BGH,
Beschl. v. 19.5.2010 - 1 StR 148/10
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 148/10
vom
19. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 26. November 2009 aufgehoben:
a) im Schuldspruch wegen zweier Fälle der Störung des
öffentlichen Friedens (Fälle III. Ziff. 6 und III.
Ziff. 7 der Urteilsgründe);
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen bezüglich der
Fälle III. Ziff. 6 und III. Ziff. 7 sowie über die
Gesamtfreiheitsstrafe und die angeordnete Unterbringung des Angeklagten
in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den zugehörigen
Feststellungen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sechs tatmehrheitlichen
Fällen der Bedrohung, davon drei Fälle in Tateinheit
mit Beleidigung, wegen zweier Fälle der Störung des
öffentlichen Friedens, davon ein Fall in Tateinheit mit
Bedrohung, sowie wegen versuchter gefährlicher
Körperverletzung zu einer
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Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Unterbringung
des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat
hinsichtlich des Schuldspruchs wegen der beiden Fälle der
Störung des öffentlichen Friedens, der dafür
festgesetzten Einzelstrafen von fünf Monaten und drei Monaten
sowie der Gesamtfreiheitsstrafe und der angeordneten Unterbringung
Erfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet.
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I.
1. Den Schuldsprüchen wegen Störung des
öffentlichen Friedens (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB)
liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:
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a) Fall III. Ziff. 6: Anfang 2008 war der Vater des Angeklagten
verstorben. Am 4. Februar 2009 erschien der Angeklagte im Amtsgericht
Dillingen gegen 12.20 Uhr bei der für Nachlassangelegenheiten
zuständigen Rechtspflegerin, welche ihn aber zunächst
vertröstete und einen Termin auf 13.00 Uhr festsetzte, um zu
ihrem Schutz einen Wachtmeister vorher herbeirufen zu können.
In dem dann - im Beisein des Wachtmeisters - mit der Rechtspflegerin
geführten Gespräch äußerte der
Angeklagte, dass er wisse, wo Waffen seien und seine Leute
überall seien. Weiter sagte er, dass er den Nachlasspfleger in
Sachen S. , Rechtsanwalt M. aus München, umbringen werde. Das
Gleiche passiere Frau Sc. von der ARGE A. . Schließlich
bedrohte er die Rechtspflegerin selbst mit den Worten, dass er sie
umbringen werde. Nach den Feststellungen des Landgerichts beabsichtigte
er dabei, diese in Angst um ihr Leben zu versetzen, wobei die
Rechtspflegerin diese Drohungen auch ernst nahm.
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b) Fall III. Ziff. 7: Am 11. März 2009 rief der Angeklagte
morgens bei der Polizeiinspektion G. an und telefonierte mit POK Ma. .
In dem Telefonat äußerte er dann, dass er nun
gezwungen sei, einen Bank- oder einen Tankstellenüberfall zu
begehen, da er kein Geld mehr habe. Darüber hinaus sagte er,
dass er jetzt zur ARGE nach D. fahren werde, um dort „ein
paar über den Haufen zu schlagen“. Aufgrund
früherer Äußerungen des Angeklagten, welche
POK Ma. bekannt waren, maß nach den Feststellungen des
Landgerichts dieser der Aussage die Bedeutung bei, dass sich der
Angeklagte zur Durchführung eines Amoklaufes zur ARGE nach D.
begeben wollte. Ob und was POK Ma. nach diesem Telefonat unternahm, hat
das Landgericht nicht festgestellt.
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2. a) Den Tatbestand der Störung des öffentlichen
Friedens erfüllt, wer eine der im Straftatenkatalog des
§ 126 Abs. 1 StGB aufgeführten Straftaten androht und
dabei zum Ausdruck bringt, dass die Verwirklichung der angedrohten Tat
in seinem Machtbereich liegt (MünchKommStGB/Schäfer
§ 126 Rdn. 11; S/S-Lenckner/Sternberg-Lieben § 126
Rdn. 5). Insoweit hat die Strafkammer zutreffend die Voraussetzungen
nach Abs. 1 Nr. 2 in beiden Fällen angenommen. Sofern im Fall
III. Ziff. 7 Bedenken bestünden, wäre auch die
Tatalternative nach Abs. 1 Nr. 5 erfüllt.
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b) Allerdings muss das Androhen jeweils zusätzlich in einer
Weise erfolgen, die zur Störung des öffentlichen
Friedens geeignet ist. Dies hat das Landgericht in beiden
Fällen nicht ausreichend dargetan.
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Gestört ist der öffentliche Frieden, wenn das
Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche
Rechtssicherheit erschüttert wird oder wenn potentielle
Täter durch Schaffung eines ‚psychischen
Klimas‘, in dem Taten wie die angedrohten
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begangen werden können, aufgehetzt werden (BGH NJW 1978, 58,
59; BGHSt 34, 329, 331). Allerdings muss eine solche Störung
noch nicht eingetreten sein; jedoch muss die Handlung zumindest konkret
zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet
gewesen sein (BGHSt 34, 329, 331 f.). Dies ist
regelmäßig dann anzunehmen, wenn die entsprechende
Ankündigung in der Öffentlichkeit erfolgt
(MünchKommStGB/Schäfer § 126 Rdn. 31), woran
es vorliegend allerdings in beiden Fällen fehlt. Eine
Ankündigung gegenüber einem Einzelnen kann dann
genügen, wenn nach den konkreten Umständen damit zu
rechnen ist, dass der angekündigte Angriff einer breiten
Öffentlichkeit bekannt werden wird, entweder bei einer
Zusendung an die Medien oder an einen nicht näher
eingegrenzten Kreis von Personen, von deren Diskretion nicht auszugehen
ist (BGHSt 34, 329, 332); bei einer Mitteilung an Betroffene
könnte dies gelten, wenn man davon ausgehen könnte,
dass diese aus Sorge um Opfer oder aus Empörung über
die Drohung sich an die Öffentlichkeit wenden könnten
(BGH aaO). Solches hat die Strafkammer nicht festgestellt.
c) Sind, wie in den hier maßgeblichen Fällen,
Adressaten der Drohungen staatliche Organe, wird
regelmäßig damit zu rechnen sein, dass diese zwar
Maßnahmen zur Vermeidung der angedrohten Taten ergreifen oder
veranlassen, jedoch regelmäßig im Übrigen
mit Diskretion vorgehen, einerseits um die
Präventivmaßnahmen nicht zu gefährden
(BGHSt aaO), andererseits um auch die Öffentlichkeit nicht
ohne Weiteres zu beunruhigen.
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Wie in Fall III. Ziff. 6 die Äußerungen des
Angeklagten gegenüber der für Nachlassangelegenheiten
zuständigen Rechtspflegerin des Amtsgerichts und im Fall III.
Ziff. 7 gegenüber dem Polizeibeamten zu Maßnahmen
hätten führen können, die ihrerseits eine
Beunruhigung in der Bevölkerung als Folge hätten
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haben können, hat das Tatgericht nicht ausgeführt.
Damit fehlt es jeweils an hinreichenden Feststellungen zum Tatbestand
des § 126 Abs. 1 StGB.
Allerdings kann eine mit der Drohung vorgenommene Vortäuschung
gegenüber einer Behörde nach § 145d Abs. 1
Nr. 2 StGB strafbar sein, was das Landgericht von seinem Standpunkt aus
zutreffend nicht erörtert hat.
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d) Die beiden Schuldsprüche wegen Störung des
öffentlichen Friedens, in einem Fall in Tateinheit wegen
Bedrohung, waren demgemäß aufzuheben. Die
Prüfung der weiteren Schuldsprüche auf die
Sachrüge hin hat keine durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.
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II.
1. Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Störung des
öffentlichen Friedens führt zur Aufhebung der
deswegen verhängten Einzelstrafen und der
Gesamtfreiheitsstrafe. Die für die anderen Taten
verhängten Strafen können dagegen bestehen bleiben.
Die Urteilsgründe enthalten keinen Anhaltspunkt
dafür, dass sie von den aufgehobenen Strafen beeinflusst sein
könnten.
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2. Die neu berufene Strafkammer wird jedoch Gelegenheit haben zu
prüfen, inwieweit die neu zu bestimmende Gesamtstrafe nach
§ 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dabei
kann nicht außer Acht bleiben, dass die vom Landgericht zur
Begründung einer Versagung der Bewährung mit
herangezogenen zwei Vorstrafen nur eine im Oktober 2007 begangene
Nachstellung (15 Tagessätze zu je 20,-- Euro) und das
Verbreiten pornografischer Schriften in zwei Fällen (Tatzeit:
Dezember 2007 - 30 Tagessätze zu je 20,-- Euro) betreffen.
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3. Auch die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus war schon deswegen aufzuheben, weil der neue Tatrichter die
Aussetzung der festzulegenden Gesamtfreiheitsstrafe zur
Bewährung möglicherweise anders beurteilen und dann
auch eine Unterbringungsanordnung nach § 67b StGB ausgesetzt
werden könnte. Im Übrigen könnte die
Gefährlichkeitsprognose auch eine andere Beurteilung erfahren,
falls der neue Tatrichter den Tatbestand des § 126 StGB in den
beiden Fällen aufgrund der neu getroffenen Feststellungen
nicht als gegeben ansieht.
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die vom Landgericht
sich zu eigen gemachte Äußerung des
Sachverständigen, wonach
„Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten in ihrer
Eskalation nicht vorhersehbar“ seien, er aber gerade deswegen
„mit einem sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit
für die Allgemeinheit gefährlich“ sei (UA
S. 26), durchaus widersprüchlich ist und daher einer Prognose
in dieser Weise nicht zugrunde gelegt werden kann.
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III.
Nachdem der Angeklagte seit 12. März 2009 in Untersuchungshaft
bzw. seit 19. Mai 2009 im BKH Kaufbeuren vorläufig
untergebracht ist, wird die neue Hauptverhandlung mit der gebotenen
Beschleunigung durchzuführen sein.
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Nack Wahl Graf
Jäger Sander |