BGH,
Beschl. v. 19.8.2008 - 3 StR 252/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 252/08
vom
19.8.2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 19.8.2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 22.1.2008 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher
Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen
einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei
Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit einer
Verfahrensrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen
ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. a) Der Angeklagte schoss nach einem Streit mit einem
Türsteher im Eingangsbereich einer Diskothek mit einer
halbautomatischen Selbstladepistole der Marke Ceska, Kal. 9 mm, auf
einen Glasschaukasten, der an einer Wand unweit des Eingangs der
Diskothek angebracht war. Die Zeugin T. , die gerade im Begriff war,
die Diskothek zu verlassen, erlitt durch "abgeprallte Pro-
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jektilteile oder zersplittertes, herumfliegendes Glas" eine blutende
Verletzung an der Stirn. Einen weiteren Schuss, den kurz darauf der
Mitangeklagte G. aus derselben Waffe in die Decke über dem
Eingangsbereich der Diskothek abgab und der in ähnlicher Weise
zu Verletzungen der Zeuginnen F. und S. führte, hat das
Landgericht dem Angeklagten nicht zugerechnet.
Es hat festgestellt, dass sich der Angeklagte bei den durch den Schuss
des Mitangeklagten verletzten Zeuginnen F. und S. entschuldigt und
ihnen darüber hinaus jeweils 1.000 Euro Schmerzensgeld bezahlt
habe. Bei der Zeugin T. , die durch seine Tathandlung
geschädigt wurde, habe er sich lediglich entschuldigt.
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Seiner Strafzumessung hat das Landgericht den Strafrahmen des
§ 224 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt und bei Bemessung der
Strafe u. a. die vom Angeklagten an die Zeuginnen F. und S. geleisteten
Schmerzensgeldzahlungen mildernd berücksichtigt. Die
Voraussetzungen des § 46 a Abs. 1 StGB und eine
Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB hat es jedoch
mit der Begründung verneint, der Angeklagte habe an die von
ihm verletzte Zeugin T. kein Schmerzensgeld gezahlt und sich ihr
gegenüber auch nicht um Wiedergutmachung bemüht.
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b) Mit seiner auf § 261 StPO gestützten
Verfahrensbeschwerde wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung
eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46 a Abs. 1 Nr. 1
StGB.
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Die Rüge ist zulässig und begründet. Die
Revision macht zu Recht geltend, dass in der Hauptverhandlung verlesene
Urkunden unvollständig im Urteil gewürdigt worden
sind (vgl. BGHR StPO § 261, Inbegriff der Verhandlung 15;
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BGH StV 1993, 459). Sie trägt zutreffend vor, dass ausweislich
des gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesenen
Schreibens des Instanzverteidigers vom 21.1.2008 der Angeklagte der
Zeugin T. über seinen Verteidiger die Zahlung eines bereits
hinterlegten Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000 Euro angeboten
hat.
Der nicht aufgelöste Widerspruch zwischen dem Inhalt dieses
Schriftstücks und den Urteilsgründen entzieht der
Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich gegenüber
der Zeugin T. nicht um Wiedergutmachung bemüht, die Grundlage.
Mit Blick auf zwei weitere, ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesene
Schreiben, die an die Zeugin F. gerichtet waren, ist vielmehr zu
besorgen, dass der Strafkammer hinsichtlich der Adressatinnen der
Wiedergutmachungsangebote bzw. hinsichtlich erfolgter
Schmerzensgeldzahlungen ein Irrtum unterlaufen ist, mithin die
Ablehnung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46 Abs.
1 Nr. 1 StGB auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht.
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2. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge deckt demgegenüber zum Schuld- und
Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist insbesondere die
Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe durch seine Tat nicht nur
die Tatmodalität des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB
erfüllt, sondern die Körperverletzung auch mittels
einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224
Abs. 1 Nr. 5 StGB herbeigeführt, aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden.
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Becker Miebach Pfister
von Lienen Sost-Scheible |