BGH,
Beschl. v. 17.10.2001 - 3 StR 373/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 373/01
vom
17. Oktober 2001
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 17. Oktober 2001 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 8. Mai 2001 aufgehoben, soweit die Unterbringung des
Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, jedoch
wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt.
Die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im
Revisionsverfahren hat zu einem Drittel die Staatskasse zu tragen. Die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen trägt der Beschwerdeführer zu
zwei Drittel.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf sachlich-rechtliche
Beanstandungen gestützten Revision.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen den
Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2
StPO). Jedoch bestehen gegen die Anordnung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus durchgreifende rechtliche Bedenken.
Das Landgericht hat - sachverständig beraten - dazu im
wesentlichen folgendes ausgeführt: Der Angeklagte leide an
einer Persönlichkeitsstörung in Form eines
"Borderline"-Syndroms, die für sich genommen weder eine
krankhafte seelische Störung noch eine schwere andere
seelische Abartigkeit darstelle und die grundsätzliche
Schuldfähigkeit nicht beeinflusse. Wegen einer auf die
Persönlichkeitsstörung
zurückzuführenden Affektlabilität bestehe
bei ihm die Neigung, in für ihn belastenden, nicht unbedingt
besonders affektiv zugespitzten Situationen seine Affekte zum
gewalttätigen Durchbruch kommen zu lassen. Dabei wirke sich
auch begünstigend aus, daß der Angeklagte nicht
über ein moralisches Wertesystem verfüge, das ihn von
der Begehung einer Gewalttat abhalten könnte. Auf Grund seiner
Persönlichkeitsstörung und -prägung sei der
Angeklagte mithin während einer längeren Dauer so
disponiert, daß es nur des Eintritts eines weiteren - nicht
vorhersehbaren und kaum einschätzbaren - Faktors
bedürfe, um den Zustand der zumindest verminderten
Schuldfähigkeit auszulösen. Da der
beziehungsunfähige Angeklagte massive gewalttätige
Ausschreitungen als Mittel zur Konfliktlösung in sein
Verhaltensmuster aufgenommen habe, sei auch in künftigen
Lebenssituationen mit krankheitsbedingten, die Allgemeinheit
gefährdenden Kurzschlußhandlungen zu rechnen.
Diese Feststellungen ergeben den für die Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB
erforderlichen länger andauernden Zustand der zumindest
verminderten Schuldfähigkeit (st.Rspr., vgl. BGHSt 34, 22, 27;
42, 385 f.) nicht. Nach ihnen liegt beim Angeklagten keine der
biologischen Anomalien der §§ 20, 21 StGB vor,
nämlich eine seelische Störung, eine tiefgreifende
Bewußtseinsstörung, ein Schwachsinn oder eine
schwere andere seelische Abartigkeit (UA S. 48). Daß bei dem
Angeklagten die dauerhafte Disposition besteht, in bestimmten, ihn
belastenden Situationen wegen mangelnder Fähigkeit zur
Affektverarbeitung in den Zustand erheblich vermindeter
Schuldfähigkeit zu geraten, genügt für die
Unterbringung nicht, weil diese Disposition allein keinen Zustand der
eingeschränkten Schuldfähigkeit auslöst
(vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 27; BGH, Beschl. vom 1. September
1998 - 4 StR 367/98).
Der Senat schließt aus, daß sich auf Grund einer
neuen Hauptverhandlung Umstände ergeben können, die
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus doch noch
rechtfertigen, und daß sich ihre Anordnung auf die
Höhe der Freiheitsstrafe ausgewirkt haben kann. Er hat deshalb
in der Sache selbst entschieden und die Maßregelanordnung
entfallen lassen.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand
Rechnung, daß der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen
Teilerfolg erzielt hat (§§ 473 Abs. 4, 472 Abs. 1
StPO).
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