BGH,
Beschl. v. 19.1.2010 - 4 StR 504/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 504/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts
Bielefeld vom 22. Juni 2009, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch
über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin
geändert, dass die Vollziehung von insgesamt drei Jahren und
neun Monaten der verhängten Freiheitsstrafe vor der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet
wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer
Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es
bestimmt, dass zwei Jahre und neun Monate der verhängten
Freiheitsstrafe vor seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu
vollziehen sind. Die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung
formellen und materiellen Rechts gerügt wird, führt
zu einer geänderten Festlegung der Dauer des Vorwegvollzugs;
im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
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Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur
Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den
Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit wird auf die
zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner
Antragsschrift vom 20. Oktober 2009 verwiesen. Auch der auf §
67 Abs. 2 Satz 3 StGB in der Fassung des am 20. Juli 2007 in Kraft
getretenen Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.
Juli 2007 (BGBI. I S. 1327) gestützte Ausspruch, dass ein Teil
der verhängten Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt zu vollziehen ist, hält als solcher
sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
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2. Indessen kann die Entscheidung des Landgerichts über die
Dauer des Vorwegvollzugs nicht bestehen bleiben.
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a) Dass der Maßregelausspruch nach dem Willen des
Beschwerdeführers vom Revisionsangriff ausgenommen sein soll,
steht dem nicht entgegen. Ob die Beschränkung des
Rechtsmittels die Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der
Freiheitsstrafe hier überhaupt erfasst (vgl. dazu BGH,
Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 5 StR 374/07 Tz. 4 a.E.), kann
letztlich dahinstehen; denn die Beschränkung ist insgesamt
unwirksam, weil der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und
mit der Sachrüge auch den Schuldspruch angreift. In einem
solchen Fall kann mit der erklärten
Rechtsmittelbeschränkung nicht wirksam auf die Anfechtung der
Unterbringung nach § 64 StGB verzichtet werden, da die
Feststellung einer Symptomtat unerlässliche Voraussetzung der
Maßregelanordnung ist (BGH, Beschluss vom 26. August 2009 - 2
StR 302/09).
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b) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung über die
Berechnung des vorweg zu vollziehenden Teils der Freiheitsstrafe zwar
ausdrücklich der Gesetzeslage nach Neufassung des §
67 Abs. 2 StGB Rechnung tragen wollen. Aus dieser folgt jedoch, dass im
vorliegenden Fall nicht zwei Jahre und neun Monate, sondern drei Jahre
und neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe vor der
Unterbringung zu vollziehen sind. Erst danach ist unter
Berücksichtigung der im Fall des Beschwerdeführers
für erforderlich gehaltenen Dauer der Therapie im
Maßregelvollzug von zwei Jahren mit dann insgesamt
fünf Jahren und neun Monaten die Hälfte der
verhängten, sich auf elf Jahre sechs Monate belaufenden
Freiheitsstrafe erledigt. Eine Kürzung der Dauer des
angeordneten Vorwegvollzugs um die Dauer der bisher erlittenen
Untersuchungshaft ist nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 25.
Februar 2009 - 5 StR 22/09).
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c) Da die sachverständig beratene Strafkammer rechtsfehlerfrei
zu der Überzeugung gelangt ist, dass im Fall des Angeklagten
die Therapie voraussichtlich zwei Jahre dauern werde und es sich bei
der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs um einen auf klaren
gesetzlichen Vorgaben beruhenden Rechenvorgang handelt, kann der Senat
die Dauer des Vorwegvollzugs gemäß § 354
Abs. 1 StPO analog selbst festlegen (Senatsbeschluss vom 8. April 2008
- 4 StR 21/08 m.w.N.). Der Angeklagte ist durch diese
nachträgliche Entscheidung unter keinen Umständen
beschwert (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 StR 552/08,
NStZ-RR 2009, 105).
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3. Eine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4
StPO war nicht veranlasst, weil das unbeschränkte Rechtsmittel
des Angeklagten nur zu einer geringen Änderung des
angefochtenen Urteils geführt hat.
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Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke |