BGH,
Beschl. v. 18.8.2009 - 5 StR 278/09
5 StR 278/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 18. August 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 9. Februar 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
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Das Landgericht hat die Angeklagten wegen
„fünffachen“ Betruges jeweils zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es
zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen der Angeklagten
dringen mit der Sachrüge durch. Die Beweiswürdigung
der Strafkammer leidet an Mängeln, die zur Aufhebung des
Urteils führen. Auf die erhobenen Verfahrensrügen
kommt es nicht mehr an.
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass unter anderem die Angeklagten
im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kellner in den Jahren 2002 und
2003 im Restaurant eines Berliner Hotels das ihnen über
Magnetkarten zugängliche Kassensystem zu Manipulationen
ausnutzten, um sich auf diese Weise zum Nachteil ihres Arbeitgebers zu
bereichern. Sie verbuchten und rechneten an jeweils fünf Tagen
nur einen Teil der tatsächlich erzielten Tageseinnahmen ab und
behielten den Differenzbetrag für sich, um sich durch die
wiederholte Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahmequelle von
einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen.
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Wegen der Geschehnisse sind die im vorliegenden Verfahren als Zeugen
vernommenen E. , B. A. , Bi. , D. , De. und S. nach einer
Verfahrensabsprache am 29. April 2008 aufgrund ihrer
Geständnisse und der Angaben des Zeugen G.
rechtskräftig zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Das Verfahren gegen die nicht geständigen Angeklagten ist am
25. April 2008 abgetrennt worden.
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2. Das Landgericht hat sich mit möglicherweise
beweisrelevanten entlastenden, fehlerfrei festgestellten
Umständen nicht hinreichend auseinandergesetzt und es
unterlassen, prägende Umstände der Gesamttaten
näher zu würdigen (vgl. BGHSt 14, 162, 164 f.; BGH
NStZ 2009, 401, 403; Brause NStZ 2007, 505, 506).
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a) Es stützt seine Überzeugung von der
Täterschaft gerade der Angeklagten zentral auf
Auffälligkeiten (insbesondere: ungewöhnlich hohe Zahl
von Splits [Abspaltung von Rechnungsposten] und Transfers
[Übertragung von Rechnungsposten z. B. auf andere Tische] in
enger zeitlicher Abfolge) in den die Angeklagten betreffenden
Kassenjournalen für insgesamt fünf Tage. Es hat die -
bestreitenden - Angeklagten jeweils wegen gemeinschaftlich
„mit Mitarbeitern aus dem Küchen- und/oder
Büfettbereich“ begangener Betrugstaten verurteilt
(UA S. 49). Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die
verfahrensgegenständlichen Manipulationen ohne die Mitwirkung
von Personen im Bereich der Küche bzw. des Büfetts
nicht durchführbar waren. Nur dann, wenn durch dort
tätige Mitarbeiter nicht verbuchte Getränke oder
Speisen an die Angeklagten ausgegeben wurden, konnten die Einnahmen,
die auf diese - im Kassensystem des Hotels folglich nicht erfassten -
Waren entfielen, von den Angeklagten veruntreut werden.
b) Zur Frage der Täterschaft der Angeklagten hat die
Strafkammer eine Reihe ehemaliger Angestellter des Hotels vernommen (UA
S. 25 bis 27). Keiner davon hat die Angeklagten belastet. Dies gilt
auch für die wegen der Manipulationen rechtskräftig
verurteilten und ihre Täterschaft vor dem Land-
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gericht einräumenden Zeugen E. , B. A. , Bi. , D. , De. und S.
. Sie haben angegeben, von kriminellen Aktivitäten der
Angeklagten keine Kenntnis zu haben; mit diesen seien keine Abreden in
Bezug auf Kassenmanipulationen getroffen worden (UA S. 27).
c) Das Landgericht misst diesen Aussagen für die Frage der
Täterschaft der Angeklagten keinerlei Beweisbedeutung zu. Dass
die Zeugen zum Verhalten der Angeklagten weitere Angaben nicht
hätten machen können, sei deswegen nachvollziehbar,
weil jeder Kellner die Kassentransaktionen in eigener Verantwortung
vornehme (UA S. 27).
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Diese Würdigung erscheint schon deswegen durchgreifend
fehlerhaft, weil es sich bei dem Zeugen E. nicht um einen Kellner,
sondern um einen Büfettier handelte (UA S. 8), dem aufgrund
seiner Ausgabefunktion eine zentrale Stellung zukam, wobei nach der
Aussage des Zeugen L. die veruntreuten Gelder am Ende jeder Schicht
zwischen den Kellnern und dem Büfettier sowie der
Küche aufgeteilt wurden (UA S. 26). Es versteht sich deshalb
jedenfalls für ihn nicht von selbst, dass er für den
Fall einer Täterschaft der Angeklagten von deren Einbindung in
die Manipulationen keine Kenntnis hatte.
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Hinzu kommt, dass die gegenständlichen Taten einen
beträchtlichen Umfang hatten. Der Untersuchungsführer
des Hotels, der Zeuge G. , bezifferte den Gesamtschaden des Hotels
für das Jahr 2003 auf rund 100.000 € (UA S. 23). Dies
spricht indes dagegen, dass jeder der in die Manipulationen
verwickelten Kellner - in Unkenntnis der Manipulationen der jeweils
anderen Kellner - „für sich selbst
vorgegangen“ ist. Dementsprechend hält das
Landgericht den Angeklagten auch - ohne dass dies von den
Feststellungen getragen wäre - im Rahmen der Strafzumessung
zugute, dass „sie von Kollegen dazu verleitet worden sind,
das Kassensystem zu Manipulationen auszunutzen“ (UA S. 50).
Bei der gegebenen Sachlage wäre es namentlich von wesentlicher
Beweisbedeutung, wenn es zwar nicht im Verhältnis zwischen
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den verurteilten Zeugen und den Angeklagten, jedoch unter den
verurteilten Zeugen entsprechende Abreden gegeben hätte.
Das Landgericht hätte daher die Aussagen dieser Zeugen
insoweit im Zusammenhang darlegen und würdigen müssen.
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3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes
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a) Das neue Tatgericht wird zu beachten haben, dass das aufzuhebende
Urteil nicht hinreichend deutlich erkennen lässt, aus welchem
Grund die Strafkammer für jeden Angeklagten lediglich jeweils
fünf Einzelfälle abgeurteilt hat, obwohl dem
Angeklagten A. H. in der Anklageschrift weitere zehn gleichartige Taten
zur Last gelegt werden, dem Angeklagten B. weitere 19 gleichartige
Taten. Soweit die Strafkammer hierfür auf
verfahrensökonomische Gründe verweist (UA S. 48, 49),
erscheint dies im Hinblick darauf wenig plausibel, dass - wie der
Gesamtzusammenhang der diesbezüglichen Ausführungen
ergibt - auch für diese Taten bereits ausgewertete
Kassenjournale zur Verfügung stehen, weswegen der mit der
Einbeziehung dieser Taten verbundene Aufwand vergleichsweise gering
gewesen wäre. Es ist angesichts des eher geringen
Schuldumfangs der abgeurteilten Straftaten ferner nicht einsichtig,
warum die wegen der weiteren Taten zu verhängenden Strafen bei
der Gesamtstrafenbildung nicht beträchtlich ins Gewicht fallen
sollten.
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Dem Revisionsvortrag und ansatzweise auch den Urteilsgründen
ist dabei zu entnehmen, dass sich die Angeklagten dahin eingelassen
haben, ihre Magnetkarten könnten zu den Tatzeiten unter
Umständen von anderen Kellnern benützt worden sein,
wobei durch die Revision des Angeklagten A. H. Abwesenheiten
angesprochen sind. Bei einer - wie hier - auf Indizien
gestützten Verurteilung kann ein Erörterungsmangel
gegeben sein, sofern für die Teileinstellung nicht
ausschließlich prozessökonomische
Erwägungen ausschlaggebend waren und eine etwaige
Beweisbedeutung nicht
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wenigstens angesprochen wird (vgl. BGH StV 1998, 580, 582; 2001, 552;
2002, 637, 639). Auch in Bezug auf diese Taten wird sich das neue
Tatgericht nicht darauf beschränken dürfen, die
Aussage des Zeugen O. , der die Anwesenheitszeiten der Angeklagten mit
den Kassenjournalen abgeglichen hat, lediglich pauschal mitzuteilen und
zu würdigen (vgl. UA S. 25).
b) Das Erfordernis erschöpfender Beweiswürdigung
gebietet es bei der hier gegebenen Lage ferner, das
Einlassungsverhalten der Angeklagten einer genaueren Bewertung zu
unterziehen. So ist es nur schwer miteinander vereinbar, dass die
Angeklagten nach den Urteilsgründen einerseits die - rund
sechs Jahre zurückliegenden - Transaktionen nicht bestritten,
sondern „lediglich einen anderen, nicht
betrügerischen Hintergrund behauptet haben“ (UA S.
28 unten), andererseits aber vortragen, ihre Magnetkarten
könnten von anderen benützt worden sein (UA S. 22, 28
oben).
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c) Auch die konkreten Schadensbeträge stützt die
Strafkammer auf einen Indizienbeweis, nämlich auf die
ungewöhnliche Massierung von Transfers und Splits, teilweise
unter Inanspruchnahme imaginärer Tische innerhalb kurzer Zeit
(UA S. 48). Sollte sich das neue Tatgericht abermals von der
Täterschaft der Angeklagten überzeugen, so wird es
für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen haben,
worauf es den deliktischen Hintergrund gerade der einzelnen Buchungen
stützt.
d) Die rechtliche Beurteilung der Taten als Betrug im Sinne des
§ 263 StGB ist rechtsfehlerfrei. In der
Täuschungshandlung, nämlich der Vorlage der die
Bareinnahmen für die nicht gebuchten Speisen bzw.
Getränke nicht ausweisenden Tagesabrechnungen, liegt zugleich
die Manifestation der Zueignung hinsichtlich der betroffenen
Bareinnahmen. Demgemäß ist kein so genannter
Sicherungsbetrug gegeben (vgl. BGH NStZ 2009, 203). Vielmehr tritt die
von den Angeklagten zugleich verwirklichte Unterschlagung nach
§ 246 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB zurück.
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e) Die bisherige Strafzumessung begegnet durchgreifenden Bedenken:
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Das Landgericht verkennt nicht, dass den Angeklagten eine Reihe
außerordentlich gewichtiger Milderungsgründe zugute
zu halten ist. Die Schadensbeträge von rund 800 €
(Angeklagter A. H. ) bzw. rund 600 € (Angeklagter B. ) sind
nicht sehr gewichtig. Beide Angeklagten waren zur Tatzeit unbestraft
und sind seither nicht (Angeklagter A. H. ) bzw. geringfügig
und nicht einschlägig wegen unerlaubten Entfernens vom
Unfallort (Angeklagter B. ) strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die
Taten liegen lange zurück, wobei die Angeklagten eine nicht
unbeträchtliche Zeit durch das vorliegende Strafverfahren
belastet waren.
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Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht
die Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 StGB nicht
als entkräftet ansieht. Der in diesem Zusammenhang allein
gegebene - sehr knappe - Hinweis auf eine in der „Vielzahl
von Transaktionen“ zu Tage tretende „erhebliche
kriminelle Energie“ (UA S. 50) lässt
überdies besorgen, dass das Landgericht bei der
Strafrahmenwahl und der Strafzumessung insgesamt die von der
Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfassten Taten
berücksichtigt hat, obwohl diese nicht
ordnungsgemäß festgestellt sind (vgl. Fischer, StGB
56. Aufl. § 46 Rdn. 41).
Ferner führt das Landgericht aus, dem Angeklagten B. einen
Härteausgleich gewährt zu haben, weil eine im Jahr
2008 gegen ihn verhängte Geldstrafe von 20
Tagessätzen zu je 30 € bereits bezahlt sei und
deswegen nicht in eine nachträgliche Gesamtstrafe habe
einbezogen werden können (UA S. 50). Wie sich der
Härteausgleich auf die verhängte
Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben könnte, wird jedoch
bereits für sich genommen nicht deutlich. Hinzu kommt, dass
das Landgericht gegen den Angeklagten B. ebenso wie gegen den
Angeklagten A. H. eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr
verhängt hat, obgleich es dem Angeklag-
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ten B. sogar einen geringeren Schadensbetrag zur Last legt als dem
Angeklagten A. H. .
Brause Schaal Schneider
Dölp König |