BGH,
Beschl. v. 2.2.2000 - 2 StR 4/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 4/00
vom
2. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 2. Februar 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 9. September 1999 im Rechtsfolgenausspruch mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang
wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer
räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei
Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich seine
Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechtes rügt.
Das Rechtsmittel ist unbegründet, soweit es dem Schuldspruch
gilt (§ 349 Abs. 2 StPO); dieser weist keine Rechtsfehler auf.
Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben:
1. Der Strafausspruch ist aufzuheben, weil das Landgericht
strafschärfend berücksichtigt hat, daß der
Angeklagte "bei der Begehung der Tat unter laufender
Bewährung" gestanden habe. Ausweislich der Feststellungen
trifft das nicht zu. Als der Angeklagte am 23. Februar 1999 die hier
abgeurteilte Straftat beging, war die ihm zuletzt für eine
Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 22.
Juli 1996 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung bereits
widerrufen und die Reststrafe - seit dem 22. Juli 1998 -
verbüßt.
Bedenken erweckt im übrigen die Begründung, mit der
das Landgericht bei Annahme eines minder schweren Falles (§
250 Abs. 3 StGB) eine weitere, wegen Versuchs und erheblich
verminderter Schuldfähigkeit in Betracht kommende
Strafrahmenmilderung (§ 49 StGB) abgelehnt hat. Dies
läßt sich nicht - wie das Landgericht meint - allein
mit dem Hinweis begründen, die Milderungsgründe der
§§ 21 und 23 Abs. 2 StGB seien "bereits" konstitutiv
für die Bejahung eines minder schweren Falles gewesen; nur
dann, wenn sich "erst" durch ihre Einbeziehung die Bewertung des Falles
als minder schwer rechtfertigt, scheidet eine weitere
Strafrahmenmilderung aus (st. Rspr., BGHR StGB § 50
Mehrfachmilderung 1; zur Prüfungsreihenfolge: BGHR StGB vor
§ 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung,
unvollständige 11 m.w.N.).
2. Das Landgericht hat - ohne Begründung - davon abgesehen,
die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
(§ 64 StGB) anzuordnen. Auch dieser Teil der
Rechtsfolgenentscheidung kann nicht bei Bestand bleiben. Es stellt
einen sachlichrechtlichen Mangel dar, wenn sich das Tatgericht mit der
Möglichkeit oder Notwendigkeit einer
Maßregelanordnung nicht auseinandersetzt, obwohl die
Umstände des Falls dazu drängen (st. Rspr., BGHR StGB
§ 64 Anordnung 1). Solche Umstände lagen hier nach
den Feststellungen vor; sie ergeben sich aus der "Drogenkarriere" des
Angeklagten, der sich wiederholt wegen Polytoxikomanie und
drogeninduzierter Psychose in stationärer
Krankenhausbehandlung befand und zur Tatzeit an einem
Substituierungsprogramm (Methadon und Codein) teilnahm, desgleichen aus
Taten, derentwegen er früher bestraft worden ist, und nicht
zuletzt aus der abgeurteilten Tat selbst, die er unter dem Druck von
Entzugserscheinungen und unter den - nicht ausschließbaren -
Voraussetzungen einer suchtbedingt erheblich herabgesetzten
Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) in der Absicht beging,
"sich mit dem erbeuteten Geld Rauschgift zu besorgen"
(Beschaffungsdelikt).
Jähnke Niemöller Detter Bode Otten |