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BGH, Beschluss vom 19. Februar 2002 - 5 ARs 6/02


Entscheidungstext  
 
BGH, Beschl. v. 19.2.2002 - 5 ARs 6/02
5 ARs 6/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 19.2.2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2002
beschlossen:
Rechtsprechung des 5. Strafsenats steht dem im Tenor des Beschlusses des 2. Strafsenats vom 7. Dezember 2001 - 2 StR 441/01 genannten Rechtssatz nicht entgegen.
G r ü n d e
Der anfragende Senat beabsichtigt zu entscheiden, daß ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch derjenige verwendet, der ein Tatopfer mit einer mit Platzpatronen geladenen Schreckschußpistole bedroht, bei welcher der Gasdruck nach vorne austritt, wenn die Pistole innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann.
Mit der im Anfragebeschluß aufgeworfenen Frage hat sich der Senat bislang noch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Der Senat gibt jedoch zu bedenken, daß eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wenig sinnvoll erscheint. Zwar weist der 2. Strafsenat zu Recht auf die vielfältigen Abgrenzungsschwierigkeiten hin, die das 6. Strafrechtsreformgesetz u.a. bei Auslegung der §§ 244 und 250 StGB, gerade auch im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale „gefährliches Werkzeug“ und „sonst ein Werkzeug oder Mittel“, mit sich gebracht hat (vgl. auch § 177 Abs. 3 StGB). Indes kann die im Tenor des Anfragebeschlusses vorgeschlagene Lösung zur Unterscheidung dieser Merkmale nicht überzeugen.
Nachdem sich auf Grundlage der angeführten Entscheidungen des 1., 3. und 4. Strafsenats mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung gebildet hat und die zutreffende rechtliche Bewertung der Ausgangskonstellation für
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jeden Tatrichter - unter Bedacht auf die von ihm festgestellten Besonderheiten im Einzelfall - ohne weiteres möglich ist, würde ein geänderter Beurteilungsmaßstab im Sinne des Anfragebeschlusses weitere Problemlagen begründen und zu erneuten Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung führen. Gänzlich ungeklärt und - gerade auch in zeitlicher Hinsicht - vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten offenstehend ist etwa das im Tenor des Anfragebeschlusses formulierte Erfordernis, daß die - dort näher beschriebene - Schreckschußpistole dann ein gefährliches Werkzeug sei, wenn sie „innerhalb kürzester Zeit unmittelbar am Körper des Opfers zum Einsatz gebracht werden kann.“ Ungeachtet der mit einer solchen Beurteilung grundsätzlich verbundenen Unsicherheiten (hier z.B. räumliche Hindernisse, Ausweichen des Opfers u.ä.) bleibt hiernach insbesondere ungeklärt, wieviel Zeit maximal bis zum möglichen (tatsächlich aber so nicht verwirklichten) Einsatz der Waffe am Körper des Opfers liegen darf.
Eine - in welchem Umfang auch immer - weitergehende Anwendung der §§ 244 und 250 StGB würde zudem vermehrt zu Schwierigkeiten beim Nachweis der subjektiven Voraussetzungen dieser Tatbestände führen und damit weitgehend lediglich zu einer Verlagerung des im Anfragebeschluß erörterten Problems führen. Denn regelmäßig wird eine mit Schreckschußmunition geladene Pistole nur eingesetzt, um die Bedrohung mit einer (echten) Schußwaffe im Sinne des § 1 Abs. 1 WaffG vorzutäuschen und so verstärkt Druck auf das Opfer auszuüben. Dabei wird es im Einzelfall oft fraglich sein, ob festgestellt werden kann, der Täter habe gewußt (oder zumindest billigend in Kauf genommen), daß der beim Abfeuern von Schreckschußmunition entstehende Gasdruck und die austretenden Munitionspartikel jedenfalls im Nahbereich zu gravierenden Verletzungen führen können. In der einschlägigen Fachliteratur wird dieses Phänomen erst in jüngerer Zeit diskutiert (vgl. neben den im Anfragebeschluß angeführten Zitaten Rothschild NStZ 2001, 406). Zu bedenken bleibt auch, daß der Gesetzgeber bislang keinen Anlaß gesehen hat, den freien Verkauf von Waffen im Sinne des § 22 WaffG einzuschränken (kritisch dazu Püschel/Kulle/Koops ArchKrim 2001, 26 ff.).
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Schließlich besteht auch angesichts der identischen Obergrenzen der in Betracht kommenden Strafrahmen des § 250 StGB von jeweils 15 Jahren Freiheitsstrafe kein kriminalpolitisches Bedürfnis, die gefestigte Rechtsprechung aufzugeben. Vielmehr kann schon auf Grundlage der bisherigen Auslegung auf ein im Einzelfall besonders gefährliches Vorgehen hinreichend wirksam reagiert werden.
Ob eine etwaige Vorlegung an den Großen Senat für Strafsachen zulässig wäre, kann von hier nicht beurteilt werden. Namentlich kann das Beruhen zweifelhaft sein. Da die verhängte Strafe weniger als fünf Jahre Freiheitsstrafe beträgt, ist möglicherweise der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zur Anwendung gelangt, der für die Fälle des Absatzes 1 und die des Absatzes 2 identisch ist.
Harms Häger Raum
Brause Schaal



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