BGH,
Beschl. v. 18.2.2003 - 3 StR 19/03
3 StR 19/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
18. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf
dessen Antrag - am 18. Februar 2003 einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 29. Mai 2002 im Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der
Entscheidung über den Adhäsionsantrag aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu
einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und zur Zahlung
eines Schmerzensgeldes von 5.000 Euro nebst Zinsen an den
Nebenkläger verurteilt. Außerdem hat es seine
Verpflichtung festgestellt, dem Nebenkläger sämtliche
materiellen und noch entstehenden immateriellen Schäden zu
ersetzen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit
der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts
rügt. Das Rechtsmittel führt auf die
Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs mit Ausnahme
der Entscheidung über den Adhäsionsantrag, die
bestehen bleibt; im übrigen hat die Nachprüfung des
Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen
der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand.
a) Nach den Feststellungen verletzte er den knapp drei Jahre alten Sohn
seiner Freundin, indem er auf das rechte Bein und den Hinterkopf des
Kindes einwirkte. Es erlitt einen Anbruch des Schienbeins und zwei
großflächige Hämatome.
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei wegen einer schweren
anderen seelischen Abartigkeit, nämlich einer
Borderline-Persönlichkeitsstörung, erheblich
eingeschränkt i. S. des § 21 StGB gewesen. Er habe
einen Drang zu selbst- und fremdaggressiven Handlungen und greife zu
Betäubungsmitteln und Alkohol (UA S. 3). Von einer
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat die Strafkammer
in Übereinstimmung mit den Ausführungen des
Sachverständigen abgesehen, da "noch nicht sicher davon
ausgegangen werden" könne, daß von dem Angeklagten
infolge der Persönlichkeitsstörung weitere erhebliche
rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Es komme "durchaus in Betracht,
daß er, insbesondere nach Verbüßung einer
erheblichen Freiheitsstrafe, Situationen vermeiden werde, in denen es
zu ähnlich schweren Auswirkungen seiner Aggressionen kommen
könnte". Eine Unterbringung gemäß
§ 64 StGB komme trotz der gegebenen Polytoxikomanie nicht in
Betracht, weil die ihr zugrunde liegende
Persönlichkeitsstörung in einer Entziehungsanstalt
nicht behandelbar sei (UA S. 14).
b) Diese Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen,
daß es von einem falschen Prüfungsmaßstab
ausgegangen ist und deshalb überspannte Anforderungen an die
Gefährlichkeitsprognose des § 63 StGB gestellt hat.
Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ist die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, wenn vom
Täter infolge seines Zustandes i. S. der §§
20, 21 StGB weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und
er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dies
ist dann der Fall, wenn dafür nach einer eingehenden
Gesamtwürdigung des Täters und der Tat (vgl. BGHSt
27, 246, 248) eine bestimmte oder doch gewisse, über die
bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit
besteht (BGH NStZ 1986, 572 und 1991, 528). Eine Sicherheit oder eine
an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich.
2. Als Folge des dargestellten Rechtsfehlers ist das Urteil aufzuheben,
soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem
psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt hat. Daß nur der
Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Anordnung der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht (§
358 Abs. 2 Satz 2 StPO, vgl. BGHSt 37, 5, 9), da der
Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 63 StGB
durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen
hat (vgl. BGHSt 38, 362 ff.). Der Senat hebt auch den Strafausspruch
auf. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden,
daß die Strafkammer eine geringere Strafe verhängt
hätte, wenn gleichzeitig die Unterbringung des Angeklagten in
einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden wäre.
Darauf deutet vor allem die Strafzumessungserwägung hin,
daß durch eine hohe Strafe auf den Angeklagten eingewirkt
werden müsse, damit er es künftig nicht wieder zu
vergleichbaren Taten kommen lasse (UA S. 15).
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