BGH,
Beschl. v. 2.4.2004 - 1 StR 126/04
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 126/04
vom
2.04.2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2.04.2004
gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 8. Oktober 2003 wird mit der Maßgabe
verworfen,
daß die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt
entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung
in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit
fahrlässiger Körperverletzung
sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu
einer
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Weiter hat
es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und
bestimmt,
daß drei Jahre und acht Monate vor der Maßregel zu
vollstrecken sind. Gegen
dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die
Verletzung
materiellen Rechts rügt.
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Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit eine
Maßregel
nach § 64 StGB angeordnet wurde; diese hat zu entfallen. Im
übrigen ist die
Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
II.
Der Maßregelausspruch war aufzuheben.
1. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt
durch den Tatrichter erweist sich als rechtsfehlerhaft.
a) Das Landgericht hat bereits nicht festgestellt, daß der
Angeklagte den
Hang hat, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu
nehmen. Zu den Konsumgewohnheiten
des Angeklagten teilt das Landgericht lediglich folgendes
mit: "Der Angeklagte kam erstmals mit 17 Jahren auf einer Ferienreise
in Afrika
mit Drogen in Berührung. Er wurde dann heroinabhängig
und lebte dann eine
längere Zeit clean. Er kam dann im Jahre 2002 wieder mit
Heroin in Berührung,
das er etwa 1 Gramm pro Tag konsumierte" (UA S. 2).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von einem Hang
auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition
zurückgehende
oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer
wieder
Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad
physischer
Abhängigkeit erreicht haben muß (vgl. nur BGHSt StGB
§ 64 Abs. 1
Hang 5; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297; Hanack in
LK 11. Aufl. § 64
Rdn. 4 jew. m.w.N.). "Im Übermaß" bedeutet,
daß der Täter berauschende Mittel
in einem solchen Umfang zu sich nimmt, daß seine Gesundheit,
Arbeitsund
Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt
wird (Körner aaO;
Hanack aaO Rdn. 44 m.w.N. in Fußn. 12). Eine Tendenz zum
Betäubungsmit-
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telmißbrauch ohne Depravation und erhebliche
Persönlichkeitsstörung reicht
daher nicht aus (BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 1).
Nach diesem Maßstab lag nach den vom Landgericht getroffenen
Feststellungen
beim Angeklagten kein Hang i.S.d. § 64 StGB vor (vgl. dazu
Tröndle/
Fischer, StGB 51. Aufl. § 64 Rdn. 7).
b) Darüber hinaus fehlt auch der erforderliche symptomatische
Zusammenhang
zwischen Tat und Hang. Über den Zustand des Angeklagten bei den
drei am 8., 14. und am 29. November 2002 vom Angeklagten begangenen
Banküberfällen teilt das Urteil mit, der Angeklagte
habe im Zeitraum von Juni
bis November 2002 "regelmäßig zum Eigenkonsum und
zur Weitergabe" Heroin
auf Kredit bei dem anderweitig verfolgten F. in R. erworben;
er sei aber nicht in der Lage gewesen, seine Schulden zu begleichen.
F. habe dem Angeklagten vorgeschlagen, sich das Geld aus einem
Banküberfall zu verschaffen und habe ihm Anfang Oktober eine
scharfe und
geladene Schußwaffe ausgehändigt (UA S. 8). Diese
Feststellungen und insbesondere
die Art und Weise der Ausführung der Taten belegen, auch wenn
der Sachverständige von einer Opiatabhängigkeit
ausgegangen ist, daß der
Angeklagte die Überfälle nicht aufgrund eines Hangs
begangen hat.
2. Der Senat kann auch ausschließen, daß eine neue
Verhandlung Feststellungen
ergeben könnte, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen
würden. Er
erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall
der den Angeklagten
beschwerenden (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO)
Unterbringungsanordnung.
Die - rechtlich ebenfalls bedenkliche - Bestimmung über die
Vollstreckungsreihenfolge
wird dadurch gegenstandslos.
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3. Trotz dieses Teilerfolgs der Revision hält es der Senat
nicht für unbillig,
den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosen zu belasten
(§ 473
Abs. 4 StPO). Es ist nämlich nicht erkennbar, daß
der Angeklagte das Urteil
nicht angefochten hätte, wenn von einer Unterbringung
abgesehen worden wäre.
Hier ist es vielmehr so, daß der Angeklagte offenbar die
Maßregelanordnung
nicht angreifen wollte, so daß sich der Erfolg des
Rechtsmittels als sehr
gering darstellt.
Nack Wahl Boetticher
Hebenstreit Graf |