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BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 StR 114/05


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 18.10.2005 - 1 StR 114/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 114/05
vom
18.10.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18.10.2005 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 13. September 2004 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten - nach zehnmonatiger
Hauptverhandlung an 42 Verhandlungstagen - am 13. September 2004
wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen
des Landgerichts tötete der Angeklagte, ein Deutscher, der seinerzeit in
Rumänien lebte, am 28. September 2001 in T. seinen
Geschäftspartner, den deutschen Autohändler Sp. , bei einem Streit
über die ausstehende Bezahlung einer Restforderung gegen den Angeklagten
in Höhe von 4.500,-- DM, zur Verdeckung einer vorhergegangenen Körperverletzung,
die anzuzeigen der Geschädigte gedroht hatte; er werde ihn - den Angeklagten
- jetzt für immer ins Gefängnis bringen.
Die Revision, die die Verletzung materiellen sowie formellen Rechts
rügt, ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), in Teilen der Revisionsbegründung -
soweit sie vom Angeklagten selbst verfasst wurde - bereits unzulässig (§ 349
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Abs. 1 StPO). Hierzu wird zunächst auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts
in seiner Antragsschrift vom 29.03.2005 verwiesen.
Lediglich zu folgenden Punkten ist ergänzend etwas zu bemerken:
A. Zur Revisionsbegründung der Verteidiger, Rechtsanwälte
H. und B. aus R. , vom 3.01.2005 (Revisionsbegründung
Seite 1 bis 456 = Gerichtsakte Blatt 1337 bis 1792).
1. Behauptung des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 3 StPO,
da der Befangenheitsantrag gegen den Schöffen Re. zu Unrecht als unbegründet
zurückgewiesen worden sei.
Der Befangenheitsantrag vom 30. Juli 2004 (am 37. Verhandlungstag)
stützte sich insbesondere darauf, dass der Schöffe am 5. Verhandlungstag
(13. November 2003) im Fahrstuhl des Gerichtsgebäudes einem Journalisten
gegenüber gesagt haben soll: "Der M. ist der Täter, davon bin ich überzeugt,
der soll gestehen, dann dauert das Verfahren nicht so lang." Zwei bis
drei Wochen später (also spätestens im Dezember 2003) hat der Verteidiger
- so der Vortrag in der Revisionsbegründung - während eines Gesprächs mit
dem Journalisten beiläufig davon erfahren. "Herr M. [der Angeklagte] ist
über dieses Gespräch, welches Rechtsanwalt B. mit Herrn
St. [richtig: St. , der Journalist] geführt hatte, nie informiert worden",
so der Verteidiger in der Begründung des Befangenheitsantrags.
Ausgehend von der unterbliebenen Unterrichtung des Mandanten war
die Antragsstellung nicht verspätet (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 StPO), wie der Generalbundesanwalt
zutreffend ausgeführt hat, da es nach herrschender Meinung auf
die Kenntnis des Angeklagten ankommt (vgl. BGHSt 37, 264 [265]; Wendisch
in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 25 Rdn. 20; Pfeiffer in Karlsruher Kom-
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mentar zur StPO 5. Aufl. § 25 Rdn. 3, Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 25
Rdn. 7 - ob daran festzuhalten ist, kann hier dahinstehen).
Allerdings ist es kaum nachvollziehbar, dass ein gewissenhafter (§ 43
Abs. 1 Satz 1 BRAO) und den Interessen seines Mandanten verpflichteter Verteidiger
jenen nicht unverzüglich über einen ihm zugetragenen, den Eindruck
der Befangenheit eines Richters begründenden Sachverhalt unterrichtet und
stattdessen ohne Beratung mit dem Mandanten zulässt, dass über diesen ein
aus seiner Sicht möglicherweise befangener Schöffe noch monatelang zu Gericht
sitzt. Bei einem so schwerwiegenden Verdacht gegen die Unbefangenheit
eines Schöffen hätte sich, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist,
für eine sachgerechte Verteidigung die zeitnahe Ablehnung eines Mitglieds des
Gerichts geradezu aufgedrängt, damit - gegebenenfalls - eine neue Hauptverhandlung
ohne größere Verzögerungen mit einem unbefangenen Gericht hätte
begonnen werden können. Darauf kommt es im vorliegenden Fall allerdings
letztlich nicht an.
Denn die Strafkammer lehnte den Befangenheitsantrag zu Recht als unbegründet
ab, da ein die Befangenheit des Schöffen begründender Umstand
nicht glaubhaft gemacht wurde, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift
im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat.
Es kann hier auch dahinstehen, ob bei der langen Verhandlungsdauer
zwischen dem Vorfall, der Grundlage des Befangenheitsantrags war, und dem
Zeitpunkt, als dieser gestellt wurde, in der Revisionsbegründung nicht dazu
hätte etwas mitgeteilt werden müssen (§ 344 Abs. 1 Satz 2 StPO), dass zwischenzeitlich
keine Umstände eingetreten sind, die den - behaupteten - Eindruck
der Voreingenommenheit des Schöffen jedenfalls wieder beseitigten.
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Dieser Befangenheitsantrag gibt Anlass zu dem Hinweis, der Vorsitzende
einer Strafkammer möge die ehrenamtlichen Richter bei der anempfohlenen
(vgl. RiStBV Nr. 126 Abs. 1) Belehrung über mögliche Befangenheitsgründe
vor einer Verhandlung jedenfalls in spektakulären Fällen ermahnen, Außenstehenden
gegenüber Äußerungen über das Verfahren tunlichst zu unterlassen.
Auch völlig unverfängliche Bemerkungen können missverstanden werden oder
können bei mündlicher Weitergabe sinnentstellende Veränderungen erfahren
(vgl. BGH wistra 2002, 267 [266]), die dann - wenn auch zu Unrecht - den Eindruck
der Befangenheit vermitteln.
2. Rüge der Verletzung der §§ 163a Abs. 3 Satz 2, 136 Abs. 1 Satz 2,
141 Abs. 3 Satz 1 StPO, Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK.
a) Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
aa) Zum Verfahrensgang im Ermittlungsverfahren:
Am 26. August 2002 war in einem Appartement in T. die zerstückelte
Leiche des lange vermissten Sp. aufgefunden worden. Mieter
des Appartements war der Angeklagte, der sich während dieses Zeitraums
nicht in Rumänien aufhielt. Darüber war am Abend im rumänischen Fernsehen
berichtet worden. Dies hatte das Bundeskriminalamt zur Rückfrage bei der Direktion
der rumänischen Kriminalpolizei veranlasst. Das Bundeskriminalamt
informierte die Kriminalpolizeiinspektion L. , die dann unter Anregung
umfangreicher strafprozessualer Maßnahmen, darunter die Beantragung eines
- deutschen - Haftbefehls, die Staatsanwaltschaft R. unterrichtete.
Das Amtsgericht in T. hatte bereits am 27. August 2002 Haftbefehl
gegen den Angeklagten erlassen.
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Nach Einleitung von Fahndungsmaßnahmen seitens der Staatsanwaltschaft
konnte der Angeklagte bereits am 28. August 2002 um etwa 01.00 Uhr in
der Wohnung seiner geschiedenen Frau in N. festgenommen werden.
Gegen 01.30 Uhr wurden hiervon Staatsanwältin D. telefonisch und
seitens der Polizeidirektion L. um 03.06 Uhr verschiedene andere polizeiliche
Dienststellen, darunter die Lagezentrale beim Polizeipräsidium in R.
und das Bayerische Landeskriminalamt in München per Fax unter
richtet.
Noch am selben Tag wurde der Angeklagte um etwa 11.00 Uhr Kriminalhauptkommissar
E. und Kriminalhauptkommissar C. von der
Polizeidirektion L. zur Beschuldigtenvernehmung vorgeführt.
Das Landgericht hat hierzu in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt:
".... steht weiter fest, dass vor der förmlichen Vernehmung des
Angeklagten ....... ein ca. 10 Minuten dauerndes Vorgespräch geführt
worden ist. Eingangs dieses Vorgesprächs wurde dem Angeklagten
dabei eröffnet, dass ihm die Tötung des Sp.
zur Last liege. Er wurde darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe,
Angaben zur Sache zu machen oder nicht auszusagen und
dass er jederzeit einen Verteidiger befragen könne. Daraufhin
äußerte der Angeklagte, dass er keine Angaben zur Sache machen
wolle. Als ihn KHK C. darauf hinwies, er könne nun
sein Gewissen erleichtern, begann der Angeklagte zu weinen; er
äußerte, er wolle nun sagen wie es passiert sei und habe den
Tatablauf in groben Zügen geschildert. Daraufhin wurde das Vorgespräch
unterbrochen und der Angeklagte noch einmal förmlich
als Beschuldigter belehrt ... .
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Die daraufhin durchgeführte Beschuldigtenvernehmung lief so ab,
wie in der Niederschrift protokolliert."
Die Vernehmungsniederschrift hat eingangs folgenden Inhalt:
Ort der Vernehmung: 84028 L.
Tag der Vernehmung: 28. 08. 2002
Vernehmungsbeginn: 11.14 Uhr Vernehmungsende: 13.40 Uhr
"Zur Sache:
Vorhalt:
Herr M. , Sie werden beschuldigt Herrn Sp. getötet zu
haben. Sie haben das Recht, zur Sache auszusagen bzw. keine
Aussage zu machen.
Sie können einen Rechtsanwalt ihrer Wahl mit ihrer Vertretung
beauftragen und Sie haben das Recht Beweiserhebungen zu beantragen,
die zu ihrer Entlastung dienen.
Fr.:
Haben Sie diese Belehrung verstanden und wollen Sie aussagen?
Aw.:
Ich habe diese Belehrung verstanden und will auch aussagen, ich
weiß aber nicht ob ich das schaffe.
Fr.:
Wollen Sie einen Rechtsanwalt nehmen?
Aw.:
Ich habe kein Geld und ich kann mir deshalb keinen RA nehmen.
Fr.:
Herr M. Sie wurden schon in dieser Sache als Zeuge vernommen.
Geben Sie bitte noch einmal an wie Sie Herrn Sp.
kennen gelernt haben?
Aw.:
Wie ich Herrn Sp. kennen gelernt habe, das entspricht der
Wahrheit, wie ich es damals angegeben habe."
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In der Folge gestand der Beschuldigte die Tat unter Schilderung des
Geschehens im Detail einschließlich der Vorgeschichte sowie der Verwahrung
des Toten in seiner Wohnung und der Zerstückelung der Leiche nach etwa
zehn Monaten zum Transport in eine andere Wohnung unter Mithilfe seiner
Freundin.
Am nächsten Tag, dem 29. August 2002, wurde der Angeklagte der Haftrichterin
vorgeführt.
Die Vernehmungsniederschrift hat - soweit hier von Bedeutung - folgenden
Wortlaut:
"Dem Beschuldigten wird eröffnet, welche Tat ihm zur Last gelegt
wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen.
Dem Beschuldigten wird mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft
beantragt habe, Haftbefehl zu erlassen.
Sodann wurde der Beschuldigte belehrt, dass es ihm freistehe,
sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen
und jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen
von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen, und dass er zur
Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen könne.
Der Beschuldigte erklärte:
Mir tut das alles so leid. Ich habe das alles so nicht gewollt. Ich
möchte nach Rumänien ausgeliefert werden und dort in Haft gehen.
Ich habe das alles ja auch dort gemacht. Bevor ich Angaben
zur Sache mache, möchte ich mich erst mit einem Pflichtverteidiger
besprechen. … Ich möchte im Moment keine weiteren Angaben
machen.
Ich beantrage, dass mir ein Pflichtverteidiger bestellt wird.
Ich habe nicht mehr vor mich umzubringen. Ich habe das im Dezember
2001 und im April 2002 in Rumänien versucht. Jetzt habe
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ich das nicht mehr vor, weil die Tat aufgeklärt ist. Der Druck ist
weg. …"
bb) In der Hauptverhandlung bestritt der Angeklagte die Tat. Auf der
Vernehmung der Polizeibeamten über die Angaben des Angeklagten bei seiner
polizeilichen Vernehmung am 28. August 2002 beruhen die Urteilsfeststellungen
über die Ursachen und den Ablauf der Tat sowie zum Nachtatverhalten. Zu
den Angaben des Beschuldigten bei der Vorführung am 29. August 2002 wurde
die Ermittlungsrichterin gehört. Der Vernehmung der genannten Zeugen und
der Verwertung von deren Angaben widersprach der Verteidiger in der Hauptverhandlung.
Fehlende Pflichtverteidigerbestellung und unzureichende Belehrung
des Beschuldigten über sein Recht zur Verteidigerkonsultation verböten
es, auf diese Beweismittel zurückzugreifen. Bei der Vorführung vor der Haftrichterin
hätte der Beschuldigte darüber hinaus qualifiziert dahingehend belehrt
werden müssen, dass auf seine Angaben bei der Polizei am Vortag wegen des
Verwertungsverbotes nicht zurückgegriffen werden kann.
b) Die Angaben des Beschuldigten in seiner polizeilichen Vernehmung
vom 28. August 2002 wie auch bei seiner Vorführung bei der Haftrichterin am
29. August 2002 sind trotz eines Belehrungsdefizits bei der polizeilichen Vernehmung
verwertbar.
aa) Allerdings wäre es, nachdem der Angeklagte bei seiner polizeilichen
Vernehmung am 28. August 2002 auf die Frage, ob er einen Rechtsanwalt nehmen
wolle, dies nicht verneinte, sondern lediglich erklärte, er könne sich keinen
Rechtsanwalt leisten, und damit klar geworden war, dass der Angeklagte eigentlich
einen Rechtsanwalt konsultieren wollte, sich dazu aber allein durch
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durch seine Mittellosigkeit gehindert sah, angezeigt gewesen, den so inzident
geäußerten Wunsch des Angeklagten nach einem Verteidiger nicht zu übergehen.
Der Angeklagte hätte zunächst darüber belehrt werden sollen, dass fehlende
Mittel einen ersten Kontakt zu einem Rechtsanwalt nicht ausschließen,
da dieser in Fällen der vorliegenden Art in der Regel trotzdem im Hinblick auf
die später zu erwartende Pflichtverteidigerbestellung sofort tätig wird, und dass
dem Beschuldigten deshalb die Möglichkeit gegeben werden kann, einen
Rechtsanwalt seines Vertrauens zu kontaktieren oder - gegebenenfalls - den
anwaltlichen Notdienst anzurufen.
Der Tatvorwurf richtete sich auf ein Verbrechen, seinerzeit Verdacht zumindest
des Totschlags gemäß § 212 StGB, einem Fall der notwendigen Verteidigung
gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Dies stand zum Zeitpunkt der Vernehmung
für die polizeilichen Ermittlungsbeamten auch zweifelsfrei fest. Der
Sachverhalt musste hinsichtlich des dringenden Tatverdachts nicht erst noch
abgeklärt werden (vgl. BGHSt 47, 172 [176]). Aus den vielfältigen Aktivitäten
vor und nach der Festnahme des Angeklagten war den Polizeibeamten die Bedeutung
und das Gewicht des Tatvorwurfs auch im Übrigen vor Augen geführt
worden. Der Beschuldigte wollte sich der Hilfe eines Verteidigers bedienen,
sah hierzu aber allein aus wirtschaftlichen Gründen keine Möglichkeit. Hierbei
irrte er. Denn Rechtsanwälte sind grundsätzlich bereit, jedenfalls bei Verbrechens-,
gar Tötungsvorwürfen, auch mittellosen Beschuldigten sofort beizustehen,
zumindest diese telefonisch zu beraten, im Hinblick auf eine alsbaldige
Bestellung zum Pflichtverteidiger; diese zu veranlassen, sie dann auch in der
Regel sofort bei der Staatsanwaltschaft beantragen. Dem Beschuldigten war
dies bei seiner polizeilichen Vernehmung - anders als einen Tag später bei der
Haftrichterin - ersichtlich nicht bekannt, während bei den Vernehmungsbeam-
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ten - beide Kriminalhauptkommissare - die Kenntnis dieser Praxis vorausgesetzt
werden kann. Deshalb wäre es hier angezeigt gewesen, den Angeklagten,
damals Beschuldigten, dahingehend zu belehren, dass ihm auch im Hinblick
auf eine später zu erwartende Pflichtverteidigerbestellung Gelegenheit
gegeben werden könne, bei einem Rechtsanwalt seines Vertrauens bzw. beim
anwaltlichen Notdienst anzurufen, auch wenn er selbst nicht die Mittel hat, den
Verteidiger selbst zu bezahlen (vgl. entsprechende Erwägungen des 5. Strafsenats
des BGH zur effektiven Ermöglichung des Rechts auf Verteidigerkonsultation
bei vergleichbarer Situation in BGHSt 47, 233 [235] und im Beschluss
vom 11.08.2005 - 5 StR 200/05 -).
bb) Auch dies führte hier jedoch nicht zur Unverwertbarkeit der danach
gemachten Angaben des Beschuldigten bei der Polizei am 28. August 2002.
Hier steht kein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2
StPO im Raum, der im Grundsatz zu einem Verwertungsverbot führt. Der Angeklagte
war vor seiner Vernehmung ordnungsgemäß auf sein Recht zu
Schweigen und zur Verteidigerkonsultation hingewiesen worden, sowohl vor
dem "Vorgespräch", als auch nochmals vor dem Beginn der Fertigung der Vernehmungsniederschrift.
Seine Unkenntnis über die Möglichkeit der Kontaktaufnahme
mit einem Rechtsanwalt auch im Hinblick auf eine spätere Pflichtverteidigerbestellung
trat erst zu Tage, nachdem die Polizeibeamten - fürsorglich,
ohne dass dies damals zwingend geboten gewesen wäre - die Frage nach dem
Wunsch nach einem Verteidiger nochmals wiederholten. Als damit das Informationsdefizit
des Angeklagten offenbar geworden war, hätte dies durch einen
entsprechenden Hinweis behoben werden sollen.
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Dass dieses unterblieb, kommt im Gewicht einer völlig fehlenden Belehrung
nicht annähernd gleich. Aber nur gravierende Verfahrensverstöße können
ein Verwertungsverbot auslösen, da auch dem unabweisbaren Bedürfnis einer
wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung, dem Interesse an
einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren, insbesondere
der wirksamen Aufklärung gerade schwerer Straftaten Verfassungsrang
zukommt (vgl. BGHSt 47, 172 [179]). Dieses Aufklärungsinteresse ist mit dem
hier vorliegenden Verfahrensgeschehen abzuwägen. Dabei ist hier ausschlaggebend,
dass gezielte Irreführung - wie schon der geschilderte Ablauf zeigt -
ausgeschlossen werden kann. Das Interesse an einer umfassenden Aufklärung
der Tat überwiegt deshalb hier bei weitem. Es kommt daher nicht mehr darauf
an, dass der Angeklagte während des ersten Vernehmungsteils (Vorgespräch)
nach ordnungsgemäßer Belehrung die Tötung bereits in den Grundzügen geschildert
hatte und auch bei der Vernehmung durch die Haftrichterin - an deren
Verwertbarkeit kein Zweifel besteht - einen Tag später nach Belehrung und -
nun in Kenntnis einer möglichen Pflichtverteidigerbestellung - seine Tat nochmals
pauschal gestand. Seine Äußerungen bei der Ermittlungsrichterin waren
auch nicht lediglich Folge des umfassenden Geständnisses bei der Polizei am
Tag davor, sondern Ausdruck seiner Erleichterung, der inneren Befreiung
durch die Aufdeckung der Tat, "der Druck ist weg".
cc) Dahinstehen kann auch, ob mit der Vernehmung des nach Belehrung
gemäß § 136 StPO aussagebereiten Angeklagten nicht überhaupt bis zu einer
Pflichtverteidigerbestellung zugewartet werden musste (vgl. hierzu BGHSt 47,
172 einerseits, BGHSt 47, 233 andererseits), da dies bei der dann gebotenen
Abwägung (vgl. BGHSt 47, 172 [179 f.]) im vorliegenden Fall jedenfalls nicht
zu einem Verwertungsverbot führen könnte.
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B. Die weitergehende, zwei Ordner umfassende Revisionsbegründung
(Seiten 457 bis 1538 = Gerichtsakte Blatt 1793 bis 2874) entspricht, wie der
Generalbundesanwalt bereits dargelegt hat, nicht der Form des § 345 Abs. 2
StPO. Ergänzend wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Juli
2005 - 3 StR 36/05 - verwiesen.
Dieser gesonderte Teil der Revisionsbegründung stammt ersichtlich
nicht von den Verteidigern des Angeklagten. Auch wenn der Angeklagte eingangs
erklärt, er gebe "die nachfolgende, in Zusammenarbeit mit meinen Verteidigern
erstellte Revisionsbegründung" ab, erscheint es ausgeschlossen,
dass diese an der Abfassung dieses Konvoluts ernsthaft gestaltend mitgewirkt
haben. Dass sie auf der letzten Seite unter der vorangestellten Unterschrift des
Angeklagten ihre Unterschriften beifügten, genügt nicht. Die Schrift wurde unter
dem auf der ersten Seite oben vermerkten Namen des Angeklagten mit einer -
nicht immer funktionstüchtigen - mechanischen Schreibmaschine zu Papier
gebracht, soweit es sich nicht um Kopien aus den Verfahrensakten handelt. In
Form, Inhalt und Darstellung unterscheidet sich diese Revisionsbegründung
völlig von der von den Verteidigern unter dem Briefkopf der Kanzlei gekonnt
verfassten Revisionsbegründung. Diese Bewertung wird durch die Darlegung
der Verteidiger in der Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts
nicht entkräftet. Literatur zur Verfügung zu stellen, genügt nicht. Dies
zeigt vielmehr, dass der Angeklagte selbstständig handeln sollte. Die Behauptungen,
die Verteidiger hätten die gesamte Revisionsbegründung begleitet und
ihrer Kontrollfunktion insofern Genüge geleistet und beide Verteidiger hätten
für den Inhalt und auch die Form die volle Verantwortung für die Revisionsbe-
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gründung übernommen, sind nicht substanziiert und stehen im Widerspruch zu
dem vom Angeklagten abgelieferten Schriftsatz.
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Im Übrigen ergab die gleichwohl vorgenommene Durchsicht keine Anhaltspunkte
für einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Nack Wahl Hebenstreit
Elf Graf



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