BGH,
Beschl. v. 19.3.2009 - 4 StR 53/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 53/09
vom
19. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 19. März 2009
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Hagen vom 18. Juli 2008 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum
Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1
Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:
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"Die Kammer hat wegen nicht ausschließbarer verminderter
Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB den Strafrahmen
nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert. Straferschwerend hat sie
sodann allein folgende Erwägung herangezogen: 'Zu Lasten des
Angeklagten war der in der Tat zum Ausdruck kommende unbedingte
Vernichtungswille zu berücksichtigen, der
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für den waffenerfahrenen Angeklagten bei einem Kopfschuss mit
einem Schrotgewehr aus nächster Nähe deutlich zum
Ausdruck kommt, und auch innerhalb der tatbestandserfassten
Fälle des direkten Tötungsvorsatzes im Hinblick auf
Anlass und Ziel der Tat sowie das vorausgegangene Verhalten des
Tatopfers besonders schwerwiegend erscheint' (UA S. 39).
Diese Erwägung begegnet unter dem Gesichtspunkt des
Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB) durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die Kammer hat damit maßgeblich auf den
die Tat prägenden 'unbedingten Vernichtungswillen' abgestellt.
Dass der Täter eines Tötungsdeliktes, von derartiger
Absicht angetrieben, dem Opfer bewusst keine Überlebenschance
lässt, verwertet aber lediglich erneut zu Lasten des
Angeklagten das Tatbestandsmerkmal des Tötungsvorsatzes (vgl.
Senat BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1;
Beschluss vom 3. Februar 2004 - 4 StR 403/03 -). Zwar hat die Kammer
versucht, ihre Überlegungen im Folgenden weiter zu
konkretisieren; dass darin tatsächlich eine
Anknüpfung der Strafzumessung an zulässige
Straferschwerungsgründe liegt, lässt sich indes der
wenig geglückten Formulierung jedenfalls nicht zweifelsfrei
entnehmen, zumal die Kammer offenbar Abstufungen innerhalb der
Fälle direkten Vorsatzes vorgenommen sowie den nach dem
Tatgeschehen auf der Hand liegenden direkten Tötungsvorsatz
schon im Rahmen der Beweiswürdigung näher
erörtert und als 'bewusst, gewollt und gezielt' (UA S. 34
unten) gekennzeichnet hat.
Zudem unterliegen auch die in Betracht zu ziehenden
Interpretationsmöglichkeiten Bedenken. Selbst wenn man die
Wendung, der 'unbedingte Vernichtungswille' sei 'für den
waffenerfahrenen Angeklagten bei einem Kopfschuss mit einem
Schrotgewehr aus nächster Nähe deutlich
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zum Ausdruck gekommen', letztlich als eine Beschreibung der Art der
Tatausführung (§ 46 Abs. 2 StGB) werten wollte (vgl.
hierzu BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5),
bliebe im Kern doch nur der Vorwurf, der Angeklagte habe mit der Abgabe
des Schusses aus naher Distanz die zur Erreichung seines Tatziels - die
Tötung des Tatopfers - nötige Gewalt angewandt; auch
dies wäre mit § 46 Abs. 3 StGB nicht vereinbar (vgl.
BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2, 6). Eine
solche Interpretation geriete auch mit dem Grundsatz in Konflikt, dass
im Verhältnis zu dem gesetzlichen Regelfall einer
Tötung mit bedingtem Vorsatz eine geringere Tatschwere
zukommt, nicht aber eine Tötung mit direktem
Tötungsvorsatz einen gesteigerten Unrechtsgehalt aufweist.
Auch im Übrigen lassen die Ausführungen selbst bei
weiter Auslegung nicht erkennen, dass die Kammer in rechtlich
zulässiger Weise auf erschwerende Gesichtspunkte der
Tatausführung verweisen wollte, wie etwa die durch das
Bereitstellen und Verdecken der Tatwaffen vom Angeklagten bewusst
geschaffene Gefährlichkeit der Situation.
Zwar lässt sich der weiteren Erwägung, der
Vernichtungswille erscheine 'im Hinblick auf Anlass und Ziel der Tat
sowie das vorangegangene Verhalten des Tatopfers besonders
schwerwiegend' ein Bezug zur Tatmotivation entnehmen. Die Herleitung
strafschärfender Umstände wird insofern durch die
Feststellungen aber nicht getragen. Zum Anlass der Tat hat die Kammer
festgestellt, dass der von jeher eifersüchtige (UA S. 5)
Angeklagte, der erhebliche Investitionen in die von seiner
Lebensgefährtin betriebene Gaststätte geleistet hatte
(UA S. 3, 20), die Tat beging aus 'Angst, seine
Lebensgefährtin zu verlieren und aus spontaner Wut gegen den
Getöteten, dem sie sich endgültig zugewandt hatte'
(UA S. 14, 33). Inwiefern hieraus - jenseits der von der Kammer
verneinten niedrigen Beweggründe - ein erhöhter
Unrechtsgehalt folgen soll, hätte zumindest
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näherer Begründung bedurft. Auch aus dem Vorverhalten
des Tatopfers, dessen Äußerung 'ich nehm sie dir
weg' die Tat unmittelbar ausgelöst hatte (UA S. 35), ist eine
Steigerung des Schuld- und Unrechtsgehalts jedenfalls ohne
nähere Darlegung nicht ohne Weiteres abzuleiten.
Einer Auslegung, die Kammer habe in noch zulässiger Weise
strafschärfend nicht den Tötungsvorsatz, sondern eine
aus der Art der Ausführung und der Tatmotivation folgende
erhöhte kriminelle Energie herangezogen, steht
schließlich auch die angenommene eingeschränkte
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten entgegen. Denn nach den
Feststellungen bestand bei ihm aufgrund seiner Alkoholisierung eine
toxische Reizoffenheit, in Folge derer er nicht mehr in vollem Umfang
in der Lage war, die von Außen und Innen kommenden Reize zu
filtrieren, abzuwägen und bedürfnisgerecht zu
reagieren (vgl. UA S. 16).
Im Hinblick darauf, dass sich die Kammer bei der Zumessung der Strafe
ersichtlich an der Obergrenze des rechtsfehlerfrei nach
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB (und nicht nach § 213,
2. Alt. StGB) gemilderten Strafrahmens orientiert hatte, lässt
sich ein Beruhen des Strafausspruches auf dem dargelegten
Rechtsverstoß nicht ausschließen. Eine Anwendung
von § 354 Abs. 1a StPO erscheint deshalb ebenfalls nicht
angebracht. Die Sache bedarf daher hinsichtlich des Strafausspruches
neuer Verhandlung und
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Entscheidung. Die Feststellungen können aufrecht erhalten
bleiben, weil es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt;
ergänzende Feststellungen sind möglich."
Dem verschließt sich der Senat nicht.
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Tepperwien Maatz Athing
Franke Mutzbauer |