BGH,
Beschl. v. 19.1.2007 - 2 StR 537/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 537/06
vom
19.1.2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 19.01.2007 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 206 a, 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten Sch. gegen das Urteil des
Landgerichts Kassel vom 11. Juli 2006 wird
a) das Verfahren in den Fällen 7, 8 und 9 der
Urteilsgründe gemäß § 206 a StPO
eingestellt;
b) das Urteil im Schuldspruch im Fall 14 der Urteilsgründe
dahin geändert, dass der Angeklagte der Bedrohung schul- dig
ist;
c) das Urteil in den Fällen 2 - insoweit auch, soweit es den
Mitangeklagten F. betrifft -, 3, 6 und 19 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben;
d) das Urteil im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 14
der Urteilsgründe sowie in den Aussprüchen
über die Gesamtstrafen gegen beide Angeklagte und im Ausspruch
über die Maßregel mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurück verwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
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Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. wegen
Körperverletzung in fünf Fällen (Taten 10,
11, 13, 16, 20), gefährlicher Körperverletzung in
drei Fällen (Taten 5, 6, 15), Beleidigung in zwei
Fällen (Taten 8, 9), Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung
(Tat 14), Nötigung in zwei Fällen (Taten 17, 19),
Beförderungserschleichung (Tat 7), Bedrohung (Tat 18),
Diebstahl "im besonders schweren Fall" (Tat 3) und versuchtem Diebstahl
"im besonders schweren Fall" (Tat 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine isolierte Sperre
für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt. Den
Mitangeklagten F. , der nicht revidiert, hat es wegen Diebstahls (Fall
4) und versuchten Diebstahls "im besonders schweren Fall" (Fall 2) zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des
Angeklagten Sch. führt mit der Sachrüge zur Aufhebung
des Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang unter
Erstreckung auf den Mitangeklagten F. ; im Übrigen ist sie
unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge ist aus den vom Generalbundesanwalt
zutreffend dargelegten Gründen unzulässig, da sie den
Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht genügt.
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2. In den Fällen 7, 8 und 9 der Urteilsgründe lag,
wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, das
Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs vor, da die zum selben
prozessualen Tatgeschehen im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO
gehörenden Taten bereits durch das Urteil des Amtsgerichts
Kassel vom 6. Juli 2005 erfasst waren.
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3. Im Fall 14 der Urteilsgründe hat das Landgericht
übersehen, dass der Strafantrag gemäß
§ 194 StGB von der Geschädigten wirksam
zurückgenommen wurde. Dies führt zur
Änderung des Schuldspruchs (Wegfall der Verurteilung wegen
Beleidigung) und zur Aufhebung der Einzelstrafe in diesem Fall.
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4. Die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls im Fall 2 der
Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht
stand. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte Sch. die Scheibe
eines Schaufensters ein, weil die Angeklagten einen darin stehenden
Gegenstand entwenden wollten. Weil sie wegen des Lärms "dann
doch Angst (hatten) entdeckt zu werden", ließen sie von ihrem
Vorhaben ab (UA S. 9).
Damit ist die Möglichkeit eines strafbefreienden
Rücktritts vom Versuch nicht hinreichend sicher
ausgeschlossen. Tatsachen, aus denen sich ein Fehlschlag des Versuchs
ergeben würde, sind nicht festgestellt. Der bloße
Umstand, dass ein Täter befürchtet,
möglicherweise entdeckt zu werden, würde der Annahme
eines unbeendeten Versuchs und der Möglichkeit eines
freiwilligen Rücktritts noch nicht entgegenstehen (vgl.
Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 24 Rdn. 7 und 19 mit
Nachw. zur Rechtsprechung).
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Die Aufhebung erstreckt sich gemäß § 357
StPO auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten F. ; sie
führt auch zur Aufhebung der gegen diesen Angeklagten
verhängten Gesamtstrafe.
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5. Die Feststellungen zu Fall 3 der Urteilsgründe tragen die
Verurteilung wegen vollendeten Diebstahls nicht. Danach schlug der
Angeklagte die Scheibe eines Pkw ein und entnahm diesem eine
Geldbörse, "die den Personalausweis, den Führerschein
und die Bankkarte (des Geschädigten) enthielt, in der Absicht
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sich diese zuzueignen"; die Geldbörse wurde "samt Inhalt
später aufgefunden" (UA S. 10).
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Hiermit ist weder belegt, dass die Geldbörse Bargeld enthielt
noch dass der Angeklagte sich die Börse selbst und ihren
festgestellten Inhalt zueignen wollte. Die bisherigen Feststellungen
legen im Gegenteil die Annahme nahe, dass er an den
tatsächlich vorgefundenen Sachen gerade nicht interessiert
war. In diesem Fall läge nur ein Versuch des Diebstahls vor.
6. Im Fall 6 der Urteilsgründe lässt sich auf die
Feststellungen die Verurteilung wegen gefährlicher
Körperverletzung gemäß § 224 Abs.
1 Nr. 2 StGB nicht stützen. Hiernach packte der Angeklagte den
Geschädigten A. am Hals und "schlug auf ihn ein". A. "wehrte
sich aber"; der Angeklagte floh daraufhin. Hier bleibt schon der
erforderliche Erfolg des Grunddelikts gemäß
§ 223 Abs. 1 StGB offen.
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7. Im Fall 19 belegen die Feststellungen, wonach der Angeklagte mit
seinem Pkw auf den Gehweg vor den beiden Zeuginnen N. und L. fuhr und
erst so spät abbremste, "dass er kurz vor den Zeuginnen zum
Stehen kam", die Verurteilung wegen (vollendeter) Nötigung
nicht. Weitergehende Feststellungen erscheinen auch hier
möglich, so dass der Senat das Verfahren insoweit nicht, wie
vom Generalbundesanwalt beantragt, vorläufig eingestellt hat.
Dass der Angeklagte insoweit nicht wegen gefährlichen
Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt wurde, beschwert
ihn nicht.
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8. Die Aufhebung des Urteils in den genannten Einzelfällen und
die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 7 bis 9
führen auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
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Aufzuheben war auch die Maßregelanordnung der Festsetzung
einer isolierten Sperre gemäß § 69 a StGB.
Eine Feststellung, ob der Angeklagte eine Fahrerlaubnis besitzt oder
nicht, enthält das Urteil nicht. Dagegen könnten zwar
die festgestellten Vorstrafen (auch) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
sprechen. Andererseits stellt das Urteil verschiedentlich fest, dass
der Angeklagte offenbar in normalem Umfang am Straßenverkehr
teilnimmt und über mehrere eigene Kraftfahrzeuge
verfügt; überdies ist er hier gerade nicht wegen
Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Wäre der
Angeklagte aber Inhaber einer Fahrerlaubnis, so fehlte es mangels einer
Maßregelanordnung gemäß § 69 StGB
der Festsetzung einer (isolierten) Sperre an einer Grundlage.
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9. Im Übrigen wird der neue Tatrichter sein Augenmerk
gegebenenfalls auf eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit
den durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 6. Juli 2005
verhängten Strafen zu richten haben. Auch dies hat das
Landgericht übersehen.
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