BGH,
Beschl. v. 2.7.2008 - 1 StR 174/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 174/08
vom
2. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2008
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten I. wird das Urteil des Landgerichts
Tübingen vom 25. Oktober 2007, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er im Fall B
(Überfall auf den Penny-Markt am 31. Januar 2007) der
Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung schuldig
ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe zu Fall B sowie im
Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision dieses Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen schweren Raubes (Fall A)
und Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung (Fall B)
zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat
hinsichtlich Fall B im Umfang des Beschlusstenors Erfolg (§
349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des
Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349
Abs. 2 StPO).
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I.
1. Folgendes ist - soweit im Rahmen der Revision von Bedeutung - zu
Fall B festgestellt:
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Gegen Ende 2006 war Gesprächsthema zumindest zwischen dem
Angeklagten I. sowie den Mitangeklagten K. . und Z. ,
Raubüberfälle in A. zu begehen. Es entwickelte sich
die Idee, den Marktleiter des dortigen Penny-Markts zu
überfallen, um die Einnahmen vorausgegangener Tage zu
entwenden. Die Tat sollte an einem der Warenanlieferungstage in den
frühen Morgenstunden vor Öffnung des Markts begangen
werden, weil der Marktleiter zu diesen Zeiten allein im Markt war, um
einen Diebstahl der angelieferten Waren zu verhindern. Der Angeklagte
I. sowie die Mitangeklagten K. und Z. brachten in Erfahrung, dass die
Tageseinnahmen nicht an jedem Tag von einem Geldtransportunternehmen
abgeholt wurden. Nachdem sie noch den Mitangeklagten W. gewonnen und
mit diesem zunächst einen Raubüberfall auf einen
Tankstellenbetreiber in A. (Fall A) begangen hatten, kamen sie
überein, dass der Überfall auf den Marktleiter am 29.
Januar 2007 - unter Beteiligung und "Regie" des Angeklagten I. -
stattfinden solle.
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Die vier Angeklagten trafen sich am 29. Januar 2007 zur
Tatausführung, verschätzten sich jedoch in der Zeit
und fuhren unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Der Angeklagte I.
war an den darauf folgenden Tagen verhindert, weil er an seiner
Arbeitsstelle Frühschicht hatte. Die Mitangeklagten
beschlossen, den Plan in Unkenntnis des Angeklagten I. zu nutzen und
nur die Rollen neu zu verteilen. Der Mitangeklagte K. übernahm
dessen Tatbeitrag (Steuerung des Fluchtfahrzeugs), und als vierten
(Ersatz-)Mann gewannen sie den Mitangeklagten H. . Zunächst
war der Angeklagte I. "planender Kopf" der Gruppe gewesen; auch diese
Rolle wurde nunmehr vom Mitangeklagten
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K. übernommen. Noch bestand zwischen den Mitangeklagten K. ,
Z. , W. und H. Einigkeit, dass der Angeklagte I. an der Tatbeute
beteiligt werden solle.
Am frühen Morgen des 31. Januar 2007 besprachen die
Mitangeklagten im Fluchtfahrzeug, wie der Überfall konkret
ablaufen solle. Anschließend führten sie die Tat
aus, indem sie den Marktleiter im Marktinneren
überwältigten und mit einer ungeladenen
Schreckschusspistole zur Öffnung des Tresors und zur
Übergabe des vorrätigen Wechselgeldes (insgesamt
1.529,50 €) zwangen. Auf Betreiben des Mitangeklagten H.
nahmen sie anschließend davon Abstand, den Angeklagten I. an
der Tatbeute zu beteiligen. Dieser erfuhr jedoch aus der Zeitung von
dem Überfall, stellte den Mitangeklagten Z. zur Rede,
verlangte seinen Beuteanteil und ohrfeigte ihn, woraufhin dieser dem
Angeklagten I. 300,- € übergab.
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2. Die Kammer hat die Beteiligung des Angeklagten I. als Anstiftung zur
- von den Mitangeklagten mittäterschaftlich begangenen -
schweren räuberischen Erpressung gewertet. Insoweit ist im
Urteil - lediglich - ausgeführt, der Angeklagte I. habe "keine
konkrete Tatherrschaft, aber ein eigenes Tatinteresse bei dem
Überfall" gehabt.
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Die Revision macht geltend, dass eine Anstiftung ausscheide, weil die
Angeklagten den Tatentschluss gemeinsam gefasst hätten und
nicht vom Angeklagten I. hierzu bestimmt worden seien. Sie meint, bei
ihm läge vielmehr Beihilfe vor, und begehrt eine entsprechende
Abänderung des Schuldspruchs.
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II.
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Die Revision des Angeklagten I. hat teilweise Erfolg, weil er sich
nicht wegen Anstiftung zur, sondern wegen Verabredung einer schweren
räuberischen Erpressung nach § 253 Abs. 1, 2,
§§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 30
Abs. 2 StGB strafbar gemacht hat.
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Entgegen der Bewertung durch das Landgericht liegt Anstiftung schon
deswegen nicht vor, weil der Angeklagte I. die Mitangeklagten nicht zu
der schweren räuberischen Erpressung im Sinne von §
26 StGB "bestimmt" hat (nachfolgend 1). Im Übrigen scheidet
auch eine Beteiligung als Mittäter - ebenso wie eine solche
als Gehilfe - aus; denn nach der Vorstellung des Angeklagten I.
begingen die Mitangeklagten nicht die Tat gemäß dem
gemeinsamen Tatplan, sondern eine andere Tat (nachfolgend 2).
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1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte I. nicht
Anstifter. Feststellungen, die die Annahme tragen, er habe den
Tatentschluss bei den Mitangeklagten erst hervorgerufen, sind nicht
getroffen worden. Vielmehr entwickelten die Angeklagten die Idee eines
Raubüberfalls auf den Marktleiter des Penny-Markts gemeinsam.
Die Informationen für den Tatplan stammten nicht allein vom
Angeklagten I. , sondern auch von Mitangeklagten, so etwa, was das
Wissen um das Abholen der Tageseinnahmen bei dem Supermarkt durch ein
Geldtransportunternehmen anbelangt. Den Entschluss zur
Tatausführung am 29. Januar 2007, die noch im
Vorbereitungsstadium abgebrochen wurde, fassten die Angeklagten
ebenfalls gemeinsam.
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Der Angeklagte I. zeigte zwar im Vorbereitungsstadium die
höchste Planungskompetenz in der Tätergruppe und war
dementsprechend "zunächst" deren "planender Kopf" (UA S. 29).
Aus den Urteilsgründen ergibt sich allerdings, dass die
Planung einzelne Modalitäten der Verwirklichung eines dem
Grunde nach feststehenden Tatentschlusses betraf. Dem entspricht es,
dass
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die Mitangeklagten nach dem 29. Januar 2007 "beschlossen, I. s
fortbestehenden und von diesem nicht zurückgenommenen Plan
für den Überfall zu nutzen und nur die Rollen neu zu
verteilen" (UA S. 18), wobei auch die Rolle des "planenden Kopfes" vom
Mitangeklagten K. übernommen wurde (UA S. 29). Dementsprechend
wurden im Fluchtfahrzeug in Abwesenheit des Angeklagten I. einzelne
Modalitäten der Tatausführung weiter
präzisiert, indem der konkrete Ablauf des Überfalls
besprochen wurde.
2. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Ansatz
zutreffend ausgeführt hat, wäre eine Tatbeteiligung
des Angeklagten I. im Grundsatz als Mittäterschaft nach
§ 25 Abs. 2 StGB zu qualifizieren (nachfolgend a). Allerdings
begingen die Mitangeklagten, indem sie sich einseitig von dem
gemeinschaftlich gefassten Tatentschluss lösten und den
Marktleiter ohne Wissen und Wollen des Angeklagten I.
überfielen, nicht die mittäterschaftlich geplante
Tat, vielmehr eine andere Tat (nachfolgend b).
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a) Wäre die Tat gemäß dem gemeinsamen
Tatplan ausgeführt worden, wäre der Angeklagte I.
daran als Mittäter beteiligt gewesen, selbst wenn von
Vornherein nicht geplant gewesen wäre, dass er im
Ausführungsstadium mitwirken sollte. Insoweit gilt: Ob ein
Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender
Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner
Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte
können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat,
der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der
Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der
Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden
abhängen. Die Annahme von Mittäterschaft erfordert
nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine
Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage
gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder
Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder
Unterstützungshand-
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lung beschränken kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2003, 253,
254; NStZ-RR 2002, 74, 75 m.w.N.).
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b) Mittäterschaft scheidet hier freilich aus, da die
ausgeführte Tat wesentlich ebenso von der Vorstellung des
Angeklagten I. wie vom gemeinsamen Tatplan abweicht: Die Tat wurde
absprachewidrig zu einem anderen Zeitpunkt in anderer Besetzung mit
anderer Rollenverteilung der Ausführenden begangen.
Darüber hinaus hatte der Angeklagte I. weder Kenntnis von der
Tatbegehung noch rechnete er auch nur damit; er ging vielmehr davon
aus, dass sein Tatbeitrag noch nicht ausreiche und der Tatplan nicht
ohne weitere Mitwirkungshandlungen seinerseits verwirklicht werde (vgl.
auch Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl.
§ 24 Rdn. 82; Vogler in LK 11. Aufl. § 24 Rdn. 164).
Er hatte die Tatausführung noch nicht aus den Händen
gegeben. Die konkrete Tat entsprach auch nicht dem Willen des
Angeklagten I. . Vielmehr wollte er auch im Ausführungsstadium
mitwirken. Dementsprechend stellte er, als "er aus der Zeitung erfahren
hatte, dass 'sein' Überfall ohne seine Beteiligung
ausgeführt worden war, Z. zur Rede … und verlangte
seinen Beuteanteil" (UA S. 20).
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In dem in diesem Sinne definierten fehlenden Wissen und Wollen
unterscheiden sich Fälle der vorliegenden Art von verwandten
Fallkonstellationen, die der Bundesgerichtshof bereits entschieden und
dabei Mittäterschaft - zumindest im Grundsatz - bejaht hat.
Das gilt vor allem für Fälle, in denen ein
"Hintermann" die Planung einer Tat (mit-)beherrscht, diese aber
anschließend aus den Händen gibt und dabei das
genaue Vorgehen bei der Tatausführung und den hierfür
geeigneten Zeitpunkt dem Ermessen seines Mittäters
überlässt (vgl. BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR
2004, 40, 41; ferner Fischer, StGB 55. Aufl. § 25 Rdn. 12a).
In derartigen Fällen umfasst der gemeinschaftlich gefasste
Tatentschluss das Vorgehen insoweit nur im Allgemeinen und
räumt einzelnen Mittätern in der Art der
Ausführung Freiheiten ein (vgl. Joecks in
MünchKomm-StGB § 25 Rdn. 205 m.w.N.). In der
völligen Unkenntnis des Angeklagten I. von der Tatbegehung
unterscheidet sich der hiesige Fall aber
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auch von Fällen, in denen ein Mittäter im
Vorbereitungsstadium von der Tatausführung Abstand nimmt, er
allerdings - etwa wegen fehlgeschlagener Umstimmungsversuche -
weiß oder zumindest damit rechnet, dass andere
Mittäter (gegebenenfalls) seinen Tatbeitrag ersetzen und die
Tat gleichwohl ohne ihn ausführen (vgl. BGHSt 28, 346; BGH
NStZ 1994, 29; 1999, 449).
Aus den genannten Gründen kann der Angeklagte I. ebenso wenig
als Gehilfe nach § 27 StGB belangt werden.
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3. Da der Angeklagte I. also weder Täter noch Teilnehmer der
ausgeführten - wesentlich anderen - Tat ist, hat er sich
hinsichtlich der ursprünglich geplanten Tat wegen
Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
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III.
Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall B analog §
354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte I. der Verabredung einer
schweren räuberischen Erpressung schuldig ist. Dass sich
dieser bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen
Gesichtspunktes wirksamer als geschehen hätte verteidigen
können, schließt der Senat aus. Das gilt umso mehr,
als die Revision beantragt hat, "den Schuldspruch auf Beihilfe
um(zu)stellen", was zu einem identischen Strafrahmen geführt
hätte. Des Weiteren schließt der Senat aus, dass die
Bemessung der Einzelstrafe für die Tat im Fall A, welche die
gesetzliche Mindeststrafe nicht erheblich übersteigt, von dem
Wertungsfehler beeinflusst ist. Soweit das Urteil im Strafausspruch
aufgehoben wird, können die zugehörigen
Feststellungen gleichwohl bestehen bleiben.
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Da sich das Verfahren nunmehr allein gegen einen Erwachsenen richtet,
verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer. Diese wird
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der Strafzumessung strafschärfend auch die - wenngleich nicht
von der Vorstellung des Angeklagten I. umfassten, so doch -
vorwerfbaren Folgen der Verbrechensverabredung zu
berücksichtigen haben (vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 372
m.w.N.), nämlich die Tatbegehung durch die vier Mitangeklagten.
VRiBGH Nack ist urlaubsabwesend
und daher an der Unterschrift ge-
hindert
Wahl Wahl Kolz
Elf Graf |