BGH,
Beschl. v. 18.1.2000 - 4 StR 561/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 561/99
vom
18. Januar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 18. Januar 2000 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 154 a Abs. 2, 349 Abs. 2 StPO
beschlossen:
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2
StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II 5 der
Urteilsgründe wegen versuchter gefährlicher
Körperverletzung verurteilt ist. Insoweit trägt die
Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten
entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts wird das Verfahren
gemäß § 154 a Abs. 2 StPO
a) im Fall II 14 der Urteilsgründe hinsichtlich der im
Straßenverkehr begangenen Straftat auf den Vorwurf der
Nötigung sowie
b) in den Fällen II 16 der Urteilsgründe auf den
Vorwurf der versuchten Nötigung
beschränkt.
3. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Essen vom 7. Juli 1999
a) im Schuldspruch dahin neu gefaßt, daß der
Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung in zwei Fällen,
gefährlicher Körperverletzung in vier
Fällen, Körperverletzung in zwei Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, wegen
Nötigung, versuchter Nötigung in zwei Fällen
und wegen Bedrohung verurteilt ist,
b) im Ausspruch über die Anrechnung der in den Niederlanden
erlittenen Auslieferungshaft dahin klargestellt, daß diese im
Maßstab 1:1 auf die Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
5. Der Beschwerdeführer hat die übrigen Kosten des
Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung in zwei
Fällen in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung, wegen gefährlicher
Körperverletzung in fünf Fällen, wobei es in
einem Fall beim Versuch blieb, wegen Körperverletzung in zwei
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, wegen
fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr in einem Fall in Tateinheit mit
Nötigung und wegen Bedrohung in drei Fällen, davon in
zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung",
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und
bestimmt, daß "die von dem Angeklagten in der Zeit vom
23.12.1998 bis 07.02.1999 in den Niederlanden erlittene
Auslieferungshaft auf die Strafe angerechnet (wird)". Hiergegen wendet
sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren
beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
1. Der Senat stellt auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren
ein, soweit der Angeklagte im Fall II 5 der Urteilsgründe
wegen der auf der Insel Mallorca (Spanien) begangenen versuchten
gefährlichen Körperverletzung zu der
Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden ist. Im Fall
II 14 beschränkt der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts
die Verfolgung der im Straßenverkehr begangenen Straftat
gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf
der Nötigung zum Nachteil von Roland G. . Ergänzend
bemerkt der Senat, daß der tateinheitlich abgeurteilte
gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr in der
vom Landgericht angenommenen
Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination des § 315 b Abs.
4 StGB nicht zum Schuldspruch wegen fahrlässiger Begehung,
sondern zur Verurteilung wegen Vorsatztat hätte
führen müssen (§ 11 Abs. 2 StGB).
Schließlich beschränkt der Senat das Verfahren in
den beiden Fällen II 16 der Urteilsgründe auf den
Vorwurf der versuchten Nötigung; nach der bisherigen
Rechtsprechung tritt die Drohung auch hinter der nur versuchten
Nötigung zurück (BGHR StGB § 240 Abs. 3
Konkurrenzen 2; dagegen Maatz NStZ 1995, 209, 212 f.).
2. Im übrigen hat die Überprüfung des
Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten
beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des
Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 5. November 1999.
Allerdings ist der Ausspruch über die Anrechnung der in den
Niederlanden erlittenen Auslieferungshaft dahin - wie vom Landgericht
gewollt (UA 17, 39) - klarzustellen, daß die gesamte Dauer
der Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die
Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird. Ein anderer
Umrechnungsmaßstab kommt nicht in Betracht.
3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Die Beschränkung
in den Fällen II 14 und 16 läßt die
maßvollen Einzelstrafen unberührt. Der Senat
schließt angesichts der Vielzahl und Höhe der
verbleibenden Einzelstrafen auch aus, daß das Landgericht
ohne die von der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO im Fall II
5 verhängte Einzelfreiheitsstrafe auf eine niedrigere
Gesamtstrafe erkannt hätte.
4. Die Abfassung der Urteilsgründe geben dem Senat
Anlaß zu dem Hinweis, daß insbesondere bei einer
Vielzahl von Taten - wie hier - die Verständlichkeit der
Urteilsgründe erheblich leidet, wenn die Ordnungsziffern der
festgestellten Taten im Abschnitt II der Urteilsgründe weder
bei der Beweiswürdigung, noch bei der rechtlichen
Würdigung und auch nicht bei der Strafzumessung (Abschnitte
III, IV und V) aufgeführt werden, sondern sie dort
gänzlich fehlen. Die Prüfung wird hier
zusätzlich dadurch erschwert, daß in den
Urteilsgründen bei der Sachverhaltsschilderung einerseits auch
die vom Landgericht nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten
Fälle unter eigenen Ordnungsziffern wiedergegeben werden,
andererseits teilweise mehrere rechtlich und tatsächlich
unterschiedliche Fälle unter einer einzigen Ordnungsziffer
(Fälle II 14 der Urteilsgründe)
zusammengefaßt werden. Eine derartige
Unübersichtlichkeit birgt auch die Gefahr sachlich-rechtlicher
Mängel in sich, die den Bestand des Urteils gefährden
können. Es empfiehlt sich deshalb, innerhalb eines Urteils
einheitlich Ordnungsziffern für die einzelnen abgeurteilten
Fälle jeweils bei dem Sachverhalt, der
Beweiswürdigung, der rechtlichen Würdigung und der
Strafzumessung zu verwenden (BGH, Beschluß vom 9. Dezember
1998 - 3 StR 558/98; ferner Kroschel/Meyer-Goßner Die Urteile
in Strafsachen 26. Aufl. S. 74 ff.).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Solin-Stojanovic Ernemann |