BGH,
Beschl. v. 19.4.2004 - 5 StR 128/04
5 StR 128/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
19.04.2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19.04.2004
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Neuruppin vom 11. Dezember 2003 nach
§ 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den
zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht
zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit
der
Sachrüge begründete Revision des Angeklagten erzielt
einen Teilerfolg. Sie
ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne von § 349
Abs. 2 StPO. Hingegen
hält der Strafausspruch sachlich-rechtlicher Prüfung
nicht stand.
1. Der Angeklagte und sein Opfer H waren aus Vietnam stammende
Asylbewerber. Im wesentlichen auf Grund der Einlassung des Angeklagten
und des Gutachtens der rechtsmedizinischen Sachverständigen hat
das Landgericht folgenden Tathergang festgestellt: Nach einem Streit
über
die Zulässigkeit des Konsums von Alkohol und Drogen drohte der
alkoholi-
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sierte H dem Angeklagten, ihn nicht mehr im Heim für
Asylbewerber
oder in Berlin wohnen zu lassen. H schlug dem Angeklagten eine
gefüllte
Thermoskanne gegen die Stirn, ohne eine erhebliche Verletzung zu
bewirken. Der Angeklagte erfaßte zur Abwehr weiterer Angriffe
ein unter der
Couch befindliches Küchenmesser mit einer
Klingenlänge von 18 cm und
kündigte dessen Einsatz für den Fall weiterer
Schläge an. H setzte seine
Angriffe mit der Kanne fort. Der Angeklagte versuchte mit der linken
Hand
den Schlag abzuwehren und stieß mit dem Messer 10 cm tief -
nicht tödlich
- in den linken Oberbauch des Angreifers. Während eines
folgenden Gerangels
versuchte H weiter, den Angeklagten mit der Kanne auf den
Kopf zu schlagen. Schließlich obsiegte der Angeklagte, dem es
gelungen
war, seinen Gegner in Richtung Zimmertür zu schieben und ihm
die Kanne
aus der Hand zu schlagen. Kurz drauf verlor H das Gleichgewicht; er
griff reflexartig mit der rechten Hand an den Nacken des Angeklagten und
zog diesen im Fallen mit zu Boden. Der Angeklagte stieß dann
- mit bedingtem
Tötungsvorsatz - mit voller Wucht das Messer in seiner ganzen
Länge
über dem unteren Brustbeinteil in den Bauch des H . Nicht mehr
beherrschbare
innere Blutungen führten noch in der Tatnacht zum Tod des
Opfers.
2. Das Landgericht hat den ersten Messerstich als durch Notwehr
gerechtfertigt angesehen. Die - für den tödlichen
Messerstich - auf ein Unfallgeschehen
abhebende Einlassung des Angeklagten hat es mit rechtsfehlerfreien
Feststellungen widerlegt. Dagegen begegnet die Begründung, mit
der das Schwurgericht die Voraussetzungen der ersten Alternative des
§ 213
StGB verneint hat, durchgreifenden Bedenken.
Das Landgericht hat darauf abgestellt, daß der - eine
willentliche
Verletzung verneinenden - Einlassung des Angeklagten keine Anhaltspunkte
dafür zu entnehmen seien, daß der Angeklagte durch
die Mißhandlung und
den Versuch weiterer Mißhandlungen zum Zorn gereizt war.
Damit stützt sich
das Schwurgericht zu Unrecht auf die in diesem Punkt als widerlegt
angese-
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henen Angaben des Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. vom 9. Oktober 1998
- 2 StR 442/98) und unterläßt es, den fehlerfrei
festgestellten Sachverhalt
eines vorsätzlichen Tötungsdelikts auch im Hinblick
auf eine für das Maß der
Schuld relevante Motivation des Angeklagten zu würdigen. Der
Umstand,
daß der Angeklagte zunächst berechtigt Notwehr
ausgeübt hatte, hindert
nicht die Anwendung der ersten Alternative des § 213 StGB (BGH
NStZ 2001, 477, 478); unmittelbar anschließend setzte das
Opfer sogar noch
seine Angriffe fort und zog den Angeklagten mit zu Boden. Der dann mit
großer
Heftigkeit vom Angeklagten geführte tödliche Stich
dürfte - nicht fernliegend
- dann auch aus spontanem Zorn über diese weiteren Angriffe
geführt
worden sein (vgl. BGH aaO m. w. N.).
3. Der Senat kann nicht ausschließen, daß bei
rechtsfehlerfreier
Prüfung des § 213 StGB das Schwurgericht zu einer
geringeren Strafe gelangt
wäre. Über die Straffrage muß daher erneut
entschieden werden. Eine
Heranziehung generalpräventiver Erwägungen liegt hier
fern (vgl. BGHR
StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 3 und 7).
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