BGH,
Beschl. v. 18.1.2000 - 4 StR 599/99
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 599/99
vom
18. Januar 2000
in der Strafsache gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Januar
2000 gemäß §§ 44, 349 Abs. 2 und 4
StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
wird als unzulässig verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Essen vom 16. Juli 1999
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung, der
versuchten räuberischen Erpressung und der
Körperverletzung schuldig ist;
b) mit den Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen
über die Einzelstrafen in den Fällen II 1 und 3 der
Urteilsgründe und über die Gesamtstrafen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer
Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des
Landgerichts Essen vom 20. Februar 1998 (zwei Jahre mit
Bewährung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren
verurteilt. Ferner hat es ihn wegen schwerer räuberischer
Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung und
Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung
formellen und materiellen Rechts.
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm "Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist
zu gewähren", ist unzulässig, da die Revision mit dem
vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei dem Landgericht
eingegangenen Schriftsatz vom 23. Juli 1999, mit dem "die Verletzung
formellen und materiellen Rechts" gerügt worden ist,
ordnungsgemäß begründet wurde. Eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der mit
Schriftsatz vom 19. Oktober 1999 erhobenen Verfahrensrügen,
die im übrigen den Anforderungen des § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO nicht genügen, kommt hier nicht in Betracht.
Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. November 1999 verwiesen.
2. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde zum Schuldspruch in den
Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe und zu den
Gesamtstrafenaussprüchen Erfolg; im übrigen ist es
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Die Feststellungen rechtfertigen im Fall II 1 der
Urteilsgründe nicht die Annahme einer vollendeten
Nachteilzufügung gemäß §§
255, 253 StGB. Zwar kann bereits die erzwungene Ausstellung eines
Schuldscheins einen Vermögensnachteil in Form einer
Vermögensgefährdung darstellen. Dies setzt jedoch
voraus, daß hierdurch das Vermögen schon konkret
gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu
rechnen ist (BGHSt 34, 394, 395 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn
bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Sicht des
Genötigten konkret mit der Inanspruchnahme durch den nach
Aushändigung der Erklärung
beweisbegünstigten Täter zu rechnen ist (BGH aaO; BGH
NStZ-RR 1998, 233). Dafür, daß der Angeklagte die
ihm nach den Feststellungen nicht zustehende Forderung von 1.500 DM
unter Verwendung des Schuldscheins, zu dessen Unterzeichnung er H.
genötigt hatte, gerichtlich durchsetzen wollte,
enthält das Urteil aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr kam es
dem Angeklagten ersichtlich allein darauf an, die unmittelbare
Herausgabe von Geld zu erzwingen; denn in der Folgezeit drohte er H.
"mehrfach" bei zufälligen Zusammentreffen und forderte von
diesem - wiederum ohne Erfolg - am 24. April 1998 (Fall II 3 der
Urteilsgründe) erneut die Zahlung von 1.500 DM und
schließlich von 500 DM. Der Geschädigte erlitt somit
unter den hier gegebenen Umständen durch die erzwungene
bloße Ausstellung des Schuldscheins noch keinen
wirtschaftlichen Nachteil (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1999 - 5 StR
207/99 - und Beschluß vom 9. November 1999 - 4 StR 492/99),
so daß sich das Tatgeschehen im Fall II 1 der
Urteilsgründe lediglich als versuchte schwere
räuberische Erpressung darstellt.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Beurteilung
des Konkurrenzverhältnisses zwischen der - aus den
vorgenannten Gründen lediglich versuchten -
räuberischen Erpressung im Fall II 1 der
Urteilsgründe und der versuchten räuberischen
Erpressung im Fall II 3, die das Landgericht als zwei rechtlich
selbständige Taten gewertet hat. Beide Vorfälle
stellen sich vielmehr nach den Feststellungen als sukzessive
Ausführungshandlungen eines einheitlichen Erpressungsversuchs
zum Nachteil des H. und damit als eine - eine Tat im Rechtssinne
bildende - tatbestandliche Handlungseinheit dar (vgl. BGHSt 41, 368,
369; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), da der Angeklagte
sein Ziel, H. zur Zahlung des geforderten Betrages zu zwingen - ebenso
wie im Fall II 2 (schwere räuberische Erpressung zum Nachteil
des O. ), in dem er das Tatopfer am 8. März 1998 zur Zahlung
zunächst eines Teilbetrages und schließlich etwa
drei bis vier Monate später zu einer weiteren Zahlung zwang
-bis zum endgültigen Scheitern des Erpressungsversuchs am 24.
April 1998 weiterverfolgte.
c) Der Senat hat daher den Schuldspruch in den Fällen II 1 und
3 dahin geändert, daß der Angeklagte insoweit einer
versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist. §
265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist,
daß sich der Angeklagte gegen den geänderten
Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.
Die Schuldspruchänderung nötigt zur Aufhebung der
Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 1 und 3 der
Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenaussprüche. Die
übrigen Einzelstrafen können dagegen bestehen bleiben.
3. Mit Rücksicht darauf, daß die versuchte
räuberische Erpressung zum Nachteil H. (Fälle II 1
und 3 der Urteilsgründe) erst nach der Verurteilung des
Angeklagten durch das Landgericht Essen vom 20. Februar 1998 beendet
war, kommt eine Einbeziehung der Strafe aus dieser Verurteilung nach
§ 55 StGB und die Bildung von zwei Gesamtstrafen nicht in
Betracht. Die nunmehr nach der Festsetzung einer neuen Einzelstrafe
für die versuchte räuberische Erpressung zu bildende
Gesamtfreiheitsstrafe darf daher drei Jahre und sechs Monate nicht
übersteigen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Meyer-Goßner Maatz Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |