BGH,
Beschl. v. 19.2.2009 - 1 StR 633/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 633/08
vom
19. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2009
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 6. August 2008 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei
Fällen unter Einbeziehung einer Einzelstrafe aus einer
früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit
der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt,
ist aus den Gründen der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts vom 22. Januar 2009, die auch durch die Erwiderung
der Revision vom 10. Februar 2009 nicht entkräftet wird,
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die
Verfahrensrüge, die im Zusammenhang mit der Verwertung von
Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachungsmaßnahme
erhoben wurde, ist zulässig aber unbegründet.
Darüber hinaus bedarf lediglich Folgendes der
Erörterung:
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I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte seit April
2003 Alleingesellschafter und Geschäftsführer der C.
GmbH mit Sitz in K. . Geschäftsgegenstand der Gesellschaft war
der Handel mit Mobilfunktelefonen.
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Im Laufe des Jahres 2003 vereinbarte der Angeklagte mit anderweitig in
Italien verfolgten Personen, durch Karussellgeschäfte mit
Mobilfunktelefonen den Abnehmern der Telefone in Italien unberechtigte
Steuervorteile zu verschaffen. Die vom Angeklagten geführte
Gesellschaft erwarb in Vollzug des Tatplans von einem in Italien
ansässigen Unternehmen Mobilfunktelefone in
größerer Stückzahl. Unmittelbar daran
anschließend veräußerte die Gesellschaft
die Geräte an ein in Italien ansässiges Unternehmen,
das in der Rechtsform einer Società a
responsabilità limitata (s.r.l.) geführt wurde. An
diese Gesellschaft wurden die Mobiltelefone auch tatsächlich
geliefert. Diese Lieferung deklarierte der Angeklagte in den
Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH als umsatzsteuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferung. Von dem Abnehmer in Italien wurden
die Telefone an einen italienischen Zwischenhändler unter
offenem Ausweis italienischer Umsatzsteuer zu einem geringeren
Nettopreis weiterverkauft. Die insoweit anfallende Umsatzsteuer wurde
dem Tatplan entsprechend zu keiner Zeit erklärt oder gar
abgeführt. Der Zwischenhändler verkaufte die
Geräte dann an den ursprünglichen Lieferanten der vom
Angeklagten geführten Gesellschaft ebenfalls unter offenem
Ausweis italienischer Umsatzsteuer zu einem Nettopreis, der unter dem
lag, der der Gesellschaft des Angeklagten in Rechnung gestellt worden
war. Der Zwischenhändler und dessen Abnehmer machten die in
den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend.
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Nach den weiteren Feststellungen der Strafkammer handelte es sich bei
dem Verkaufskreislauf um Scheingeschäfte, die - wie der
Angeklagte wusste - von dem italienischen Lieferanten der Gesellschaft
des Angeklagten initiiert wurden, um in Italien einen unberechtigten
Vorsteuerabzug zu ermöglichen und die Mobiltelefone dann zu
einem günstigeren Preis verkaufen zu können.
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II.
Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht bei den Lieferungen nach
Italien das Vorliegen von innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne
des § 6a UStG verneint, die zur Steuerfreiheit nach §
4 Nr. 1 Buchst. b UStG geführt hätten. Da der
Angeklagte in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Gesellschaft
für Juli, Oktober und November 2003 die Umsätze aus
den Geschäften mit seinem italienischen Abnehmer demnach zu
Unrecht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen deklarierte,
hat der Angeklagte in drei Fällen Umsatzsteuer in
Höhe von insgesamt 622.962,42 EUR hinterzogen.
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1. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem
unmittelbaren Abnehmer der C. GmbH um einen Unternehmer im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
UStG handelt oder ob bei den vorliegenden Gegebenheiten die
Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG
erfüllt sind.
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2. Unabhängig davon waren die Lieferungen nicht nach
§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerbefreit, da die
Geltendmachung der Umsatzsteuerbefreiung bei dem festgestellten
Sachverhalt rechtsmissbräuchlich wäre.
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a) Der Senat hat auf der Grundlage der ständigen
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften bereits entschieden, dass die Lieferung von
Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen
Gemeinschaftsgebiet keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung
im Sinne des § 6a UStG darstellt, wenn der
inländische Unternehmer unter Zwischenschaltung von
Scheinfirmen kollusiv mit dem Abnehmer zusammenwirkt, um diesem die
Hinterziehung von Steuern zu ermöglichen (Senat, Beschl. vom
20. November 2008 - 1 StR 354/08). Eine betrügerische oder
missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist nicht
erlaubt. Das Gemeinschaftsrecht erlaubt nicht, dass
missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt
werden. Bei denjenigen Umsätzen, die nicht im Rahmen normaler
Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt
werden, missbräuchlich in den Genuss von im Gemeinschaftsrecht
vorgesehenen Vorteilen zu kommen, sind diese Vorteile zu versagen
(EuGH, Urt. vom 21. Februar 2006 - Rechtssache C-255/02 - Halifax, Rdn.
69).
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b) Dies gilt nicht nur dann, wenn innerhalb einer Lieferkette
Scheingeschäfte vorgenommen werden. Vielmehr müssen
die aus dem gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbot folgenden
Grundsätze erst recht Anwendung finden, wenn - wie hier - ein
Warenkreislauf in Gang gesetzt wird, dessen alleiniges Ziel ist, die
jeweilige Ware durch Scheingeschäfte künstlich zu
verbilligen.
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c) Das im Gemeinschaftsrecht verankerte grundsätzliche Verbot
missbräuchlicher Praktiken, das auch auf dem Gebiet der
Mehrwertsteuer gilt (EuGH aaO Rdn. 70 f.) und das auch in der
Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
vom 27. September 2007 auf die Vorlagefrage des Bundesfinanzhofs vom
10. Februar 2005 (BStBl II 2005, 537) bekräftigt wurde (EuGH,
Urt. vom 27. September 2007 - Rechtssache C-146/05 - Collée),
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führt daher für alle Beteiligten eines oder mehrerer
Umsatzgeschäfte, die auf die Hinterziehung von Steuern
gerichtet sind, zur Versagung der insoweit für die einzelnen
Geschäfte grundsätzlich vorgesehenen Steuervorteile
(EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006 - Rechtssache C-439/05 - Kittel, Rdn. 56
f.). Dies gilt unabhängig davon, ob die sonstigen objektiven
Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Norm, die den Steuerpflichtigen
begünstigen soll (hier: § 6a UStG), gegeben sind.
Demnach ist insbesondere auch unerheblich, ob der Abnehmer die
Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG
erfüllt.
3. Eine Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof nach
Art. 234 Abs. 3 EGV besteht in diesem Zusammenhang nicht. Eine
klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt nicht vor. Die
maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Fragen waren - wie
dargelegt - bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof,
so dass eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften vorliegt, durch die die
betreffende Rechtsfrage gelöst ist (vgl. EuGH, Urt. vom 6.
Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - Cilfit = NJW 1983, 1257, 1258).
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Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander |