BGH,
Beschl. v. 18.12.2008 - 3 StR 460/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 460/08
vom
18. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Fälschung von
Zahlungskarten mit Garantiefunktion u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 18. Dezember 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Lübeck vom 12. Juni 2008 aufgehoben, soweit festgestellt ist,
dass der Angeklagte aus den dem Urteil zu Grunde liegenden Straftaten
einen Geldbetrag von 73.750 € erlangt hat und dieser
Geldbetrag keiner Verfallsanordnung unterliegt, da Ansprüche
Verletzter entgegenstehen; jedoch bleiben die zugehörigen
Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten
mit Garantiefunktion in elf Fällen, davon in zehn
Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug zur
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten
verurteilt sowie eine Feststellung nach § 111 i Abs. 2 StPO
getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf
Verfahrensrügen und materiellrechtliche Beanstandungen
gestützten Revision. Das
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Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Das angefochtene Urteil hält im Ausspruch, dass der Angeklagte
aus den dem Urteil zu Grunde liegenden Straftaten einen Geldbetrag von
73.750 € - dieser entspricht der Summe der bei allen elf Taten
erbeuteten Bargeldbeträge - erlangt hat und dieser Geldbetrag
keiner Verfallsanordnung unterliegt, da Ansprüche Verletzter
entgegenstehen, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Ungeachtet dessen, dass das Landgericht die Entscheidung nicht
näher begründet, sondern lediglich
ausgeführt hat, sie folge aus § 111 i StPO, kann das
Urteil insoweit keinen Bestand haben, weil diese Vorschrift nicht auf
alle abgeurteilten Fälle Anwendung findet und auch im Hinblick
auf den als erlangt festgestellten Geldbetrag nicht frei von weiteren
Rechtsfehlern ist.
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1. § 111 i Abs. 2 StPO ist durch das Gesetz zur
Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der
Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober
2006 (BGBl I 2350) geschaffen worden und am 1. Januar 2007 in Kraft
getreten. Seiner Anwendung auf bereits zuvor beendete Taten steht
§ 2 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 StGB entgegen, wonach insoweit das
mildere alte Recht gilt (BGH NJW 2008, 1093; StV 2008, 226; Beschl. vom
23. Oktober 2008 - 1 StR 535/08). Danach kommt hier ein Ausspruch nach
§ 111 i Abs. 2 StPO - unabhängig vom Vorliegen der
sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift - hinsichtlich der bei den
ersten vier Taten (Fälle II. 1. bis 4. der
Urteilsgründe) insgesamt vom Angeklagten erlangten Beute von
7.700 € nicht in Betracht. Nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen wurden diese Taten im Zeitraum vom 14. bis
29. Dezember 2006 begangen und vor dem 1. Januar 2007 beendet.
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2. Das Landgericht hat außerdem in den
gemäß § 111 i Abs. 2 StPO bezeichneten
Betrag Teile der Beute eingerechnet, die der Angeklagte im Sinne der
Verfallsvorschriften nicht erlangt hatte: Nach den
Urteilsfeststellungen wurde der Zeuge und Mittäter P. im Fall
II. 7. der Urteilsgründe kurz nach Verlassen der Sparkasse in
L. festgenommen, nachdem er dort 4.600 € in bar erbeutet
hatte; bei ihm sowie in seinem Fahrzeug wurde Bargeld aufgefunden. Im
Fall II. 11. der Urteilsgründe wurde der Zeuge und
Mittäter K. bei den Abhebungen zum Nachteil der Sparkasse W.
festgenommen; aus seiner Tatbeute wurde Bargeld in Höhe von
2.835 € vorgefunden. Weitergehende Feststellungen, die eine
Zurechnung dieser Geldbeträge als (auch) von dem Angeklagten
erlangt rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG StV 2004, 409 m. w.
N.; Fischer, StGB 56. Aufl. § 73 Rdn. 16), insbesondere dahin,
dass der Angeklagte über diese Gelder
Mitverfügungsgewalt gewonnen hätte (vgl. BGH NStZ-RR
1997, 262), hat das Landgericht nicht getroffen.
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3. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung;
denn eine Abänderung des Ausspruchs nach § 111 i Abs.
2 StPO durch den Senat kommt nicht in Betracht. Dies ergibt sich
bereits daraus, dass dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden
kann, ob das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung nach §
111 i Abs. 2 Satz 3 StPO die Härtevorschrift des § 73
c StGB geprüft hat, obwohl dies nach den festgestellten
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des
Angeklagten sowie den Feststellungen zum Nachtatgeschehen - der
Angeklagte übergab den Mittätern in fast allen
Fällen einen Teil der Beute und sandte stets einen weiteren,
der Höhe nach nicht festgestellten Anteil an seine
Hintermänner in England - geboten gewesen wäre.
Ferner unterliegt die Entscheidung nach § 111 i Abs. 2 StPO
dem tatrichterlichen Ermessen (vgl. Nack in KK 6. Aufl. § 111
i Rdn. 17).
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4. Da die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen von den
aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt sind, können
sie bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann weitere Feststellungen
treffen, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.
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Der Senat weist im Hinblick auf die differenzierende Regelung von
§ 111 i Abs. 2 Satz 2 StPO einerseits und Satz 3 andererseits
für den Fall einer erneuten Entscheidung nach § 111 i
StPO darauf hin, dass nach den Urteilsfeststellungen vom Angeklagten
erlangte Teile der Beute sichergestellt wurden (UA S. 18: 3.000
€ und 2.400 €), so dass insoweit das Erlangte
gemäß § 111 i Abs. 2 Satz 2 StPO zu
bezeichnen wäre und nicht in einen nach § 111 i Abs.
2 Satz 3 StPO festzustellenden Geldbetrag eingerechnet werden
dürfte.
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Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Schäfer |