzogen hatte, hat der Senat Anlaß
gesehen zu erwägen, ob von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen
Auslagen des Angeklagten jenseits des für ihn erfolgreichen Revisionsverfahrens
gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO abzusehen ist (vgl.
BGH NJW 1995, 1297, 1301 = BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis
1). Da indes als Ergebnis einer potentiellen Verfahrensfortsetzung die
Möglichkeit eines Freispruchs nicht sicher auszuschließen wäre, wenn mehr
als Totschlag nicht nachweisbar ist, kommt - anders als im Fall eines beson-
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ders schlimmen, lediglich gerade deshalb verjährten Mordes, wie in dem vom
2. Strafsenat entschiedenen Fall - hier eine solche Entscheidung letztlich
nicht in Betracht.
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