BGH,
Beschl. v. 18.12.2002 - 2 StR 467/02
2 StR 467/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
18. Dezember 2002
in der Strafsache gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 18. Dezember 2002
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Gera vom 12. Juni 2002 im Ausspruch über die Gesamtstrafe
aufgehoben; die Feststellungen bleiben jedoch insoweit aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das
Amtsgericht - Schöffengericht - Rudolstadt
zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 2. August 2001
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 30 Fällen
sowie wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung
getroffen. Dieses Urteil hat der Senat durch Beschluß vom 13.
Februar 2002 - 2 StR 1/02 - aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen
Vergewaltigung verurteilt war, im Ausspruch über die
Gesamtstrafe sowie in der Adhäsionsentscheidung.
Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr nur wegen der im
Schuldspruch sowie in den Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten schon
durch die frühere Senatsentscheidung rechtskräftig
gewordenen 30 Fälle des sexuellen Mißbrauchs von
Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten
verurteilt; vom Vorwurf der Vergewaltigung hat es ihn freigesprochen
und den Adhäsionsantrag zurückgewiesen. Die gegen den
Ausspruch über die Gesamtstrafe gerichtete, auf die
Sachrüge gestützte Revision hat erneut Erfolg.
1. Die Zumessung der Gesamtfreiheitsstrafe ist nicht rechtsfehlerfrei.
Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat
ausgeführt:
"Es kann dahinstehen, ob die sehr knappen, nur wenige Zeilen
umfassenden (UA S. 11) Ausführungen über die
Zumessung der Gesamtstrafe dem Erfordernis des § 54 Abs. 1
Satz 3 StGB der zusammenfassenden Würdigung von Tat und
Täterpersönlichkeit (BGHR StGB § 54
Serienstraftaten 4; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. §
54 Rdn. 10, 12 m.w.N.) genügen. Die Strafkammer hat jedenfalls
nicht ausschließbar außer Acht gelassen, dass die
Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel niedriger auszufallen
hat, wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher
und situativer Zusammenhang besteht, insbesondere, wenn es sich um die
wiederholte Verwirklichung von gleichartigen, gegen das selbe Opfer
gerichteten, einer persönlichen Beziehung entspringenden Taten
wie im vorliegenden Fall handelt, so dass die Hemmschwelle für
die späteren Taten mit fortschreitendem Tatverlauf geringer
geworden ist (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 4;
§ 54 Abs. 1 Bemessung 2, 8). Zu entsprechenden Darlegungen
hätte umso mehr Anlass bestanden als die Einsatzstrafe von
sechs Monaten sehr deutlich erhöht wurde (vgl. BGHR aaO
Bemessung 8) und die verhängte Gesamtstrafe von zwei Jahren
und vier Monaten nicht weit von der grundsätzlich noch
aussetzungsfähigen Strafhöhe von zwei Jahren entfernt
liegt (BGH StV 1992, 462, 463). Im vorliegenden Fall musste zudem im
Rahmen der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt werden, dass
nach den Feststellungen des insoweit rechtskräftigen Urteils
des Landgerichts Gera vom 2. August 2001 (dort UA S. 4) die sexuellen
Handlungen aus der Sicht der Zeugin S. Bestandteil einer
Liebesbeziehung waren, die Tathandlungen innerhalb des Zeitraums der 7
1/2 Monate vor Vollendung ihres 14. Lebensjahrs unter ihrer
maßgeblichen Mitinitiative stattfanden und diese von der
ersterkennenden Strafkammer als minder schwere Fälle gewertet
wurden mit der Folge, dass die Regelwirkung des § 176 Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. entfiel (Urteil vom 2. August 2001, UA S. 28).
In einer solchen Fallgestaltung kann die - grundsätzlich auch
strafschärfender Bewertung zugängliche (BGHSt 24,
268, 270) - vielfache Tatbegehung regelmäßig nur
dann eine im Vergleich zur Einsatzstrafe stark erhöhte
Gesamtstrafe rechtfertigen, wenn die mehrfache Begehung das Verhalten
des Angeklagten als besonders verwerflich erscheinen lässt
(BGHR aaO § 54 Bemessung 1). Hierzu verhält sich das
Urteil jedoch nicht.
Die aufgezeigten Rechtsfehler ziehen die Aufhebung der Gesamtstrafe
nach sich, so dass es auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr
ankommt.
Die Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von den
Wertungsfehlern nicht berührt sind. Ergänzende, nicht
widersprechende Feststellungen bleiben möglich."
Dem tritt der Senat bei. Ergänzend weist er darauf hin,
daß die vom Landgericht strafschärfend
berücksichtigte Erwägung, der Angeklagte sei zweimal
vorbestraft, Bedenken begegnet, weil beide Vorverurteilungen zu
Geldstrafen im Jahre 1998 und daher zwei Jahre nach den hier
verfahrensgegenständlichen Taten erfolgten. Der neue
Tatrichter wird im übrigen auch die
Wirkungen der Strafe für das künftige Leben des
Angeklagten zu berücksichtigen haben (§ 46 Abs. 1
Satz 2 StGB), der als selbständiger Unternehmer tätig
ist und bereits 11 Monate Untersuchungshaft erlitten hat.
Rissing-van Saan Detter Bode Rothfuß Fischer |