BGH,
Beschl. v. 18.3.2008 - 1 StR 103/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 103/08
vom
18.3.2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18.3.2008 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Passau vom 26. November 2007 dahin abgeändert, dass vor der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ein Jahr und
drei Monate von der gegen den Angeklagten verhängten
Gesamtfreiheitsstrafe zu vollziehen ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
1. Der in dieser Sache seit 23. April 2007 inhaftierte Angeklagte wurde
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs
Monaten verurteilt; außerdem wurde seine Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt angeordnet (§ 64 StGB). Zur
Vollstreckungsreihenfolge hat die Strafkammer unter Hinweis auf
§ 67 Abs. 2, 5 StGB nF (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I 1327)
bestimmt, dass von der Strafe ein Teil von zwei Jahren vor der
Unterbringung in der Entziehungsanstalt zu vollziehen ist.
Sachverständig beraten geht sie davon aus, dass beim
Angeklagten eine Therapiedauer von voraussichtlich einem Jahr
erforderlich ist. Auf dieser Grundlage hat sie sich bei der Bemessung
der Dauer des Vorwegvoll-
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zuges an der Möglichkeit einer
„Zwei-Drittel-Reststrafenaussetzung“ orientiert.
Angesichts seiner näher dargelegten, teilweise
einschlägigen Vorstrafen und seiner bisherigen
Strafverbüßungen sei nicht von einer
„positiven Halb-Reststrafenaussetzung“ auszugehen.
2. Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge
gestützte Revision führt (entsprechend § 354
Abs. 1 StPO i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO) zu einer
Änderung der Entscheidung über den vorweg zu
vollziehenden Teil der Strafe, bleibt aber im Übrigen
erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
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a) Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur
Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den
Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit verweist der
Senat auf die zutreffenden Ausführungen des
Generalbundesanwalts.
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b) Die Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzugs war
abzuändern:
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(1) Gemäß § 67 Abs. 1 StGB ist die
Maßregel vor der Strafe zu vollziehen. Das Gericht bestimmt
jedoch, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der
Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der
Maßregel dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2
Satz 1 StGB). Ist - wie hier - eine Freiheitsstrafe von mehr als drei
Jahren verhängt, „soll“ das Gericht
bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu
vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB); dies also dann, wenn
nicht aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere
Entscheidung eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten
lässt (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 67 Rdn. 10, 12
m.w.N.). Liegen - wie hier - keine Gründe vor, die gegen eine
Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat
der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu
vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr.
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Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB „i
s t“ dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner
Vollziehung und der anschließenden Unterbringung eine
Entscheidung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB
möglich ist, also eine Halbstrafenentlassung. Darauf, ob es
nahe liegend erscheint, dass die zuständige
Strafvollstreckungskammer zu gegebener Zeit eine solche Entscheidung
auch treffen wird, oder ob, wie dies die Strafkammer hier
nachvollziehbar meint, ein solches Ergebnis letztlich nicht zu erwarten
ist, kommt es nicht an. Eine an einer mutmaßlichen
Zwei-Drittel-Reststrafenaussetzung orientierte Bemessung der Dauer des
Vorwegvollzuges, wie sie die Strafkammer vorgenommen hat, ist dem
Tatrichter nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, wie er sich
schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt und der von den
Gesetzesmaterialien zusätzlich bestätigt wird (vgl.
BTDrucks. 16/1110 S. 11), versagt. Dies hat auch der
Generalbundesanwalt zutreffend im Einzelnen ausgeführt und
belegt (vgl. zusammenfassend auch BGH, Beschl. vom 8.1.2008 - 1 StR
644/07).
(2) Zu der nach alledem gebotenen Entscheidung hat der
Generalbundesanwalt unter anderem ausgeführt:
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„Einer Zurückverweisung der Sache …
bedarf es … nicht. Vielmehr kann der Senat die Dauer des
Vorwegvollzuges … selbst festlegen (vgl. BGH Beschl. v. 15.
November 2007 - 3 StR 390/07). Die … Therapie (wird)
voraussichtlich ein Jahr dauern … .
Demgemäß kann der Senat die Höhe des vor
der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Gesamtstrafe auf ein Jahr
und drei Monate bestimmen. Nach dessen Vollstreckung und einer ein Jahr
dauernden Unterbringung ist mit zwei Jahren und drei Monaten die
Hälfte der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe erledigt.
Die … Untersuchungshaft ist auf die Dauer des vor der
Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe anzurechnen (BGH
aaO).“
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Dem stimmt der Senat zu.
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c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
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Nack Wahl Boetticher
Elf Sander |