BGH,
Beschl. v. 17.6.2010 - AK 3/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
_____________
AK 3/10
vom
17. Juni 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________________
VStGB § 4
1. Militärischer Befehlshaber im Sinne des § 4 VStGB
ist, wer die faktisch ausübbare, gegebenenfalls auch rechtlich
fundierte Möglichkeit hat, Untergebenen verbindliche
Anweisungen zu erteilen und die Ausführung dieser Anweisungen
durchzusetzen.
2. Der subjektive Tatbestand des § 4 VStGB setzt mindestens
bedingten Vorsatz des Vorgesetzten voraus. Dieser muss u. a. erkennen
oder mit der konkreten Möglichkeit rechnen, dass der
Untergebene eine Straftat nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu
begehen beabsichtigt. Dabei genügt es, wenn sein bedingter
Vorsatz die Art der zu begehenden Straftat umfasst und sich weiter
darauf erstreckt, dass derartige Taten bei dem Einsatz der ihm
unterstellten Truppen im Kampfgebiet begangen werden; ein
hierüber hinausgehendes Detailwissen ist nicht erforderlich.
BGH, Beschl. vom 17. Juni 2010 - AK 3/10 - Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs
- 2 -
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit u. a.
- 3 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am
17. Juni 2010 gemäß §§ 121, 122
StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den
Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach
allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht
übertragen.
Gründe:
Der Beschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters
des Bundesgerichtshofs vom 16. November 2009 (4 BGs 31/09) am 17.
November 2009 festgenommen und befindet sich seitdem in
Untersuchungshaft.
1
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich
als Präsident der in den Provinzen Nord-Kivu und
Süd-Kivu der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden: DRC)
operierenden paramilitärischen Milizen-Organisation "Forces
Démocratiques de Libération du Rwanda" (im
Folgenden: FDLR) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen
Kriegsverbrechen, für die er jeweils als Vorgesetzter
verantwortlich sei, sowie zugleich als Rädelsführer
einer terroristischen Vereinigung im Ausland strafbar gemacht.
2
- 4 -
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft
über sechs Monate hinaus liegen vor.
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1. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines
dringenden Tatverdachts von folgendem Geschehen auszugehen:
4
a) Zwischen den in der Republik Ruanda ansässigen
Bevölkerungsgruppen - insbesondere den Hutu, welche die weit
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung stellte, und
den Tutsi - kam es bereits in der Vergangenheit zu zahlreichen
gewaltsamen Auseinandersetzungen. Diesen fielen insbesondere
Angehörige der Tutsi zum Opfer. Eine Vielzahl von ihnen floh
deshalb in die benachbarte Republik Uganda. Eine dort unter dem Namen
"Ruandische Patriotische Front" (im Folgenden: RPF) zusammengestellte
Rebellenarmee griff im Jahre 1990 die Republik Ruanda an, um das
dortige Regime, dessen maßgebende Funktionen von
Angehörigen der Hutu ausgeübt wurden, zu beseitigen
und den Flüchtlingen die Heimkehr zu ermöglichen.
Nach militärischen Erfolgen der RPF und Verhandlungen
über eine Teilung der Macht und Demokratisierung Ruandas wurde
im August 1993 das Friedensabkommen von Arusha geschlossen. Danach
sollte die bis dahin allein regierende Partei des Präsidenten
Habyarimana Teile ihrer Macht abgeben, demokratische Prozesse zulassen
und den Angehörigen der Tutsi eine Teilhabe am Staatswesen
ermöglichen. Das Abkommen wurde jedoch in der Folgezeit
insbesondere aufgrund des Widerstands einflussreicher Kreise der Hutu
nicht umgesetzt.
5
Am 6. April 1994 wurde das Flugzeug des damaligen
Staatspräsidenten Habyarimana von bis heute nicht zweifelsfrei
ermittelten Attentätern abgeschossen; Habyarimana fand dabei
den Tod. Dieses Ereignis war Beginn einer Tötungswelle, in
deren Verlauf schätzungsweise 500.000 bis 800.000
Angehörige der Tutsi sowie gemäßigte Hutu
umgebracht wurden. Um dieser Massentö-
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tung Einhalt zu gebieten, rückte die bisher im Norden Ruandas
befindliche RPF vor und eroberte schließlich die
übrigen Landesteile. Die Soldaten und Offiziere der
staatlichen Armee flüchteten mit Teilen der
hutustämmigen Bevölkerung, insbesondere
Angehörigen der paramilitärischen Interahamwe-Miliz,
teilweise nach Tansania, teilweise aber auch nach Zaire, der heutigen
DRC, in die dortigen Provinzen Nord- und Süd-Kivu. Dort
setzten sich die Hutu-Verbände fest; ihre Angehörigen
versuchten, wieder Einfluss auf die Politik Ruandas zu erlangen. Sie
bildeten eine auf der früheren Armee basierende Organisation,
die sich seit etwa 1999/2000 als FDLR bezeichnet. Dieser
gehören etwa 6.000 Personen an; sie ist damit die
größte und einflussreichste Milzengruppierung im
Osten der DRC. Mit Hilfe ihres Machtapparates wurde die in Nord- und
Süd-Kivu einheimische kongolesische Zivilbevölkerung
unterworfen. Strategisches Ziel der FDLR war und ist die
Übernahme der Macht in der Republik Ruanda.
Die FDLR wurde lange Zeit durch die Regierung und die Armee der DRC
unterstützt; auch diese betrachteten die gegenwärtige
Regierung der Republik Ruanda als Feind, den es zu bekämpfen
galt. So gelang es der FDLR, quasi-staatliche Strukturen im Ostkongo
aufzubauen, beispielsweise Steuern und Zölle zu erheben sowie
den Abbau und Export der dort vorhandenen Bodenschätze zu
kontrollieren. Diese Lage änderte sich Ende 2008/Anfang 2009.
Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einer Annäherung der Regierungen
der DRC und der Republik Ruanda; beide Länder nahmen gemeinsam
den Kampf gegen die FDLR auf. Im Frühjahr 2009
führten die kongolesische Regierungsarmee und die ruandischen
Regierungstruppen gegen die FDLR die gemeinsamen
Militäraktionen "Umuja Wetu", "Kimia II" und "Amani Leo"
durch. Seit diesem Zeitpunkt war die FDLR wiederholt gezwungen, die
Herrschaft über von ihr kontrollierte Gebiete abzugeben, sich
zurück zu ziehen und neue Herrschaftsbereiche zu erobern.
Dabei wurde der Operationsschwerpunkt in letzter Zeit von Nord- nach
Süd-Kivu verlagert. Als Reaktion auf die Angriffe der
kongolesischen und
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ruandischen Truppen intensivierte die FDLR ihre Übergriffe
gegen die Zivilbevölkerung im Ostkongo. Dabei wurde die Devise
ausgegeben, eine humanitäre Katastrophe in der
Bürgerkriegsregion herbeizuführen, um die
Zivilbevölkerung gegen die Militäroffensive der
kongolesischen Armee aufzubringen. Die FDLR entwickelte die Strategie
der "operations punitives" bzw. "actions punitives". Die nicht mit der
FDLR kooperierenden Zivilpersonen - auch Frauen und Kinder - wurden von
ihr als Feinde betrachtet. Die einheimische Bevölkerung wurde
unter anderem durch in den Dörfern hinterlassene schriftliche
Mitteilungen für den Fall mit Straf- oder Racheaktionen
bedroht, dass sie nicht mit der FDLR zusammenarbeite. Diese Drohungen
wurden von der FDLR regelmäßig in die Tat umgesetzt;
es kam zu einer Vielzahl von gewaltsamen Übergriffen bis hin
zu Massakern, bei denen ganze Dörfer vernichtet und zahlreiche
Menschen getötet wurden. Auch sexuelle Gewalt gegen die
einheimische Zivilbevölkerung wurde als Teil der
Kampfstrategie der FDLR angewendet.
U. a. aufgrund von Zeugenaussagen in diesem Verfahren sind insbesondere
die folgenden Vorfälle der FDLR zuzuordnen:
8
- Am 13. Februar 2009 brannten Angehörige der FDLR als
Reaktion auf einen Angriff der kongolesischen Regierungstruppen
zahlreiche Häuser des Dorfes Kipopo im Territorium
Masisi/Nord-Kivu nieder. Bei der Aktion wurden mehr als ein Dutzend
Zivilisten getötet, von denen viele in ihren Häusern
verbrannten.
9
- Bei einem Vergeltungs- bzw. Racheangriff der FDLR auf das Dorf Mianga
im Territorium Walikale/Nord-Kivu am 12. April 2009 wurden ebenfalls
zahlreiche Häuser niedergebrannt und Zivilisten
getötet.
10
- Am 17. April 2009 griff die FDLR die Dörfer Luofo und Kasiki
im Territorium Lubero/Nord-Kivu an und setzte zahlreiche
Häuser in Brand. Auch bei die-
11
- 7 -
ser Aktion verbrannten mehrere Zivilisten. Ziel des Angriffs war es u.
a., internationale Organisationen auf die Situation aufmerksam zu
machen und so Druck auf die Regierung der Republik Ruanda
auszuüben, mit der FDLR zu verhandeln.
- Am 9. Mai 2009 wurden bei einem Angriff der FDLR im Rahmen der
"operations punitives" auf das Dorf Busurungi im Territorium
Walikale/Nord-Kivu eine große Anzahl Häuser
niedergebrannt und zivile Dorfbewohner umgebracht. Die Zeugin 1, die
ebenso wie der Zeuge 2 den Angriff als Einwohner Busurungis selbst
miterlebte, erhielt von einem Angehörigen der FDLR einen
Schlag mit einer Machete gegen den Kopf. Der Zeuge 2
überlebte, weil er sich in einem Gebüsch versteckte.
Von dort musste er u. a. ansehen, wie seine Nachbarn getötet
wurden.
12
- Am 10. Mai 2009 zündeten Mitglieder der FDLR das Dorf Ekingi
im Territorium Kalehe/Süd-Kivu an und töteten
zahlreiche Zivilisten. Dabei handelte es sich um eine Racheaktion der
FDLR, weil die kongolesische Dorfbevölkerung nicht mehr auf
ihrer Seite gewesen sei.
13
- In zahlreichen Fällen kam es zu schwersten
Körperverletzungen und sexuellen Gewalttaten von
Angehörigen der FDLR gegenüber der einheimischen
kongolesischen Bevölkerung, wobei insbesondere die
geschädigten Frauen vielfach brutal misshandelt wurden; sie
verstarben teilweise an den ihnen zugefügten Verletzungen.
14
- Die FDLR rekrutierte mehrfach Kinder im Alter von unter 15 Jahren.
Diese wurden teilweise als sog. Kadogos zu Hilfsarbeiten herangezogen,
teilweise erhielten sie noch im Kindesalter eine militärische
Ausbildung und beteiligten sich an den Kämpfen.
15
- 8 -
- Angehörige der FDLR pressten der einheimischen
Bevölkerung in zahlreichen Fällen Geld ab und stahlen
bei Bedarf Nahrung und sonstige ihnen besitzenswert erscheinende
Gegenstände wie Macheten oder Geschirr.
16
b) Die FDLR ist hierarchisch organisiert und nach sachlichen
Zuständigkeitsbereichen gegliedert; ihre Funktionäre
gehen arbeitsteilig vor. An der Spitze steht der Präsident,
der zugleich auch oberster militärischer Befehlshaber ist. Er
wird von zwei Vizepräsidenten vertreten, von denen der eine
für den administrativen Bereich und die
Außendarstellung, der andere für die
militärischen Belange zuständig ist. Weiteres
Mitglied der Führung ist der Exekutivsekretär, der
die operativen Tagesgeschäfte maßgeblich
mitbestimmt. Darüber hinaus gibt es in der politischen
Führung mehrere Exekutivkommissionen (z. B. für
Propaganda oder für Sicherheit) und ein sog. presidential
cabinet. Die FDLR ist darauf bedacht, sich nach außen als im
Kern politische Organisation darzustellen; sie erhebt den Anspruch,
gleichberechtigt an Verhandlungen über die Zukunft der
Kivu-Provinzen der DRC und die Rückführung der
Mitglieder der FDLR nach Ruanda mitzuwirken sowie dort an der Macht
beteiligt zu werden. Sie sieht letztlich ausschließlich
Angehörige der Volksgruppe der Hutu als berechtigt an, die
Macht in Ruanda auszuüben, und verfolgt deshalb das Ziel, die
Tutsi wieder zu vertreiben. Die FDLR verfügt über
eine militärische Unterorganisation, die "Forces Combattantes
Abacunguzi" (im Folgenden: FOCA), die maßgeblich in die
gegenwärtigen gewaltsamen Auseinandersetzungen in den
Provinzen Nord- und Süd-Kivu verwickelt ist. Die FOCA ist wie
eine Armee aufgebaut und verfügt über eine
bürokratische Struktur mit einem Oberkommando sowie
über ein Netzwerk zur Rekrutierung von Kämpfern. Sie
gliedert sich in zwei Divisionen sowie eine Reserve-Brigade und
hält Ausbildungseinheiten vor. Kommandeur und damit
militärischer Oberbefehlshaber der FOCA vor Ort im Kampfgebiet
ist Generalmajor Sylvestre Mudacumura (alias Bernard Mpenzi).
17
- 9 -
Die Entscheidungen der Führung der FOCA stehen unter dem
Vorbehalt der Billigung durch die FDLR-Gesamtorganisation.
c) Der Beschuldigte studierte ab dem Jahre 1989 in Deutschland; 1998
promovierte er an der Universität Köln auf dem Gebiet
der Wirtschaftswissenschaften. Während des Genozids in Ruanda
im Jahre 1994 und danach hielt er sich dauerhaft in der Bundesrepublik
Deutschland auf. Nach Gründung der FDLR übernahm er
das Amt des Beauftragten für Außenbeziehungen der
Organisation. Im Jahr 2001 wurde er zum Präsidenten der FDLR
gewählt. In der Folgezeit unternahm er wiederholt Reisen in
die DRC, um die dort maßgeblichen Mitglieder der Organisation
zu treffen, seine Stellung in der FDLR zu festigen, aber auch um eine
militärische Grundausbildung zu absolvieren. Im Juni 2005
wurde er erneut zum Präsidenten der FDLR gewählt.
Nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen die FDLR ein
Embargo verhängt hatte, ergriff er auch gegen den
Beschuldigten Maßnahmen in Form von
Reisebeschränkungen und Restriktionen für
Finanztransfers. Die Stadt Mannheim verbot dem Beschuldigten mit
Bescheid vom 2. Mai 2006, sich politisch zu äußern
und für die FDLR zu betätigen. Nach Missachtung
dieses Verbots durch Presseerklärungen und
Internetveröffentlichungen in der Zeit von September 2007 bis
November 2008 wurde der Beschuldigte im Juni 2009 vom Landgericht
Mannheim wegen mehrfachen Verstoßes gegen § 95 Abs.
1 Nr. 4 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 2 AufenthaltsG zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beschuldigte wurde in der
Bundesrepublik Deutschland zunächst als Asylberechtigter
anerkannt. Mit Bescheid vom 22. Februar 2006 wurde die Anerkennung mit
der Begründung widerrufen, der Beschuldigte sei als
Vorsitzender der FDLR für die von deren Kämpfern im
Osten der DRC begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und
Kriegsverbrechen verantwortlich. Zudem rechtfertige seine Nennung in
der Liste der Verletzer des von den Vereinten Nationen
verhängten
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- 10 -
Waffenembargos gegen die DRC die Annahme, dass er sich Handlungen habe
zu Schulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der
Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde
vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durch - nicht
rechtskräftiges - Urteil vom 13. Dezember 2009 abgewiesen.
Der Beschuldigte genießt innerhalb der FDLR bzw. FOCA eine
uneingeschränkte Autorität. Er nimmt nicht lediglich
nominell die Stellung des Präsidenten der FDLR ein; er ist
vielmehr auch tatsächlich der höchste Führer
der in der DRC operierenden Streitkräfte. Als solcher hatte er
maßgeblichen Einfluss auf das Kriegsgeschehen in den
Bürgerkriegsprovinzen der DRC und auf die dortigen, von
Mitgliedern der FDLR begangenen Verstöße gegen das
humanitäre Völkerrecht. Der Beschuldigte hielt sich
im Tatzeitraum zwar in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er stand
jedoch in regem und kontinuierlichem Austausch mit den verantwortlichen
Führern der FOCA vor Ort und ließ sich über
die aktuelle militärische Lage in Nord- und Süd-Kivu
fortlaufend informieren. Er gab die Richtlinien der FDLR vor und
initiierte auch strategische militärische Pläne. Ihm
wurden Entscheidungsvorschläge zur militärischen
Planung unterbreitet, die er teilweise annahm, teilweise
veränderte und in seltenen Fällen ablehnte. Er ist
selbst niederrangigen FDLR-Milizionären namentlich bekannt.
Seine Kenntnis von der tatsächlichen Situation im Osten der
DRC umfasste das Wissen um die von den Mitgliedern seiner Organisation
begangenen Gräueltaten. Die Strategie der FDLR, im Rahmen des
Kampfes gegen die jeweiligen Kriegsgegner auch und gerade in den Jahren
2008 und 2009 gewaltsam gegen die im Kampfgebiet ansässige
Zivilbevölkerung vorzugehen, war dem Beschuldigten bekannt.
Ihm war bewusst, dass die Kämpfer der FDLR als Mittel des
Kampfes und der Disziplinierung der Zivilbevölkerung auch
Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Plünderungen sowie
Entführungen einsetzten und selbst vor Tötungen nicht
zurückschreckten. Als allgemein in der FDLR bzw. FOCA
19
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anerkannter und respektierter oberster Führer war er in der
Lage, andere führende FDLR-Mitglieder, die sich seinen
Anweisungen widersetzten, aus dem Weg zu räumen und
dafür zu sorgen, dass ausstiegswillige FDLR-Kämpfer
mit Bestrafungen von ihrem Vorhaben abgebracht wurden. Aufgrund seiner
unumschränkten Befehls- und Verfügungsgewalt hatte er
somit auch die Möglichkeit, die Übergriffe gegen die
Zivilbevölkerung, deren er sich bewusst war, durch
entsprechende Direktiven zu verhindern.
2. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den Bekundungen
zahlreicher Zeugen, den durch die Beschlagnahme des E-Mail-Verkehrs des
Beschuldigten und die Überwachung seiner Telekommunikation
gewonnenen Erkenntnissen sowie aus Berichten der Vereinten Nationen,
deren Teilorganisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen.
Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die
ausführlichen Darlegungen in dem Haftbefehl vom 16. November
2009, dem Haftfortdauerbeschluss vom 1. April 2010, sowie den
Schriftsätzen des Generalbundesanwalts vom 22. Februar und 11.
Mai 2010 Bezug. Die bisher ermittelten Beweise begründen bei
der gebotenen vorläufigen Würdigung auch unter
Beachtung der Einlassung des Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter
des Bundesgerichtshofs anlässlich seiner Haftprüfung
am 30. März 2010 eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür,
dass der Beschuldigte Straftaten nach den §§ 4, 7, 8
VStGB sowie den §§ 129 a, 129 b StGB begangen hat.
20
Bezüglich der in diesem Verfahren vernommenen Zeugen verweist
der Senat beispielhaft auf die Bekundungen des Zeugen H. zu dem Angriff
der FDLR auf das Dorf Kipopo, die Aussagen der Zeugen N. und B. zu der
Verwüstung des Dorfes Mianga, die Angaben des Zeugen B. zu den
Übergriffen in den Dörfern Luofo und Kasiki, die
Beschreibungen der Zeugen 1 und 2, N. sowie B. zu dem Massaker von
Busurungi und die Schilderung des Zeugen B. zu dem Überfall
auf das Dorf
21
- 12 -
Ekingi. Die Zeugen 7 und 9 haben von zahlreichen weiteren, in diesem
Beschluss nicht im Einzelnen aufgeführten
Zerstörungen von Dörfern durch die FDLR im Jahre 2009
berichtet. Dem Zeugen 9 wurde dabei von einem Angehörigen der
FDLR durch einen Hieb mit einer Machete ein Teil seiner Hand
abgetrennt. Die Zeuginnen 4, 5, 8 und 10 haben anschaulich massive
sexuelle Übergriffe durch Angehörige der FDLR
geschildert. Die Zeugen T. , Nt. , B. und Ng. haben zu der Rekrutierung
und dem Einsatz von Kindersoldaten Angaben gemacht. Die Zeugen 5 und 9
sowie der Zeuge Ha. haben von der Ausbeutung der
Zivilbevölkerung durch die FDLR berichtet.
Die Rolle des Beschuldigten in der FDLR und seine
Möglichkeiten, auf das Geschehen im Ostkongo Einfluss zu
nehmen, werden belegt durch die aufgrund der Beschlagnahme des
E-Mail-Verkehrs und der Überwachung der Telekommunikation des
Beschuldigten gewonnenen Erkenntnisse sowie die Aussagen etwa der
Zeugen W. , Hi. , M. , R. , Bi. , B. , N. und Ng. . Der Beschuldigte
selbst hat in einem Interview für den TV-Sender MDR im
Oktober/November 2008 betont, er als Präsident der FDLR wisse
ganz genau, was in der FDLR passiere. In einem weiteren Interview hat
er am 10. August 2009 erklärt, er sei der Präsident
und stehe dem militärischen und politischen Arm vor. Als
solcher sei er der Oberbefehlshaber.
22
3. Danach besteht der dringende Tatverdacht, dass die in der DRC
operierenden Angehörigen der FDLR Verbrechen gegen die
Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 6 VStGB,
Kriegsverbrechen gegen Personen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4
und 5 VStGB sowie Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte
nach § 9 Abs. 1 VStGB begangen haben, für die der
Beschuldigte als Vorgesetzter nach § 4 VStGB strafrechtlich
verantwortlich ist. Daneben
23
- 13 -
hat sich der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen
Rädelsführerschaft in einer terroristischen
Vereinigung im Ausland nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4,
§ 129 b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
a) Für die Strafbarkeit nach dem
Völkerstrafgesetzbuch gilt:
aa) Nach dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 VStGB macht sich
strafbar, wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs
gegen eine Zivilbevölkerung und damit einer Gesamttat
zumindest eine der in den Nummern 1 bis 10 näher
aufgeführten Tatbestandsalternativen verwirklicht (vgl.
Zimmermann NJW 2002, 3068, 3069; Werle/Jeßberger JZ 2002,
725, 727 f.).
24
(1) Ein Angriff gegen eine Zivilbevölkerung ist nach der
Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2 (a) IStGH-Statut eine Verhaltensweise,
die mit der mehrfachen Begehung der in Art. 7 Abs. 1 IStGH-Statut
genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung verbunden
ist, in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik
eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum
Ziel hat. Hinter dem Angriff muss also ein Kollektiv stehen, bei dem es
sich allerdings nicht notwendigerweise um einen Staat im
Völkerrechtssinne zu handeln braucht. Somit ist ein
militärischer Angriff im Sinne des humanitären
Völkerrechts zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich
(BTDrucks. 14/8524 S. 20).
25
Diese Voraussetzungen liegen mit Blick auf die zahlreichen gewaltsamen
Übergriffe der FDLR auf die in den Provinzen Nord- und
Süd-Kivu der DRC lebende einheimische
Zivilbevölkerung vor. Dabei bedarf es keiner näheren
Betrachtung, ob zur Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals auch im
Rahmen des § 7 Abs. 1 VStGB das in Art. 7 Abs. 2 (a)
IStGH-Statut genannte "Politikelement" erforderlich oder dieses
entbehrlich ist (vgl. Werle/Burchards in MünchKomm §
7 VStGB Rdn. 30 ff.); denn die Gewalttaten gegen die Zivilbe-
26
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völkerung beruhten auf der Politik der FDLR, die diese
Übergriffe als Mittel des Kampfes einsetzte, um die
kongolesische Zivilbevölkerung für ihre Zwecke
gefügig zu machen, ihren Herrschafts- und Einflussbereich zu
sichern bzw. auszubauen und Druck auf die DRC, Ruanda sowie die
internationale Gemeinschaft auszuüben.
(2) Ein Angriff ist dann ausgedehnt, wenn er in einem großen
Umfang durchgeführt wird und mit einer erheblichen Anzahl von
Opfern in der Zivilbevölkerung verbunden ist. Dies kann sich
insbesondere daraus ergeben, dass er sich gegen eine Vielzahl von
Personen richtet oder sich über ein großes
geografisches Gebiet erstreckt. Er kann auch in einer einzigen Handlung
bestehen, wenn dieser zahlreiche Zivilpersonen zum Opfer fallen. Ein
Angriff ist systematisch, wenn die Gewaltanwendung organisiert ist und
planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns
ausgeführt wird (Werle/Burchards aaO Rdn. 25 ff.).
27
Auch diese Voraussetzungen sind jedenfalls für die Zeit ab dem
Beginn des Jahres 2009 sowohl bezüglich des quantitativen als
auch des qualitativen Elements gegeben. Die Übergriffe auf die
Zivilbevölkerung führten zu zahlreichen Opfern. Die
Gewalt wurde nicht nur isoliert und zufällig angewendet;
vielmehr wurde sie - etwa in Form von Strafaktionen im Rahmen der
"operations punitives" - der Strategie der FDLR folgend
instrumentalisiert und regelmäßig
ausgeführt, um die Zivilbevölkerung zur
Loyalität gegenüber der Organisation zu "erziehen".
28
(3) Im Rahmen dieses Angriffs verursachten Angehörige der FDLR
durch ihr Verhalten vorsätzlich den Tod zahlreicher Menschen
(§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und verübten eine Vielzahl
von sexuellen Gewaltverbrechen (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB).
29
- 15 -
bb) Wegen Kriegsverbrechen gegen Personen macht sich nach § 8
Abs. 1 VStGB strafbar, wer im Zusammenhang mit einem internationalen
oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine der in den Nummern
1 bis 9 umschriebenen Handlungen begeht. Anders als bei den Verbrechen
gegen die Menschlichkeit nach § 7 VStGB ist hier die
Einbettung der Taten in einen ausgedehnten oder systematischen Angriff
gegen die Zivilbevölkerung nicht erforderlich.
30
(1) Bei den Kämpfen zwischen der FDLR und den kongolesischen
bzw. ruandischen Truppen im Osten der DRC handelt es sich um einen
bewaffneten Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB.
Maßgebend hierfür ist, dass Waffengewalt eingesetzt
wird und diese einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist.
Formelle Voraussetzungen wie etwa eine förmliche
Kriegserklärung sind nicht entscheidend. Die seit Jahren
andauernden heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten
gehen über nicht von der Norm erfasste innere Unruhen und
Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und
ähnliche Handlungen weit hinaus. Die FDLR ist aufgrund ihrer
Struktur und ihres Organisationsgrades als taugliche Konfliktpartei
anzusehen (vgl. Ambos in MünchKomm vor §§ 8
ff. VStGB Rdn. 23).
31
(2) Für die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 8
Abs. 1 VStGB bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob die
Auseinandersetzungen zwischen der FDLR und ihren Gegnern im Osten der
DRC als internationaler oder nichtinternationaler Konflikt zu bewerten
sind. Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit die Unterscheidung des
IStGH-Statuts zwischen Kriegsverbrechen im internationalen und
(Bürger)Kriegsverbrechen im nichtinternationalen Konflikt als
wesentliches Strukturprinzip für den Gesetzesaufbau aufgegeben
(BTDrucks. 14/8524 S. 24; Werle/Jeßberger JZ 2002, 725, 731
f.).
32
- 16 -
(3) Es besteht ein dringender Tatverdacht dahin, dass
Angehörige der FDLR im Zusammenhang mit den bewaffneten
Auseinandersetzungen zahlreiche - nach dem humanitären
Völkerrecht zu schützende - Zivilpersonen
getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB), sie durch
Zufügung erheblicher körperlicher und seelischer
Schäden (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 VStGB) grausam oder
unmenschlich behandelt, sie sexuell genötigt und vergewaltigt
(§ 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB) sowie Kinder unter 15 Jahren in die
FDLR eingegliedert und sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten
verwendet haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 VStGB). Diese Taten
entsprachen der Kampfstrategie der FDLR; sie standen deshalb in einem
funktionalen Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt und geschahen
nicht lediglich "bei Gelegenheit" desselben (BTDrucks. 14/8524 S. 25;
Zimmermann NJW 2002, 3068, 3070).
33
cc) Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Angehörige
der FDLR daneben Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte
nach § 9 Abs. 1 VStGB begangen, indem sie im Zusammenhang mit
einem internationalen oder nicht-internationalen bewaffneten Konflikt
im Rahmen ihrer Aktionen gegen die Zivilbevölkerung dieser
Nahrung und sonstige Gegenstände weggenommen und damit
geplündert haben. Eine Plünderung liegt entsprechend
der in § 125 a Satz 2 Nr. 4 StGB gebrauchten Umschreibung
(BTDrucks. 14/8524 S. 31) vor, wenn unter Ausnutzung der
Gesamtsituation fremde bewegliche Sachen gestohlen oder einem anderen
in Zueignungsabsicht abgenötigt werden (vgl. BGH JZ 1952,
369); der Begriff umfasst im Ergebnis alle Formen der rechtswidrigen
Aneignung von Eigentum in einem bewaffneten Konflikt. Er kann durch
isolierte Taten einzelner Kämpfer verwirklicht werden oder
Teil einer organisierten Aneignung und systematischen Ausbeutung eines
besetzten oder militärisch kontrollierten Gebietes sein (vgl.
Ambos aaO § 9 VStGB Rdn. 6 f.). Diese Voraussetzungen sind
durch das bisherige Ermittlungsergebnis im Sinne eines dringenden
Tatverdachts ausreichend belegt.
34
- 17 -
dd) Der Beschuldigte ist mit hoher Wahrscheinlichkeit für die
von den Angehörigen der FDLR begangenen
Verstöße gegen das VStGB als Vorgesetzter nach
§ 4 VStGB strafrechtlich verantwortlich. Nach dieser
Vorschrift werden militärische und zivile Vorgesetzte wie ein
Täter der von ihren Untergebenen begangenen Straftaten nach
dem Völkerstrafgesetzbuch bestraft, wenn sie diese Straftaten
bewusst geschehen lassen. Danach wird im Unterschied zu den allgemeinen
Regeln des deutschen Strafrechts zum einen auch eine bloße
Unterstützung der Straftat eines Untergebenen durch Nichtstun
als Täterschaft des Vorgesetzten eingestuft, ohne dass es auf
eine Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im
Einzelfall ankommt. Zum anderen bleibt dem untätigen
Vorgesetzten aufgrund seiner besonderen Verantwortung die
Möglichkeit der Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB
versagt (BTDrucks. 14/8524 S. 19; vgl. im Einzelnen auch Weigend, ZStW
116 [2004], 999).
35
(1) Als militärischer Befehlshaber gilt, wer die faktisch
ausübbare, gegebenenfalls auch rechtlich fundierte
Möglichkeit hat, Untergebenen verbindliche Anweisungen zu
erteilen und die Ausführung dieser Anweisungen durchzusetzen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist innerhalb einer
militärischen Hierarchie jedes Glied der Befehlskette als
Befehlshaber anzusehen. Befehlshaber kann demnach sowohl der oberste
Führer als auch ein unterer Führer sein, dem nur eine
kleine Gruppe von Kämpfern untersteht. Hieraus folgt, dass
mehrere Vorgesetzte unterschiedlicher Ebenen für ein und
dieselbe Straftat eines Untergebenen gleichermaßen nach
§ 4 VStGB verantwortlich sein können. Allein der
Titel oder die formelle rechtliche Stellung vermag eine Haftung nach
§ 4 VStGB nicht zu begründen. Hinzukommen muss stets,
dass der Vorgesetzte die Möglichkeit hat, das Verhalten seiner
Untergebenen faktisch zu bestimmen, insbesondere Straftaten wirksam zu
unterbinden (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1008). Innerhalb von
Entscheidungsgremien sind nicht ohne Weiteres alle Mitglieder
Vorgesetzte im Sinne des § 4 VStGB. Auch hier kommt es
maßgebend
36
- 18 -
auf die Befugnis an, die gemeinsam getroffene Entscheidung
gegenüber den Untergebenen verbindlich anzuordnen (vgl.
Weigend in MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 17 ff.). Personen
wie Stabsoffiziere oder Militärberater, die zwar
tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung, aber
keine unmittelbare Befehlsgewalt besitzen, fallen nicht in den
Anwendungsbereich der Vorgesetztenverantwortlichkeit (Weigend ZStW 116
[2004], 999, 1009).
Nach diesen Maßstäben ist der Beschuldigte mit hoher
Wahrscheinlichkeit als Vorgesetzter im Sinne des § 4 VStGB
anzusehen. Er war nicht nur nominell Präsident der FDLR,
sondern übte auch faktisch die Funktion des obersten
militärischen Befehlshabers aus. Nach dem bisherigen Ergebnis
der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass er in ständigem
Kontakt mit den Entscheidungsträgern vor Ort stand und
tatsächlich sowie nach den innerhalb der FDLR bestehenden
Befehlsstrukturen in der Lage war, für deren Verbände
verbindliche Anweisungen strategischen Inhalts, aber auch für
konkrete Kampfhandlungen und -methoden zu erteilen.
37
(2) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorgesetzten nach
§ 4 VStGB erfordert, dass er es unterlässt, den
Untergebenen an der Tat zu hindern. Diese Voraussetzungen sind hier
gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob der Vorgesetzte dem Wortlaut des
§ 4 VStGB folgend eine Strafbarkeit wegen der Tat des
Untergebenen nur dann vermeiden kann, wenn er erfolgreich in dem Sinne
tätig wird, dass die Tat aufgrund seiner Intervention
unterbleibt, oder ob es ausreicht, dass der Vorgesetzte alles tut, was
in seiner Macht steht und was angemessen und erforderlich ist, um den
Untergebenen von der Tat abzubringen (vgl. Weigend in
MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 47 ff.). Denn nach dem
bisherigen Ermittlungsergebnis hat der Beschuldigte keine ernsthaften
und nachhaltigen Maßnahmen ergriffen, um die ihm bekannten
gewalttätigen Übergriffe auf die kongolesische
Zivilbevölkerung zu verhindern. Diese waren viel-
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- 19 -
mehr wesentlicher Bestandteil der maßgeblich von dem
Beschuldigten geprägten allgemeinen militärischen und
politischen Strategie der FDLR, mit der sie ihre Ziele zu erreichen
trachtete.
(3) In subjektiver Hinsicht ist gemäß § 2
VStGB i. V. m. § 15 StGB mindestens bedingter Vorsatz
hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale erforderlich (Satzger
NStZ 2002, 125, 127 f.).
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(a) Im Gegensatz zur völkerstrafrechtlichen
Vorgesetztenverantwortlichkeit reicht im Rahmen des § 4 VStGB
auch für militärische Vorgesetzte somit
Fahrlässigkeit nicht aus. Die Regelung des
Völkerstrafgesetzbuchs bleibt damit hinter derjenigen nach
Art. 28 IStGH-Statut zurück. Der Vorsatz muss sich
zunächst auf die Merkmale der Vorgesetzteneigenschaft des
Täters sowie den Umstand beziehen, dass der konkret handelnde
Täter sein Untergebener ist; auch muss der Vorgesetzte wissen
oder es konkret für möglich halten, dass er durch
Ausübung seiner Befehls- oder Führungsgewalt die
Ausführung der Tat des Untergebenen verhindern kann.
40
Der Vorgesetzte muss ferner erkennen oder mit der konkreten
Möglichkeit rechnen, dass der Untergebene eine Straftat nach
dem VStGB zu begehen beabsichtigt. Dabei reicht es jedenfalls aus, wenn
sein bedingter Vorsatz die Art der zu begehenden Straftat - etwa
Tötungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder § 8 Abs.
1 Nr. 1 VStGB - umfasst und sich weiter darauf erstreckt, dass
derartige Taten bei dem Einsatz der ihm unterstellten Truppen im
Kampfgebiet begangen werden. Ein hierüber hinausgehendes
Detailwissen ist nicht erforderlich. Ob sogar die Kenntnis von einer
bloß abstrakten Möglichkeit der Begehung von
Menschlichkeits- oder Kriegsverbrechen durch einen Untergebenen
ausreicht, um den notwendigen Vorsatz des Vorgesetzten zu
begründen (vgl. die Nach-
41
- 20 -
weise bei Weigend aaO Rdn. 56), bedarf hier vor dem Hintergrund des
Ermittlungsergebnisses keiner Entscheidung.
Liegen die dargelegten Voraussetzungen vor, so beseitigen Abweichungen
etwa hinsichtlich der Ausführungsweise oder der Schwere des
durch den Untergebenen begangenen Unrechts die
Vorgesetztenverantwortlichkeit nicht. Allerdings scheidet die
Strafbarkeit des Vorgesetzten nach § 4 VStGB aus, wenn der
Untergebene eine qualitativ andere Straftat nach dem
Völkerstrafgesetzbuch begeht als diejenige die der Vorgesetzte
erwartet hat und geschehen lassen wollte (z. B. eine Vergewaltigung
nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB statt der vom Vorgesetzten
erwarteten Plünderung nach § 9 Abs. 1 VStGB oder
umgekehrt, vgl. insoweit zutreffend Weigend aaO Rdn. 57).
42
Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass der Vorgesetzte
- etwa den bei der Anstiftung nach § 26 StGB oder der
Beteiligung nach § 30 StGB entwickelten Grundsätzen
entsprechend - eine wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in
den wesentlichen Merkmalen und Grundzügen konkretisierte
Haupttat vor Augen haben muss (so aber Weigend aaO Rdn. 56). Der
Wortlaut der Norm erfordert eine derart einschränkende
Auslegung nicht. Die undifferenzierte Übertragung der bei der
Beteiligung an Straftaten nach den Maßgaben des Allgemeinen
Teil des deutschen Strafgesetzbuchs entwickelten Grundsätze
widerspricht zudem dem Sinn und Zweck des § 4 VStGB; sie
würde den spezifischen Besonderheiten der Zurechnung von
Verstößen gegen das Völkerstrafgesetzbuch
in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Dieses unterscheidet sich vom
allgemeinen Strafgesetzbuch namentlich dadurch, dass es den
regelmäßig kollektiven Charakter der von ihm
erfassten Delikte in den Vordergrund stellt. Zentraler Aspekt seiner
Strafkonzeption ist gerade die Ahndung der Tatbeteiligung einer
Vielzahl von Personen, die auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen
an der Deliktsverwirklichung mitwirken. Mit Blick auf die -
völkerstraf-
43
- 21 -
rechtliche - Vorprägung des Gesetzes ist es unabdingbar, diese
Besonderheiten bei dessen Auslegung wesentlich mit einzubeziehen (vgl.
Zimmermann NJW 2002, 3068, 3069). Hieraus folgt:
Zum einen trifft die Pflicht, Straftaten eines Untergebenen nach dem
Völkerstrafgesetzbuch zu verhindern, den Vorgesetzten nicht
erst dann, wenn ihm die zu begehende Straftat in ihren wesentlichen
Merkmalen bekannt ist. Denn von dem ihm unterstellten Personal geht
regelmäßig etwa aufgrund von deren Bewaffnung eine
große Gefahr für besonders hochwertige
Rechtsgüter bis hin zu Leib und Leben der potentiellen Opfer
aus (Weigend ZStW 116 [2004], 999, 1003). Dieses Gefahrenpotential
begründet eine besondere Verantwortung des Vorgesetzten
(BTDrucks. 14/8524 S. 18 f.) und macht es in besonderer Weise
erforderlich, dass dieser die ihm Untergebenen zu einer rechtskonformen
Ausübung ihres Einsatzes anhält. Die Allgemeinheit
muss deshalb darauf vertrauen können, dass der Befehlshaber
die Gefahren, die mit bewaffneten Einheiten immer latent verbunden
sind, durch geeignete Maßnahmen frühzeitig unter
Kontrolle hält und nicht erst eingreift, wenn ihm Straftaten
in konkretisierter Form bekannt werden.
44
Zum anderen bezweckt § 4 VStGB nicht nur die Zurechnung von
Straftaten Untergebener auf Vorgesetzte, die mit dem konkreten
Geschehen vor Ort derart intensiv betraut sind, dass ihr bedingter
Vorsatz sogar Einzelheiten der in Betracht kommenden
Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch
umfasst. Zur Rechenschaft gezogen werden sollen vielmehr gerade auch
Vorgesetzte, die an der Spitze der Befehlskette stehen und damit
regelmäßig von dem tatsächlichen Geschehen
vor Ort so weit entfernt sind, dass sie keine detaillierten Kenntnisse
etwa bezüglich des genauen Ortes, der genauen Zeit und der
konkreten Opfer haben. Die Vorschrift würde weitgehend leer
laufen und könnte die ihr zugedachte Funktion nur in
äußerst eingeschränktem Umfang
erfüllen, woll-
45
- 22 -
te man an den Vorsatz des Vorgesetzten bezüglich der von dem
Untergebenen zu begehenden Straftat zu hohe Anforderungen stellen. Dies
wird besonders deutlich in Fällen wie dem vorliegenden, die
ihr wesentliches Gepräge dadurch erhalten, dass die
Verstöße gegen das Völkerstrafgesetzbuch
Teil der allgemeinen Strategie der Organisation sind. Diese allgemeinen
Direktiven gehen indes regelmäßig von den
Führern der Organisation aus; gerade diese wären bei
zu hohen Anforderungen an das Wissenselement des Vorsatzes mangels
ausreichend konkreter Kenntnisse von den einzelnen Übergriffen
von der Haftung nach § 4 VStGB ausgenommen.
Schließlich kommt hinzu, dass im Rahmen bewaffneter
Auseinandersetzungen sich typischerweise häufig erst
kurzfristig ergibt, welche genauen Straftaten nach dem
Völkerstrafgesetzbuch in Betracht kommen, so dass die
Zurechnung der Taten nach § 4 VStGB auch aus diesem Grunde nur
ganz eingeschränkt möglich wäre, wollte man
detaillierte Kenntnisse des Vorgesetzten verlangen.
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(b) Nach diesen Maßstäben ist der dringende
Tatverdacht auch für den Vorsatz des Beschuldigten zu bejahen.
Ihm war die Strategie der FDLR bewusst, gewaltsame Übergriffe
gegen die Zivilbevölkerung als Mittel des Kampfes einzusetzen.
Aufgrund zahlreicher Informationsquellen, darunter persönliche
Unterrichtungen durch die örtlichen Kommandanten der FDLR bzw.
FOCA im Ostkongo war ihm bekannt, dass diese Strategie auch
tatsächlich umgesetzt wurde und es dabei zu zahlreichen
Verstößen gegen das Völkerstrafgesetzbuch
in der dargelegten jeweiligen Art kam. Er war sich darüber im
Klaren, dass die ihm unterstehenden Milizionäre etwa
Tötungen, Vergewaltigungen, schwere
Körperverletzungen und Plünderungen begingen sowie
Kindersoldaten rekrutierten und einsetzten, solange er dies nicht
unterbinden würde. Dass er möglicherweise nicht in
jedem Einzelfall im Vorhinein die dann tatsächlich begange-
47
- 23 -
nen Straftaten konkret kannte, steht seiner strafrechtlichen
Verantwortung nach § 4 VStGB nach alldem im Ergebnis nicht
entgegen.
b) Für die Strafbarkeit nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 4, § 129 b StGB gilt:
48
aa) Die FDLR stellt aufgrund ihrer Organisationsstruktur, der Anzahl
und willensmäßigen Einbindung ihrer Mitglieder sowie
der Dauerhaftigkeit der Verbindung eine Vereinigung im Ausland im Sinne
der §§ 129, 129 a, 129 b StGB dar (vgl. hierzu im
Einzelnen BGH NJW 2009, 3448, 3459 f.; 2010, 1979, 1981).
49
Das Vorliegen einer Vereinigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass
die FDLR auch als militärische Organisation nach den
§§ 7, 8 VStGB anzusehen ist (vgl. Werle/Burchards in
MünchKomm § 7 VStGB Rdn. 35; aA wohl Weigend in
MünchKomm § 4 VStGB Rdn. 23). Weder der Wortlaut noch
der Sinn und Zweck der §§ 129 ff. StGB oder der
§§ 7 ff. VStGB legen eine solche Ansicht nahe. Das
Völkerstrafgesetzbuch trifft keine abschließende
Sonderregelung für Straftaten, die in bewaffneten Konflikten
oder im Zusammenhang mit Angriffen gegen die Zivilbevölkerung
begangen werden (BTDrucks. 14/8524 S. 13). Nach § 129 a Abs. 1
Nr. 1 StGB können die Zwecke oder Tätigkeit einer
terroristischen Vereinigung vielmehr gerade darauf gerichtet sein,
Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen. Es ist
nicht ersichtlich, aus welchem Grund dies nur für
Verbände gelten soll, die im Normgefüge des
Völkerstrafgesetzbuchs keine Rolle spielen können.
Der Schutzzweck der §§ 129 ff. StGB würde
ebenfalls nicht unerheblich beeinträchtigt, wenn
militärische Einheiten von vorneherein aus dem
Anwendungsbereich der Vorschriften herausfielen; denn gerade von
solchen Gruppierungen gehen regelmäßig etwa aufgrund
ihrer Bewaffnung und Struktur besondere Gefahren für die
öffentliche Sicherheit aus. Verwirklicht ein Täter
durch sein Verhalten sowohl einen Tatbestand des
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- 24 -
allgemeinen Strafrechts als auch einen solchen des
Völkerstrafgesetzbuchs, so gelten die allgemeinen
Konkurrenzregeln (BTDrucks. 14/8524 S. 13). Deshalb gilt für
das Verhältnis zwischen den §§ 129 ff. StGB
und den von dem Täter in Verfolgung des Zwecks der Vereinigung
ausgeführten Straftaten keine Besonderheiten, wenn als
konkrete Straftaten solche nach dem Völkerstrafgesetzbuch in
Rede stehen.
bb) Die Zwecke oder Tätigkeit der FDLR sind darauf gerichtet,
Straftaten nach § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB, namentlich
Tötungsdelikte und Straftaten nach den §§ 7,
8 VStGB, zu begehen. Hierfür genügt es, wenn sich die
Mitglieder der Vereinigung bewusst sind, dass es bei der Verfolgung
ihrer Pläne zur Begehung von Katalogtaten kommen kann und sie
dies auch wollen; die Vereinigung muss nicht ausschließlich
das Ziel der Begehung solcher Taten verfolgen.
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cc) Der Beschuldigte hat sich an dieser Vereinigung durch seine in der
Bundesrepublik Deutschland entfalteten umfangreichen
Tätigkeiten für die FDLR als Mitglied beteiligt. Als
Präsident hatte er innerhalb der FDLR eine
maßgebliche Führungsrolle inne, so dass er als
Rädelsführer im Sinne des § 129 a Abs. 4
StGB anzusehen ist.
52
dd) Die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz
gemäß § 129 b Abs. 1 Satz 3 StGB zur
Verfolgung von Taten nach den §§ 129 a, 129 b StGB in
Deutschland, die im Zusammenhang mit der FDLR stehen, wurde am 8.
Dezember 2008 erteilt.
53
4. Bereits der dringende Tatverdacht bezüglich der genannten
Delikte rechtfertigt die Fortdauer der Untersuchungshaft. Es bedarf
deshalb keiner näheren Betrachtung, ob der Beschuldigte
weitere Verstöße gegen das
Völkerstrafgesetzbuch, etwa wie im Haftbefehl angenommen nach
§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 6 und 9, § 11 Abs. 1 Nr. 4 VStGB,
jeweils i. V. m. § 4 VStGB, begangen hat. Der
54
- 25 -
Senat weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin,
dass die endgültige Bewertung der Beweislage gegebenenfalls
nach Durchführung der Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung
zu treffen sein wird. Erst auf der Grundlage von deren Ergebnis wird
auch abschließend zu beurteilen sein, ob sich eine
für eine Verurteilung ausreichende richterliche
Überzeugung insbesondere von denjenigen Übergriffen
auf die kongolesische Zivilbevölkerung bilden lässt,
für die unmittelbare Tatzeugen nicht zur Verfügung
stehen und die nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen etwa
lediglich durch Berichte verschiedener Organisationen mittelbar belegt
sind.
5. Da der Beschuldigte der Rädelsführerschaft in
einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129 a Abs. 1
Nr. 1, Abs. 4, § 129 b StGB) dringend verdächtig ist,
liegt der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112
Abs. 3 StPO) vor. Daneben sind die Haftgründe der Flucht- und
der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO)
gegeben.
55
Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer
erheblichen, unter Umständen sogar lebenslangen
Freiheitsstrafe zu rechnen. Von dieser Straferwartung geht ein hoher
Fluchtanreiz aus. Dem stehen ausreichend gewichtige, die Fluchtgefahr
hemmende Umstände nicht entgegen. Es ist deshalb
wahrscheinlicher, dass der Beschuldigte, in Freiheit belassen, sich dem
Verfahren entziehen als sich ihm stellen wird.
56
Daneben sind für den Fall, dass der Beschuldigte nicht in Haft
gehalten wird, mit großer Wahrscheinlichkeit
Verdunkelungshandlungen zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass er
als Präsident der FDLR Kontakt zu seinen Untergebenen in der
DRC aufnehmen und diese veranlassen würde, auf die namentlich
bekannten Zeugen in unlauterer Weise einzuwirken, um diese an weiteren
Aussagen zu hindern. Daneben ist zu erwarten, dass versucht werden
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- 26 -
würde, die anonymisierten Opferzeugen ausfindig zu machen, um
sie ebenfalls von weiteren Bekundungen abzuhalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat jeweils auf die
zutreffenden Ausführungen in dem Haftbefehl vom 16. November
2009 und dem Haftfortdauerbeschluss des Ermittlungsrichters des
Bundesgerichtshofs vom 1. April 2010 Bezug.
58
Unter diesen Umständen vermögen Maßnahmen
nach § 116 Abs. 1, 2 StPO nicht die Erwartung zu
begründen, dass durch sie der Zweck der Untersuchungshaft auch
erreicht werden kann bzw. die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindert
wird.
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6. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der
Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121
Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere
Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und
rechtfertigen die Fortdauer der Untersuchungshaft.
60
Nach der Festnahme des Beschuldigten waren zahlreiche, zum Teil
aufwändige und zeitintensive Ermittlungsmaßnahmen
vorzunehmen. Das Tatgeschehen hat sich zu einem großen Teil
in der DRC und damit in einem zentral-afrikanischen Land zugetragen.
Seine Aufarbeitung durch die deutschen
Strafverfolgungsbehörden erfordert u. a. zahlreiche
Ermittlungshandlungen im Rechtshilfewege. Sowohl die Stellung der
Rechtshilfeersuchen an mehrere Länder sowie die Vereinten
Nationen als auch die Durchführung der erbetenen Rechtshilfe
sind mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Dies gilt insbesondere
für die Vernehmung von Zeugen in der DRC. Die dortige
gegenwärtige Situation erfordert intensive Maßnahmen
zur Lokalisierung von aussagebereiten Zeugen sowie zur Vorbereitung und
Durchführung der Vernehmungen. Hin-
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- 27 -
zu kommt, dass sich die Auswertung der überwachten
Telekommunikation des Beschuldigten sowie der anlässlich der
Durchsuchung sichergestellten Dokumente als besonders zeit- und
arbeitsintensiv darstellt. So müssen etwa die zum
größten Teil in der Sprache Kiryawanda
geführten Gespräche in die deutsche Sprache
übersetzt werden, was sich auch deswegen als schwierig
gestaltet, weil der Kreis der zur Verfügung stehenden
Dolmetscher begrenzt ist. Schließlich erfordert die
Verknüpfung der vielen Einzelergebnisse ebenfalls einen
erheblichen Aufwand.
7. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den
Beschuldigten erhobenen Tatvorwürfen nicht außer
Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
62
Becker von Lienen Schäfer |