BGH,
Beschl. v. 17.10.2000 - 1 StR 428/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 428/00
vom
17. Oktober 2000
in der Strafsache gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Oktober 2000
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 13. April 2000 mit Ausnahme der Feststellungen
zu den rechtswidrigen Taten aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1. Die Strafkammer hat festgestellt, daß der Angeklagte
zwischen
Januar 1998 und August 1999 insgesamt 23 mit Strafe bedrohte Handlungen
begangen hat, darunter 18 Diebstähle. Es handelte sich hierbei
überwiegend um Diebstähle aus unverschlossenen
Pkw´s, bei denen der Angeklagte neben Radios und sonstigen
Gegenständen vor allem Dokumente (Ausweise, Scheckkarten u.a.)
erbeutete. Die übrigen Taten stehen im Zusammenhang mit
Bemühungen des Angeklagten, die Beute zu verwerten, z. B. mit
Hilfe der Scheckkarten einzukaufen.
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit
freigesprochen und hat gemäß § 63 StGB
seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2. Die auf die insoweit nicht näher ausgeführte
Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg
(§ 349 Abs. 2 StPO), soweit sie sich gegen die Feststellungen
zu den rechtswidrigen Taten richtet.
3. Im übrigen kann das Urteil keinen Bestand haben (§
349 Abs. 4 StPO).
a) Beim Angeklagten trat erstmals etwa 1975 eine Psychose auf. Eine
Reihe von Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit
eingestellt; 1983 wurde er wegen mehrerer Diebstähle,
Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und
anderer Delikte in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
Näheres ist hierzu nicht mitgeteilt.
Zwischen 1990 und 1997 war der Angeklagte im Arbeitsleben integriert.
In dieser Zeit war "die psychotische
Persönlichkeitsstörung nur mäßig
ausgeprägt". Nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes hat sich
seine Persönlichkeit "wieder zum Negativen verändert".
b) Auf der Grundlage dieser auch insoweit nicht näher
ausgeführten Feststellungen kommt die Strafkammer zu dem
Ergebnis, es könne "nicht gesagt werden", ob die
Persönlichkeitsstörung "zur Tatzeit abgeklungen war
oder noch fortbestand". Es sei aber "nicht auszuschließen,
daß ... Kritikfähigkeit und Impulskontrolle soweit
aufgehoben waren, daß zumindest die Voraussetzungen des
§ 20 StGB nicht auszuschließen sind.
Möglicherweise war auch die Willensfähigkeit des
Angeklagten aufgehoben, so daß die Voraussetzungen des
§ 20 StGB zeitweise sogar positiv gegeben waren".
c) Eine Unterbringungsanordnung gemäß § 63
StGB setzt voraus, daß entweder die Voraussetzungen von
§ 20 StGB oder zumindest die Voraussetzungen des § 21
StGB sicher ("positiv") feststehen (st.Rspr., vgl. die Nachweise bei
Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 63 Rdn. 4).
Die Feststellung, daß die Voraussetzung des § 20
StGB "möglicherweise ... positiv gegeben waren" ist schon in
sich unklar. Was nur möglicherweise der Fall ist, steht nicht
sicher fest.
Da die Strafkammer offen läßt, ob die
Persönlichkeitsstörung des Angeklagten zur Zeit der
Taten abgeklungen war, ergibt auch eine Gesamtschau der
Urteilsgründe nicht, daß beim Angeklagten zumindest
die Voraussetzungen des - von der Strafkammer nicht
ausdrücklich angesprochenen - § 21 StGB sicher
vorlagen.
4. Schon allein dies führt dazu, daß die
Unterbringungsanordnung keinen Bestand haben kann.
Im übrigen wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer
zu beachten haben, daß es entscheidend auf den Zustand des
Täters zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung ankommt (vgl. Stree
in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 63 Rdn.
12, vor § 61 Rdn. 10 m.w.Nachw.). Hier könnte die
bisher nicht näher ausgeführte Annahme, daß
(möglicherweise) "zeitweise" die Voraussetzungen des
§ 20 StGB vorlagen, dafür sprechen, daß es
Änderungen im Zustand des Angeklagten gab oder gibt.
Im übrigen wird auch gegebenenfalls die bisher weitgehend
unterbliebene Gesamtwürdigung hinsichtlich der Erheblichkeit
der künftig zu erwartenden Taten und der daraus resultierenden
Gefährlichkeit des Angeklagten (vgl. hierzu insgesamt Stree
aaO § 63 Rdn. 13 ff. m.w.Nachw.) nachzuholen sein.
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