BGH,
Beschl. v. 18.7.2000 - 4 StR 258/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 258/00
vom
18. Juli 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Juli
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Paderborn vom 7. März 2000 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen der Betäubungsmittel-
Einfuhrfahrten Anfang August 1999 sowie am 10. und 30. Oktober 1999
verurteilt worden ist,
b) im gesamten Strafausspruch und soweit die Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter
Mitführung einer Schußwaffe in sieben
Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben
Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
angeordnet, den Pkw BMW des Angeklagten eingezogen und die
Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von
drei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit seiner Revision gegen
dieses Urteil rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge
teilweise Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im
Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte, der im Jahre 1999
täglich 2 bis 2 1/2 Gramm Heroin rauchte (UA 6, 17), gemeinsam
mit seinem Bekannten R. Ende Juni 1999 eine, im Juli 1999 -
wöchentlich - insgesamt vier und Anfang August 1999 eine Fahrt
nach Rotterdam unternommen, wo beide jeweils 100 g Heroin kauften, das
sie nach Deutschland verbrachten. Am 10. Oktober 1999 unternahm er mit
dem "Zeugen F. " eine weitere Fahrt in die Niederlande, wo er 70 g
Heroin kaufte. Auch dieses Betäubungsmittel führte er
nach Deutschland ein. Die letzte Einfuhrfahrt unternahm er am 30.
Oktober 1999. Hier erwarb er in Rotterdam 20 g Heroin, das er
anschließend nach Paderborn verbrachte. Bei den Fahrten
führte der Angeklagte jeweils eine geladene Gaspistole im
Handschuhfach seines Pkws mit sich. Das Heroin wies einen
(Mindest-)Reinheitsgehalt von jeweils 5 % auf. Der Angeklagte verkaufte
das von ihm eingeführte Rauschgift - wie von vornherein
beabsichtigt - an Betäubungsmittelkonsumenten.
2. Während der Schuldspruch hinsichtlich der ersten
fünf Einfuhrfahrten (Ende Juni 1999 bis Ende Juli 1999) keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, kann er im
übrigen nicht bestehen bleiben.
Zu Recht beanstandet die Revision, daß das Landgericht die
naheliegende Möglichkeit nicht erörtert hat,
daß ein Teil des vom Angeklagten in den Niederlanden
erworbenen Heroins zum Eigenverbrauch verwendet wurde; denn ein
anderweitiger Erwerb (zum Eigenverbrauch) ist nicht festgestellt und
der Verkauf des gesamten vom Angeklagten eingeführten
Rauschgifts ist nicht belegt. Der der Verurteilung zugrunde gelegte
Schuldumfang ist auch insofern unklar, als offen bleibt, ob - und wenn
ja, aus welchem Grunde - dem Angeklagten auch das von R. gekaufte
Rauschgift als Handelsmenge angelastet wird (s. UA 6, 7, 18). Zu den
zuzurechnenden Mengen wird lediglich ausgeführt, daß
der Grenzwert der "nicht geringen Menge" (§ 30 a BtMG) bei
allen Taten - mit Ausnahme der Fahrt von Ende Oktober 1999 - "erheblich
überschritten" sei (UA 16). Das genügt zur
rechtsfehlerfreien Bestimmung des Schuldumfangs nicht und kann hier
nicht nur den Strafausspruch (vgl. BGHR BtMG § 29
Strafzumessung 11), sondern auch den Schuldspruch berühren,
soweit der Angeklagte wegen der Einfuhrfahrten Anfang August 1999 sowie
am 10. und 30. Oktober 1999 verurteilt wurde: Während bei den
Fahrten Ende Juni 1999 und (wöchentlich) im Juli 1999 bei
einem wöchentlichen Eigenverbrauch von ca. (7 x 2,5 g =) 17,5
g noch (100 g - 17,5 g =) 82,5 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von
insgesamt jeweils ca. 4 g Heroinhydrochlorid als (Mindest-) Mengen -
und damit "nicht geringe Mengen" im Sinne des § 30 a BtMG
(vgl. BGHSt 32, 162) - für das unerlaubte Handeltreiben zur
Verfügung standen, ist dies nach den Feststellungen
für die Fahrten Anfang August 1999 (weil die nächste
Beschaffungsfahrt erst im Oktober stattfand) und am 10. Oktober 1999
(weil die nächste Fahrt erst am 30. Oktober 1999 war und nur
70 g Heroin erworben wurden) nicht sicher.
Bei der letzten Fahrt (am 30. Oktober 1999), bei der nur 20 g Heroin
eingeführt wurden, ist sogar fraglich, ob mit dem Rauschgift
Handel getrieben wurde.
3. Das Urteil muß daher aufgehoben werden, soweit der
Angeklagte wegen der Einfuhrfahrten Anfang August 1999 und am 10. und
30. Oktober 1999 verurteilt wurde. Damit entfallen die für
diese Taten festgesetzten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe. Die
übrigen Einzelstrafen müssen ebenfalls aufgehoben
werden, weil der Schuldumfang offen ist. Ergänzende
Feststellungen insoweit sind zulässig und auch erforderlich.
Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zudem nicht
erörtert, ob die Einziehung des dem Angeklagten
gehörenden Pkws, dessen Wert nicht mitgeteilt wird,
strafmildernd zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu BGHR StGB
§ 46 Abs. 1 Strafzumessung 1 und Schuldausgleich 16; BGH,
Beschluß vom 14. Juni 2000 - 2 StR 217/00). Im Hinblick auf
die Tat vom 30. Oktober 1999 hat es übersehen, daß
eine Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 Abs.
1 StGB in Betracht kam (UA 17, 18).
4. Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt muß - bereits auf die Sachrüge,
so daß es auf die Verfahrensrüge nach § 246
a StPO nicht ankommt - aufgehoben werden; denn das Landgericht legt
nicht in nachprüfbarer Weise dar, daß beim
Angeklagten die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen. Die
im wesentlichen nur den Wortlaut dieser Bestimmung wiedergebende
Begründung der Strafkammer genügt hierzu nicht, weil
nicht erkennbar ist, auf welche festgestellten Tatsachen das
Landgericht seine Folgerungen stützt (vgl. BGHR StGB
§ 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 1; BGH, Beschluß
vom 27. November 1998 - 3 StR 498/98).
5. Die Einziehungsanordnung und die Sperre für die Erteilung
einer Fahrerlaubnis können bestehen bleiben; sie werden von
den Rechtsfehlern nicht berührt.
Meyer-Goßner Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |