BGH,
Beschl. v. 18.1.2002 - AK 1/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AK 1/02
2 BJs 24/00 - 7
2 StE 7/01 - 6
vom
18. Januar 2002
in dem Strafverfahren gegen
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts sowie des Angeschuldigten und seiner
Verteidiger am 18. Januar 2002 gemäß
§§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den
Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem
Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.
Gründe:
Der Angeschuldigte befindet sich seit 9. Juli 2001 auf Grund des
Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 11.
Juni 2001 (2 BGs 147/2001) in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen,
sich in der Zeit von Februar 2000 bis März 2001
mitgliedschaftlich an einer innerhalb der PKK/ERNK aus den
Führungskadern gebildeten kriminellen Vereinigung beteiligt zu
haben. In der Begründung des Haftbefehls wird davon
ausgegangen, daß sich der von § 129 Abs. 1 StGB
vorausgesetzte kriminelle Charakter der Vereinigung zum einen aus der
mit dem Fälschen von Ausweis- und Aufenthaltspapieren sowie
aus Verstößen gegen das Ausländergesetz
verbundenen Tätigkeit des "Heimatbüros" und zum
anderen daraus ergebe, daß die Führung der PKK/ERNK
sich vorbehalten habe, vom derzeit friedlichen Kurs zur Anordnung von
Straftaten mit "demonstrativem" Charakter überzugehen. Der
Angeschuldigte sei als Führungskader bereit gewesen, solche
Befehle jederzeit umzusetzen, und habe dafür gesorgt,
daß "die Masse aktionsbereit" geblieben sei.
Der Senat stützt seine Haftfortdauerentscheidung gegen den
Angeschuldigten nur noch auf den Vorwurf der mitgliedschaftlichen
Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, deren Tätigkeit
und Zwecke auf Straftaten im Zusammenhang mit dem "Heimatbüro"
gerichtet sind.
Die durchgeführten Ermittlungen belegen den dringenden
Verdacht, daß sich der Angeschuldigte als Leiter der Region
Mitte an einer kriminellen Vereinigung beteiligt hat, die auf
Straftaten, begangen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des
"Heimatbüros" der PKK/ERNK, gerichtet war. Wegen der
Einzelheiten hierzu wird auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen
der Anklageschrift vom 17. Dezember 2001 verwiesen. Daraus ergibt sich
nicht nur, daß er nicht nur auf Grund seiner
führenden Position als Regionsverantwortlicher den
Mitarbeitern des "Heimatbüros" gegenüber eine
Vorgesetztenstellung hatte, sondern darüber hinaus mehrfach
konkret in dessen Tätigkeit eingebunden war.
Da der vorstehend dargelegte Tatverdacht die Anordnung und Fortdauer
der Untersuchungshaft rechtfertigt, kann der Senat im Rahmen dieser
Haftfortdauerentscheidung offen lassen, ob die dem Haftbefehl zugrunde
gelegte Auffassung zutrifft, die Führungsebene der PKK/ERNK
stelle derzeit auch deswegen eine kriminelle Vereinigung dar, weil sie
zwar nach dem Frühjahr 1999 "demonstrative" Straftaten wie
Hausfriedensbruch, Landfriedensbruch, Körperverletzung,
Sachbeschädigung, Nötigung und Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte nicht mehr nachweisbar durchgeführt oder
gesteuert hat, sich allerdings vorbehalten habe, "jederzeit mit
sonstigen Gewalttaten auf Situationen und so bezeichnete Provokationen
zu reagieren, die nach ihrer Ansicht Leib und Leben des
Parteiführers Öcalan gefährden oder den
Bestand der Parteistrukturen bedrohen könnten". Hiergegen
könnten Bedenken bestehen, weil die Zwecke oder die
Tätigkeit einer kriminellen Vereinigung im Sinne des
§ 129 StGB in der Weise darauf gerichtet sein müssen,
Straftaten zu begehen, daß diese nicht nur von
untergeordneter Bedeutung, sondern in dem Sinne wesentlich und mit
anderen Zwecken oder Tätigkeiten gleichgeordnet sind,
daß durch das strafrechtswidrige Verhalten das
Erscheinungsbild der Vereinigung aus der Sicht informierter Dritter
mitgeprägt wird (BGHSt 41, 47, 56). Dies bedarf angesichts des
Kurswechsels der PKK, die ihre Ziele nunmehr mit friedlichen und
politischen Mitteln erreichen will, einerseits und des Umstandes
andererseits, wonach die Voraussetzungen einer Rückkehr zu
"demonstrativen" Straftaten nur relativ vage definiert und auch ein
zeitlicher Rahmen nicht absehbar ist, einer genaueren Prüfung
in der Hauptverhandlung.
Wegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr wird auf die Gründe des
Haftbefehls Bezug genommen. Ihr kann durch weniger einschneidende
Maßnahmen nach § 116 StPO nicht begegnet werden. Die
Fortdauer der Untersuchungshaft ist in Anbetracht des Tatvorwurfs auch
nicht unverhältnismäßig. Hierbei ist zu
berücksichtigen, daß der Angeschuldigte am 18.
November 1998 durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main
einschlägig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung u.a. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei
Monaten verurteilt worden war. Die dieser Verurteilung zugrunde
liegenden Straftaten hatte der Angeschuldigte im Jahre 1996 als
Verantwortlicher für die PKK-Region Süd begangen. Am
17. Dezember 1999 war der Angeschuldigte aus der Haft entlassen worden,
nachdem der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden
war. Bereits im Februar 2000 und damit während des Laufs der
Bewährungszeit hat er seine Tätigkeit als
Führungskader in der PKK als Verantwortlicher für die
Region Mitte fortgesetzt.
Dem in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatz nach §
121 Abs. 1 StPO ist Rechnung getragen worden, da trotz der
umfangreichen, mit hohem Übersetzungsaufwand verbundenen
Ermittlungen bereits am 17. Dezember 2001 die Anklage gefertigt und am
19. Dezember 2001 zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben
worden ist.
Tolksdorf Winkler Becker |