BGH,
Beschl. v. 19.8.2009 - 2 StR 301/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 301/09
vom
19. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 19. August 2009 gemäß
§§ 45 Abs. 2 Satz 3, 46 Abs. 1, 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird von Amts wegen auf seine Kosten
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Frist zur Begründung seiner Revision gegen das Urteil des
Landgerichts Aachen vom 9. März 2009 gewährt. Damit
ist der Beschluss des Landgerichts Aachen nach § 346 Abs. 1
StPO vom 18. Mai 2009 gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 9. März 2009 im Ausspruch über die
Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei
Jahren und sechs Monaten verurteilt
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und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf
die allgemeine Sachrüge gestützte Revision
führt zur Aufhebung der Maßregelanordnung; im
Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.
Die Anordnung der Maßregel gemäß
§ 64 StGB gegen den therapieunwilligen Angeklagten hat das
Landgericht auf die Erwägung gestützt, dass "derzeit
nicht festzustellen ist, dass eine derartige Maßnahme von
vornherein aussichtslos erscheint (§ 64 Abs. 2 StGB)." Dies
gelte auch vor dem Hintergrund, dass eine entsprechende Therapie im
Jahre 2003 "als gescheitert angesehen werden muss" (UA S. 28).
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Diese Auslegung des § 64 a.F. StGB hat das
Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 für verfassungswidrig
erklärt (BVerfGE 91, 1 ff.). Der Bundesgerichtshof hat seither
in einer großen Vielzahl von Entscheidungen immer wieder
darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf ein Merkmal des Fehlens von
"Aussichtslosigkeit" rechtsfehlerhaft ist und § 64 Abs. 1 a.F.
StGB in verfassungskonformer Auslegung stattdessen die Feststellung
einer konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel voraussetzte.
Durch das am 20. Juli 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 16. Juli 2007
(BGBl. I 1327) ist § 64 StGB entsprechend geändert
worden und trägt dem Erfordernis einer konkreten
Erfolgsaussicht nun auch im Wortlaut der Vorschrift
ausdrücklich Rechnung (§ 64 Satz 2 StGB). Es ist
daher nicht verständlich, wenn Tatgerichte entgegen dem
Gesetzeswortlaut noch immer an einer Auslegung des § 64 StGB
festhalten, die der seit 15 Jahren ständigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspricht.
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Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des
Maßregelausspruchs und insoweit zur
Zurückverweisung. Der Senat kann ausschließen, dass
sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf die Bemessung
der Freiheitsstrafe ausgewirkt hat.
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