BGH,
Beschl. v. 19.1.2000 - 3 StR 531/99
StPO §§ 81 c, 136 Abs. 1, 137 Abs. 1, 243 Abs. 4, 261
1. Auch bei einem Angeklagten, der sich zur Sache eingelassen hat, darf
aus der aktiven Verweigerung der Mitwirkung an der
Sachaufklärung jedenfalls dann kein ihm nachteiliger
Schluß gezogen werden, wenn dieses Prozeßverhalten
nicht in einem engen und einem einer isolierten Bewertung
unzugänglichen Sachzusammenhang mit dem Inhalt seiner
Einlassung steht (hier: Nichtentbindung des Verteidigers von der
Schweigepflicht, Abgrenzung zu BGHSt 20, 298).
2. Erscheint eine Person, die von der Polizei zu einem Speicheltest
für eine molekulargenetische Untersuchung geladen wird, -
anders als andere, ebenfalls vorgeladene Personen - im Beistand eines
Anwalts, so darf dies in einem späteren Strafverfahren gegen
sie nicht als belastendes Indiz verwertet werden.
BGH, Beschl. vom 19. Januar 2000 - 3 StR 531/99 - Landgericht Hannover
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 531/99
vom
19. Januar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar
2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 30. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben und die
Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Nach den getroffenen
Feststellungen hat der Angeklagte nach einem Anruf am Vortage die
Prostituierte S.
in ihrer Wohnung aufgesucht, mit ihr den Geschlechtsverkehr mit Kondom
ausgeführt, ihr den Fuß einer Tischlampe an den Kopf
geschlagen und sie sodann mit einer Krawatte und einem Lampenkabel
erdrosselt. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, das Opfer weder
gekannt, noch es angerufen, aufgesucht und schließlich
getötet zu haben. Die Strafkammer stützt ihre
Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch
darauf, daß dieser seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Sch. ,
gegenüber zugegeben habe, zur Tatzeit doch bei der
Prostituierten S. gewesen zu sein. Das habe die Freundin des
Angeklagten, die Zeugin Monika M. , in einem Gespräch mit dem
Verteidiger erfahren und an die Zeugen Jolantha M. und B.
weiterberichtet, die dies als Zeugen in der Hauptverhandlung bekundet
haben. Zwar hat die Zeugin Monika M. in der Hauptverhandlung
bestritten, eine solche Information vom Verteidiger erhalten zu haben,
doch habe sie nicht erklären können, wie es zu einem
Protokoll über ihre polizeiliche Vernehmung gekommen sei, in
dem sie eben diese Information bestätigt hatte.
Schließlich spreche für die Richtigkeit dieses
Teilgeständnisses und seine Weitergabe an die Zeugin Monika M.
, daß der Angeklagte seinen Verteidiger hierzu auf Anfrage
des Gerichts nicht von seiner anwaltlichen Schweigepflicht entbunden
habe, weshalb dieser dann die Aussage verweigert hat. Dies lasse den
Schluß zu, daß der Angeklagte seinem Verteidiger
gegenüber tatsächlich ein solches
Teilgeständnis abgegeben und dieser die Information auch
weitergegeben hat. Schließlich hat die Strafkammer zu Lasten
des Angeklagten gewertet, daß er bei einer Vorladung zu einem
Speicheltest im Vorfeld der Ermittlungen als einziger von zahlreichen
potentiellen Kontaktpersonen mit anwaltlichem Beistand erschienen sei;
bei einem reinen Gewissen hätte es dessen nicht bedurft.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts
gestützte Revision des Angeklagten führt zur
Aufhebung des Schuldspruchs, da die Beweiswürdigung mehrere
durchgreifende Rechtsfehler aufweist.
1. Zwar ist es nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer ein
Aussageverweigerungsrecht der Zeugin Monika M. nach § 52 Abs.
1 Nr. 1 StPO als Verlobte verneint hat, doch ist die inhaltliche
Wertung der Aussage rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler zum Ergebnis gekommen,
daß zumindest im Zeitpunkt der Hauptverhandlung ein
Verlöbnis zwischen der Zeugin Monika M. und dem Angeklagten
nicht bestanden hat. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers kommt es dabei nicht auf zivilrechtliche
Maßstäbe an, vielmehr setzt nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ein Verlöbnis im Sinne des §
52 Abs. 1 Nr. 1 StPO voraus, daß unabhängig von
einer zivilrechtlichen Beurteilung im Zeitpunkt der Aussage ein
gegenseitiges ernstgemeintes Eheversprechen vorliegt, wobei bereits die
einseitige Aufgabe des Heiratswillens das Verlöbnis beseitigt,
selbst wenn der andere davon nichts weiß (BGHSt 3, 215, 216;
29, 54, 57).
2. Nach den Feststellungen hat die Zeugin Monika M. in einem
polizeilichen Vernehmungsprotokoll bestätigt, von Rechtsanwalt
Sch. darüber informiert worden zu sein, daß der
Angeklagte ihm gegenüber eingeräumt habe, am Tattag
bei dem Tatopfer S. gewesen zu sein (UA S. 19). Die Revision
rügt zu Recht, daß diese Feststellung entweder nicht
auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruht oder unter Verletzung der
Aufklärungspflicht zustande gekommen ist. Eine solche
"Alternativrüge" ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn
der Akteninhalt ohne weiteres die Unrichtigkeit der
Urteilsfeststellungen beweist (vgl. BGHSt 43, 212, 216; BGHR StPO
§ 261 Inbegriff der Verhandlung 36). Ein derartiger
Ausnahmefall liegt vor. Eine Protokollstelle mit dem von der
Strafkammer behaupteten Inhalt ist in den Akten nicht enthalten, wie in
der Revisionsbegründung zutreffend dargelegt wird. Die
Vernehmungsniederschriften belegen vielmehr, daß die Zeugin
auf eine entsprechende Frage der Polizei und auf die erneute Befragung
durch den ermittelnden Staatsanwalt jeweils die Aussage verweigert und
bei einer anschließenden informellen Unterhaltung
gegenüber dem Staatsanwalt beteuert hat, daß ihr
Rechtsanwalt Sch. derartiges nicht erzählt habe und
daß der Zeuge B. etwas "in den falschen Hals" bekommen haben
müsse. Bei dieser Sachlage hätte die - sachlich
unrichtige - Feststellung im Wege des Vorhalts nur getroffen werden
können, wenn einer der beiden an der Vernehmung beteiligten
Zeugen auf den Vorhalt einer tatsächlich nicht existierenden
Protokollstelle deren Existenz der Wahrheit zuwider bestätigt
hätte, ohne daß dies einer der übrigen
Verfahrensbeteiligten bemerkt hätte. Angesichts der Bedeutung
der Aussage erscheint das kaum vorstellbar. Selbst wenn man von dieser
unwahrscheinlichen Möglichkeit ausgehen würde,
hätte die vom Beschwerdeführer vorsorglich erhobene
Aufklärungsrüge Erfolg. Denn dann hätte es
sich aufgedrängt, die polizeiliche Protokollführerin
zur Tatsache der Aussageverweigerung bei der Polizei und den
ermittelnden Staatsanwalt Bu. dazu zu hören, daß ihm
gegenüber die Zeugin ebenfalls die Aussage verweigert und
informell das Gegenteil beteuert hatte.
3. Die Schlußfolgerung der Strafkammer, aus der Weigerung des
Angeklagten, seinen Verteidiger von seiner beruflichen Schweigepflicht
zu entbinden, ergebe sich, daß er ihm gegenüber
tatsächlich eingeräumt habe, am Tattag bei S. gewesen
zu sein, und daß dieser die Information an seine Freundin
Monika M. weitergegeben habe, verstößt gegen mehrere
Beweisverwertungsverbote und ist zudem in der Sache rechtlich
bedenklich.
a) Nach dem Grundsatz "nemo tenetur se ipsum prodere" braucht niemand
im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen, § 136 Abs. 1
Satz 2, § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Macht er von diesem
Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil verwertet
werden (vgl. BGHSt 38, 302, 305). Ebenso wie ein Angeklagter nicht zur
Sache aussagen muß, ist er grundsätzlich auch nicht
verpflichtet, aktiv zur Sachaufklärung beizutragen (BGHSt 34,
324, 326).
Für den zur Sache schweigenden Angeklagten ist anerkannt,
daß weder aus seinem Schweigen, noch aus seinem sonstigen
prozessualen Verhalten wie der Verweigerung einer Mitwirkung an der
Sachaufklärung ein belastendes Indiz hergeleitet werden darf
(Beschluß des Senats vom 22. Dezember 1999
- 3 StR 401/99, - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt;
Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 261 Rdn. 79;
Schlüchter in SK-StPO 13. Erg.Lfg. § 261 Rdn. 36;
Eisenberg, Beweisrecht der StPO 2. Aufl. Rdn. 899, 914; Rogall, Der
Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst 1977, S. 59 f.).
Schweigt ein Angeklagter nicht umfassend, sondern macht er zu einem
bestimmten Sachverhalt eines einheitlichen Geschehens Angaben zur Sache
und unterläßt insoweit lediglich die Beantwortung
bestimmter Fragen, so kann dieses Schweigen (sog. Teilschweigen) nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von indizieller Bedeutung
sein (BGHSt 20, 298, 300; 32, 140, 145; 38, 302, 307; ablehnend Rogall
aaO S. 250 f.; vgl. auch Übersicht bei
Eisenberg aaO Rdn. 906). Fraglich ist, inwieweit diese
Grundsätze über die Verwertbarkeit des Teilschweigens
auf die Bewertung des sonstigen prozessualen Verhaltens eines
Angeklagten, der sich zur Sache einläßt,
übertragen werden können. Die zur Begründung
der Verwertbarkeit des Teilschweigens herangezogene Erwägung,
der sich zur Sache einlassende Angeklagte unterwerfe notwendigerweise
seine Einlassung und sein Prozeßverhalten der umfassenden
Beweiswürdigung (vgl. BGHSt 20, 298, 300), begegnet -
jedenfalls in dieser weitgefaßten Form - Bedenken. So hat die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß das
prozessuale Verhalten eines Angeklagten, der zunächst von
seinem Schweigerecht Gebrauch macht und erst in einem späteren
Stadium eine Einlassung abgibt, - entgegen dieser Erwägung -
nicht zu seinem Nachteil verwertet werden darf ("anfängliches
Schweigen" - st. Rspr. vgl. BGHSt 38, 302, 305 m.w.Nachw.). Ebensowenig
darf nachteilig gewertet werden, daß ein Angeklagter zu einer
von mehreren selbständigen Taten schweigt, da er sich insoweit
eben nicht selbst zum Beweismittel macht (BGHSt 32, 140, 145).
Der Senat ist der Auffassung, daß nachteilige
Schlüsse aus der Wahrnehmung prozessualer Rechte durch einen
Angeklagten jedenfalls dann nicht gezogen werden dürfen, wenn
dieses Prozeßverhalten nicht in einem engen und einem einer
isolierten Bewertung unzugänglichen Sachzusammenhang mit dem
Inhalt seiner Einlassung steht. Dies gilt insbesondere in einem Fall
wie hier, in dem es der Angeklagte abgelehnt hat, seinen eigenen
Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden und zwar zu einem
Beweisthema, das nicht Gegenstand seiner Einlassung war, sondern ein
vertrauliches, potentiell tatrelevantes Gespräch zwischen
ihnen betrifft. Die Verwertung der Ablehnung ist unzulässig,
da sich der Angeklagte durch sie nicht in irgendeiner Form zum
Beweismittel gemacht, sondern sein Recht ausgeübt hat, ein
Beweismittel,
über das er verfügen konnte, nicht gegen sich
verwenden zu lassen.
Wie der Generalbundesanwalt zu Recht hervorgehoben hat, unterscheidet
sich damit der Sachverhalt wesentlich von dem, der der Entscheidung in
BGHSt 20, 298 zugrundegelegen hat. Dort hatte sich der Angeklagte zu
seiner Verteidigung auf den Inhalt eines in einer anderen Sache
geführten Beratungsgesprächs mit einem Rechtsanwalt
berufen und dabei eine Einlassung abgegeben, die nur von dem
Rechtsanwalt bestätigt oder widerlegt hätte werden
können. In diesem besonders gelagerten Fall hat es der
Bundesgerichtshof für zulässig erachtet,
daß das Landgericht aus dem Umstand, daß der
Angeklagte den Rechtsanwalt nicht von seiner Schweigepflicht entbunden
hat, den Schluß gezogen hat, seine Behauptung sei unwahr
(BGHSt 20, 298, 301). Damit hatte sich dort der Angeklagte mit der
Angabe eines bestimmten Gesprächsinhalts selbst zum
Beweismittel gemacht, das der kritischen Würdigung des
Tatrichters unterliegt. Dieser konnte dabei berücksichtigen,
daß die Einlassung des Angeklagten - letztlich als Folge der
fehlenden Entbindungserklärung - durch andere Beweismittel
nicht bestätigt worden ist.
b) Die nachteilige Wertung der Weigerung des Beschuldigten, seinen
Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden,
verstößt darüber hinaus auch gegen das
durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK und das Rechtsstaatsprinzip
verfassungsrechtlich verbürgte Recht des Beschuldigten auf
Beiziehung eines Verteidigers (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO
44. Aufl. Einl. Rdn. 82). Die Gewährleistung einer wirksamen
Strafverteidigung setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen
Verteidiger und Beschuldigten voraus (vgl. BGHSt 33, 347, 349), zu dem
die Verschwiegenheit des Rechtsanwaltes über das ihm vom
Beschuldigten Anvertraute gehört. Dem trägt die
Rechtsordnung durch das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53
Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO, die Beschlagnahmefreiheit nach § 97
Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO und die strafrechtliche Bewehrung eines Bruchs
der Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB Rechnung.
Müßte ein Beschuldigter gewärtigen,
daß sein Bestehen auf der Schweigepflicht über
anvertraute Mitteilungen als belastendes Indiz zum Nachweis seiner
Schuld herangezogen werden könnte, würde dieses Recht
auf wirksame Strafverteidigung unterlaufen werden.
c) Schließlich begegnet die Schlußfolgerung der
Strafkammer unabhängig von ihrer beweisrechtlichen
Unzulässigkeit auch sachlich-rechtlichen Bedenken. Sie setzt
sich nämlich nicht mit der Möglichkeit auseinander,
daß ein Beschuldigter - insbesondere auf Anraten seines
Verteidigers - es aus prin-
zipiellen Gründen ablehnen kann, seinen Verteidiger
über den Inhalt der mit ihm geführten vertraulichen
Gespräche als Zeugen aussagen zu lassen, auch wenn die
Entbindung auf einen bestimmten Punkt beschränkt werden
könnte und im konkreten Fall eine Belastung in der Sache nicht
befürchtet werden müßte. Die weitere
Schlußfolgerung der Strafkammer, die Verweigerung einer
Entbindungserklärung lasse nicht nur den Schluß zu,
der Angeklagte habe seinem Verteidiger gegenüber die
Anwesenheit am Tatort eingestanden, sondern rechtfertige
darüber hinaus auch die Annahme, daß dieser die
fragliche Information an die Zeugin Monika M. weitergegeben habe,
würde ohnehin voraussetzen, daß der Angeklagte bei
dieser Weitergabe anwesend war oder sonst davon Kenntnis erhalten
hatte. Dazu ist jedoch nichts festgestellt.
4. Die Strafkammer durfte auch den Umstand, daß sich der
Angeklagte bei der Entnahme einer Speichelprobe von einem anwaltlichen
Beistand hat begleiten lassen, obwohl er bei einem "reinen Gewissen"
dessen nicht bedurft hätte (UA S. 31 f.), nicht als Indiz
für seine Täterschaft werten. Zwar war der Angeklagte
zu diesem Zeitpunkt noch nicht Beschuldigter in einem gegen ihn
gerichteten Ermittlungsverfahren, sondern gehörte lediglich
zum Kreis von Personen, die in die Ermittlungen einbezogen worden
waren, weil Anhaltspunkte für einen telefonischen Kontakt mit
dem späteren Tatopfer gegeben waren. Damit standen ihm zu
diesem Zeitpunkt die förmlichen Rechte eines Beschuldigten,
insbesondere das Recht auf Aussagefreiheit und Verteidigung, noch nicht
zu. Ob und in welchem Umfang derartige Rechte auf Verdächtige
im Vorfeld einer Beschuldigung entsprechend anzuwenden sind, braucht
der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist eine
verdächtige Person, die Gegen-
stand gezielter Ermittlungsmaßnahmen wird - wie hier der
Einbeziehung in einen Speicheltest zur Durchführung
molekulargenetischer Untersuchungen -, berechtigt, sich eines
anwaltlichen Beistandes zu bedienen (vgl. § 3 BRAO;
für den Beistand eines Zeugen: §§ 68 b, 406
f, 406 g StPO; BVerfGE 38, 105). Das Recht einer fairen
Verfahrensgestaltung erfordert es, auch ihr die Möglichkeit
einzuräumen, mit der Hilfe eines Beistandes nicht nur die
Rechtmäßigkeit solcher
Ermittlungsmaßnahmen überprüfen zu lassen,
sondern auch sonst mit geeigneten Maßnahmen darauf
hinzuwirken, baldmöglichst aus dem Kreis der
Tatverdächtigen ausgeschieden zu werden.
Die Strafkammer stellt zwar ein solches Recht grundsätzlich
nicht in Frage, bedenkt jedoch nicht, daß sie mit der
Verwertung der Beistandsbestellung als belastendes Indiz dieses Recht
unterlaufen und aushöhlen würde. Denn wenn ein
Verdächtiger in einer derartigen Situation mit nachteiligen
Konsequenzen zu rechnen hätte, könnte er nicht mehr
frei und unbefangen von seinem Recht Gebrauch machen. Im
übrigen ist die Schlußfolgerung der Strafkammer auch
in der Sache rechtlich bedenklich, da die Annahme, daß sich
nur ein schuldiger Verdächtiger eines anwaltlichen Beistandes
bediene, nicht gerechtfertigt ist und außer Acht
läßt, daß auch ein Unschuldiger ein
Interesse daran haben kann, einen bestehenden Verdacht mit anwaltlicher
Hilfe baldmöglichst auszuräumen. Den
Verstoß gegen dieses Beweisverwertungsverbot, der mehr dem
materiellen Beweiswürdigungsrecht zuzurechnen ist,
mußte der Senat auch ohne entsprechende
Verfahrensrüge auf die Sachrüge hin
berücksichtigen (vgl. BGHSt 25, 100).
5. Der Senat kann nicht mit Sicherheit ausschließen,
daß das Urteil auf diesen Rechtsfehlern beruht. Der
Generalbundesanwalt hat zwar zu Recht geltend gemacht, daß
gegen den Angeklagten eine Fülle weiterer Beweismittel
spricht, die von diesen Rechtsfehlern nicht berührt werden.
Doch kann, worauf der Beschwerdeführer in seiner Erwiderung
auf den Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts hingewiesen hat,
nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Strafkammer
allein auf Grund der Aussagen der Zeugen Jolantha M. und B. , die beide
lediglich Zeugen vom Hörensagen sind, vom Vorliegen eines
Teilgeständnisses des Angeklagten gegenüber dem
Verteidiger Rechtsanwalt Sch. überzeugt hätte, wenn
die diese Information vermittelnde Zeugin Monika M. als belastendes
Zwischenglied und die nachteilige Wertung der Verweigerung einer
Entbindungserklärung entfällt. Da die Strafkammer
jedoch ihre Überzeugung maßgeblich u.a. auf dieses
Teilgeständnis gegründet hat und die
beweiskräftigeren Indizien aus der molekulargenetischen
Untersuchung des am Tatort vorgefundenen Kondoms und der Tatwerkzeuge
erst am Schluß als lediglich zusätzliche
Bestätigung des bisher gefundenen Beweisergebnisses bewertet
(UA S. 32), kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit
ausschließen, daß sie ohne die genannten
erheblichen Beweiswürdigungsfehler zum gleichen Ergebnis
gelangt wäre.
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