BGH,
Beschl. v. 19.2.2002 - 1 StR 28/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 28/02
vom
19. Februar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Februar 2002
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom
7. November 2001, soweit es ihn betrifft, wird mit der
Maßgabe verworfen, daß die Anordnung des
Vorwegvollzugs von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe
entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
1. Der Angeklagte, der seit seinem 15. Lebensjahr im
Übermaß Alkohol konsumiert, hat in erheblich
angetrunkenem Zustand den Geschädigten im Streit über
eine Dose Bier so heftig gewürgt und geschlagen, daß
dieser wenige Stunden später an den Verletzungsfolgen
verstarb. Dem hilflos daliegenden Geschädigten entwendete der
Angeklagte die Geldbörse.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Strafkammer den
Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§
227 StGB) in Tatmehrheit mit Diebstahl (§ 242 StGB i.V.m.
§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von acht Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt angeordnet (§ 64 StGB). Zugleich hat
sie bestimmt, daß drei Jahre und sechs Monate der Strafe
vorweg zu vollziehen sind (§ 67 Abs. 2 StGB).
2. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten führt zum Wegfall der Anordnung über den
teilweisen Vorwegvollzug (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im
übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
a) Soweit sich die Revision mit näheren Ausführungen
gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch wendet, nimmt der Senat
auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Antrag
vom 24. Januar 2002 Bezug, die auch durch die Erwiderung der Revision
nicht entkräftet sind.
b) Auch die Unterbringungsanordnung ist rechtsfehlerfrei.
c) Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers soll möglichst
umgehend mit der Behandlung des süchtigen (oder kranken)
Rechtsbrechers begonnen werden, da dies am ehesten einen dauerhaften
Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer
muß es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig zu
heilen und seine Persönlichkeitsstörung zu behandeln,
damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugsziels
arbeiten kann. Ein Abweichen von der Regelabfolge des Vollzugs kommt
nur bei erkennbar gewichtigen Besonderheiten des Einzelfalls in
Betracht (st. Rspr., vgl. zusammenfassend die Übersicht bei
Detter, NStZ 2002, 132, 137; weitere Nachw. bei
Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl. § 67 Rdn. 6, 6a).
Die Strafkammer verweist dem gegenüber jedoch nur darauf,
daß der mit dem Vorwegvollzug verbundene erhöhte
Leidensdruck die bessere Erreichbarkeit des Ziels des
Maßregelvollzugs ermögliche, wohingegen der Erfolg
der Maßregel gefährdet wäre, wenn nicht die
Möglichkeit bestünde, den Angeklagten unmittelbar aus
dem Maßregelvollzug in die Freiheit zu entlassen.
Diese eher allgemein gehaltenen Ausführungen lassen
für sich genommen gerade in der Person des Angeklagten
liegende Besonderheiten, die ein Abweichen von der gesetzlichen
Vollzugsreihenfolge rechtfertigen könnten, nicht erkennen.
Auch eine Gesamtschau der Urteilsgründe führt zu
keinem anderen Ergebnis: Vielmehr ist der Angeklagte durch die Tat
"beeindruckt und geschockt", und es wird sein "Wille, seine
Lebensverhältnisse zu ändern, erkennbar". Er
"äußert den Willen zur Umkehr" und ist für
eine "Entziehungskur .... motiviert".
3. Angesichts dieser Feststellungen ist ausgeschlossen, daß
eine neue Verhandlung noch Erkenntnisse ergeben könnte, wonach
ausnahmsweise beim Angeklagten durch einen (teilweisen) Vorwegvollzug
der Strafe der Zweck der Maßregel leichter erreicht
würde. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO entscheidet der
Senat daher selbst, daß die Anordnung des teilweisen
Vorwegvollzugs der Strafe entfällt.
4. Der Wegfall dieser Anordnung hat auf die Kostenentscheidung keinen
Einfluß (§ 473 Abs. 4 StPO).
Schäfer Nack Wahl
Boetticher Kolz
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