BGH,
Beschl. v. 18.6.2002 - 4 StR 207/02
4 StR 207/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
18. Juni 2002
in der Strafsache gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Juni
2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 18. Februar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit
von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil
wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen
Rechts gestützten Revision, wobei er insbesondere die
Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB
beanstandet. Insoweit hat sein Rechtsmittel auch Erfolg; im
übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
Die Erwägungen, mit denen das Landgericht von einer
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen
hat, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte seit seinem 16.
Lebensjahr Betäubungsmittel zu sich, zunächst
gelegentlich Kokain, seit 1994 regelmäßig Heroin.
Auch als er ab Ende 1997 zur Substitution Codeinsaft erhielt,
konsumierte er weiter nebenher Heroin. In der Zeit von August 1998 bis
August 1999 lebte der Angeklagte aufgrund strenger Beaufsichtigung
durch seinen älteren Bruder weitgehend drogenfrei. Danach
entzog er sich dieser Aufsicht und nahm erneut Kokain und Heroin zu
sich. Von Mai 2000 bis Februar 2001 verbüßte der
Angeklagte zwei Drittel einer Gesamtfreiheitsstrafe, zu der er wegen
Betäubungsmitteldelikten verurteilt worden war. Nach seiner
Haftentlassung wurde er in ein Methadon-Programm aufgenommen. Trotz der
regelmäßigen Substitution mit Methadon konsumierte
der Angeklagte, insbesondere nach Streitigkeiten mit seiner Familie,
nebenbei zumindest gelegentlich Kokain, so auch vor Begehung der den
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Straftaten. Auch
nachdem er am 7. August 2001 nach Kokainkonsum kollabiert war und eine
Nacht im Krankenhaus verbringen mußte, erwarb er bereits am
folgenden Tag wieder Kokain und nahm davon mehrere Konsumeinheiten zu
sich.
Nach diesen Feststellungen liegt ein Hang des Angeklagten im Sinne des
§ 64 StGB nahe. Ein Hang kann bereits bei einer
eingewurzelten, durch Übung erworbenen intensiven Neigung,
immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu
nehmen, gegeben sein. Zwar könnte der festgestellte Konsum von
Kokain allein möglicherweise nicht ausreichen, einen solchen
Hang zu bejahen. Die Strafkammer hat aber rechtsfehlerhaft nicht
berücksichtigt, daß dieses Betäubungsmittel
nur der Beikonsum zu dem im Rahmen der Substitution verabreichten
Methadon war, welches seinerseits ein berauschendes Mittel im Sinne des
§ 64 StGB darstellt (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang
7 m.w.N.). Bereits die Tatsache, daß der Angeklagte mit
Methadon behandelt wurde, deutet auf einen bei ihm vorhandenen Hang
hin, da zur Aufnahme in das Methadonprogramm eine
Opiatabhängigkeit erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 1998, 414).
Hinzu kommt, daß er vor beiden Taten trotz der
Substitutionsbehandlung von seinen begrenzten Geldmitteln Kokain erwarb
und sich davon mehrere Konsumeinheiten spritzte.
Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatrichterlicher
Prüfung. Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt
hat, steht der Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen.
Der Strafausspruch wird von der Teilaufhebung nicht berührt.
Der Senat schließt aus, daß der Tatrichter, der
beim Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB zur Zeit
der Taten rechtsfehlerfrei verneint hat, bei Anordnung der
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geringere Strafen
verhängt hätte.
Tepperwien Maatz Kuckein Solin-Stojanovic Ernemann
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