BGH,
Beschl. v. 18.12.2007 - 5 StR 530/07
5 StR 530/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Vom
18.12.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18.12.2007
beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Chemnitz vom 9. Juli 2007 gemäß § 349 Abs.
4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die
Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Ihr Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge zum Strafausspruch
durch. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und
Wertungen getroffen:
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a) Die alkoholabhängige Angeklagte lebte seit Ende 1999 mit
der Mutter der Nebenklägerin in einer lesbischen
Lebensgemeinschaft. Beide Frauen sprachen
übermäßig alkoholischen Getränken
zu; unter deren Einfluss kam es zu Streitigkeiten und
tätlichen Angriffen der Angeklagten auf ihre Partne-
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rin. Ihr Verhältnis war von wechselseitiger heftiger
Eifersucht geprägt. Die Angeklagte verletzte ihre
Lebensgefährtin am 4.12.2004 mit einem Messer (BAK
über 2 ‰) und am 19. Mai 2005 mit
Faustschlägen und Tritten (BAK über 1,5
‰). Dieserhalb wurde die Angeklagte vom Amtsgericht Plauen
am 7.12.2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Am nächsten Abend kam es nach erneutem Alkoholkonsum in der
gemeinsamen Wohnung zu einem weiteren heftigen Streit. Die
Lebensgefährtin der Angeklagten warf dieser vor, ihr untreu zu
sein, und machte ihr Vorhaltungen wegen der Gerichtsverhandlung vom
Vortag. Schließlich tötete die Angeklagte ihre
Partnerin mit sechs Stichen. Sie ließ die Getötete
liegen, zog aus und vertuschte die Tat gegenüber Dritten bis
Ende April 2006.
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b) Das Landgericht schloss - dem psychiatrischen
Sachverständigen folgend - eine Schuldunfähigkeit aus
und nahm Zeichen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im
Umfang des § 21 StGB an: „Diese lägen in
einer Alkoholabhängigkeit der Angeklagten und einer
problematischen Persönlichkeitsentwicklung mit deutlichen
Zügen von Dissozialität und emoti-onaler
Instabilität begründet. Die schwere seelische
Abartigkeit in Kombinati-on mit der tataktuellen Alkoholisierung
wäre ausreichend - bei bestehender Einsichtsfähigkeit
-, die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich
einzuschränken (§ 21 StGB).“
c) Das Landgericht hat die Annahme eines sonstigen minder schweren
Falles im Sinne des § 213 StGB mit folgenden
Erwägungen abgelehnt: „Die Kammer beachtete zu
Gunsten der Angeklagten, dass der Tat ein Streit zwischen
Täter und Opfer vorausging und geht von einer spontanen
Tatbegehung aus. Diesem Aspekt steht entgegen, dass die Angeklagte mit
überaus roher Gesinnung G. tötete. Sowohl die
konkrete Begehungsweise als auch das Verhalten nach der Tat sprechen
gegen die Annahme eines minder schweren Falles (UA S. 28).“
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Die Schwurgerichtskammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen
„Alkoholgewöhnung“ abgelehnt,
„da die Angeklagte … bereits vor dieser Tat die
Neigung zeigte, nach Alkoholgenuss Straftaten unter Gewaltanwendung
gegen Leib und Leben eines Anderen zu begehen und sich die Angeklagte
dieser Neigung bewusst war oder zumindest bewusst hätte sein
können“ (UA S. 29).
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2. Zwar ist die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört,
ob ein minder schwerer Fall vorliegt, grundsätzlich Sache des
Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden
Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der
Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die
wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände
festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen
Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im
Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr. vgl. nur
BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall
Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die
Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur
nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein
Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR aaO). Dies
ist hier der Fall.
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a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe ihre Partnerin aus
überaus roher Gesinnung getötet, entbehrt einer
tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Einer
solchen Annahme stehen der festgestellte Streit und die von dem Opfer
erhobenen Vorwürfe entgegen.
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b) Soweit das Landgericht die Tatmodalitäten
strafschärfend gewertet hat, besorgt der Senat, dass die
Schwurgerichtskammer die Tatausführung bei den hier
vorliegenden Voraussetzungen einer verminderten
Schuldfähigkeit über das Maß der
geminderten Schuld hinaus der Angeklagten angelastet hat (vgl. BGHR
StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38; BGHR StV 2005, 495).
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c) Gegenstand eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten
schulderhöhenden Umstands könnte vorliegend die
Einstellung der Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46
Abs. 2 Nachtatverhalten 9). Indes hat das Landgericht keine
Feststellungen getroffen, aus denen die dafür gebotene
besondere Missachtung gerade des Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO
Nachtatverhalten 11; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3.
Aufl. Rdn. 376).
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3. Die Strafe muss demnach neu bemessen werden. Bei dem hier
vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von
Feststellungen.
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Der Senat weist darauf hin, dass - sollte eine erneute Entscheidung
über eine Strafrahmenverschiebung erforderlich werden - zu
erwägen sein wird, ob der Angeklagten ihr Alkoholkonsum im
Blick auf ihre Alkoholabhängigkeit und ihres Hanges, Alkohol
im Übermaß zu konsumieren (UA S. 30)
uneingeschränkt vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 49, 239,
254; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 26).
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Jedenfalls wird der neue Tatrichter die Vollstreckungsreihenfolge
anhand des jetzt geltenden § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu
prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 5 StR
374/07).
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