BGH,
Beschl. v. 18.8.2009 - 2 StR 244/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 244/09
vom
18. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. August
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1 a
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hanau vom 23. Februar 2009 im Schuldspruch dahin geändert,
dass in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe die
tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von
Schutzbefohlenen entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
und die dadurch den Nebenklägerinnen entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von
Kindern in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung sie zur
Bewährung ausgesetzt hat.
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Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu einer
Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der
Urteilsgründe; im Übrigen ist es unbegründet.
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1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Missbrauchs
von Schutzbefohlenen in den Fällen 1 und 2 ist
rechtsfehlerhaft, da insoweit Verfolgungsverjährung
eingetreten ist. Geht man von dem festgestellten Tatzeitraum vom
1.8.1996 bis 1.10.1996 aus, waren gemäß §
78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beide Taten bereits im Jahre 2001
verjährt. Die Verjährung hat nicht nach § 78
b Abs. 1 Nr. 1 StGB bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der
Nebenklägerinnen geruht. Zwar gilt die zum 1.4.2004 in Kraft
getretene Vorschrift auch rückwirkend für Straftaten,
die vor ihrem Inkrafttreten begangen wurden. Voraussetzung
dafür ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung, dass
die Straftaten zu diesem Zeitpunkt - anders als im vorliegenden Fall -
noch nicht verjährt waren (vgl. BGHSt 47, 245, 246 f.; Senat,
Beschluss v. 25.3.2009 - 2 StR 58/09).
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Der Senat kann jedoch ausschließen, dass sich dieser
Rechtsfehler bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten
ausgewirkt hat, weil die rechtsfehlerfrei festgestellten
Umstände, die den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von
Schutzbefohlenen erfüllen, ungeachtet der Verjährung
straferschwerend berücksichtigt werden durften (vgl. Fischer
StGB 56. Aufl. § 78 Rdn. 2).
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2. Die Strafzumessung enthält allerdings zu § 46 a
Nr. 1 StGB die bedenkliche Erwägung, dass bei Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung "grundsätzlich mit - auch -
erheblichen seelischen Beeinträchtigungen der Opfer zu
rechnen" sei, "deren Wiedergutmachung zwar vom Täter im Sinne
von § 46 a StGB durchaus ernsthaft erstrebt werden"
könne, wobei "die Erfolgsaussichten eines solchen Strebens
aber deliktstypisch deutlich reduziert" seien (UA 8). Diese allgemeine
Wertung steht - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - in
einem Spannungsverhältnis dazu, dass die Anwendung des
§ 46 a Nr. 1 StGB bei keinem Delikt grundsätzlich
ausgeschlossen ist. Vor al-
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lem aber lässt sie besorgen, dass die Strafkammer
rechtsfehlerhaft nicht die Umstände des vorliegenden
Einzelfalls daraufhin überprüft hat, ob der
Angeklagte die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft erstrebt hat.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung auf
diesem Rechtsfehler beruht. Das Urteil hat aber gleichwohl Bestand,
weil die vom Landgericht verhängte Strafe angemessen ist
(§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).
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Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen
für eine Entscheidung des Revisionsgerichts liegen vor (vgl.
BVerfG NStZ 2007, 598). Dem Senat steht ein zutreffend ermittelter,
vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur
Verfügung. Der Angeklagte hatte Gelegenheit, zu der
beabsichtigten Entscheidung nach § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO
Stellung zu nehmen.
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Unter Abwägung aller für die Strafzumessung
bedeutsamen Urteilsfeststellungen hält der Senat die vom
Landgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
zehn Monaten für angemessen. Hierbei sind insbesondere
folgende Gesichtspunkte maßgebend: In den Fällen 1
und 2 handelte es sich bei dem Opfer um ein Kind, dessen Alter deutlich
unter der Schutzaltersgrenze des § 176 Abs. 1 StGB lag.
Außerdem hat der Angeklagte mit den Tathandlungen -
Streicheln im Brust- und Intimbereich - die Erheblichkeitsschwelle des
§ 184 f StGB deutlich überschritten. Im Fall 3
fällt das noch gravierendere Tatbild mit dem an der
Geschädigten ausgeführten Oralverkehr besonders ins
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Gewicht. Im Übrigen waren die Kinder in allen drei
Fällen dem Angeklagten zum jeweiligen Zeitpunkt zur alleinigen
Betreuung anvertraut.
Rissing-van Saan Athing Rothfuß
Appl Schmitt |