BGH,
Beschl. v. 2.11.2000 - 4 StR 471/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 471/00
vom
2. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. November
2000 einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 21. Juni 2000 wird als unbegründet
verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der
Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei keine Bestimmung darüber
getroffen, auf welche der beiden Gesamtfreiheitsstrafen
von drei Jahren und sechs Monaten sowie von fünf Monaten
(ohne Bewährung) die erlittene Untersuchungshaft anzurechnen
ist. Eine solche Entscheidung ist im Gesetz (§ 51 StGB,
§ 450 StPO) - im Unterschied zu anderen Fallgestaltungen
(vgl. §§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 56 f Abs. 3 Satz 2
StGB; § 51
Abs. 4 Satz 2 StGB; s. auch §§ 31 Abs. 2 Satz 2, 52
JGG) -
nicht vorgesehen. Es ist auch nicht erforderlich, im Falle mehrerer
gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafen einen
ausdrücklichen
Ausspruch über den Anrechnungsmodus in die Urteilsformel
aufzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 25,
26; Pohlmann/Jabel/Wolf Strafvollstreckungsordnung 7. Aufl.
§ 39 Rdn. 5 i.V.m. Rdn. 18, 22, 35; a.A. - allerdings nur
obiter
dictum - BGHSt 27, 287, 288; BGH NStZ 1985, 497; vgl. auch
Gribbohm in LK 11. Aufl. § 51 Rdn. 50 [s. aber Rdn. 59: "in der
Regel"]; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl.
§ 260
Rdn. 80 m.w.N. in Fn. 174). Hiervon ist der Senat bereits in
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seiner Entscheidung über die insoweit ähnlich
gelagerte Frage
einer Anrechnung der Untersuchungshaft auf den gemäß
§ 67
Abs. 2 StGB vorab zu vollziehenden Teil der Strafe ausgegangen
(BGH NStZ 1991, 508; s. ferner BGH NJW 1972, 730,
731): Aus Anlaß der abgeurteilten Tat erlittene
Untersuchungshaft
ist nämlich gemäß § 51 Abs. 1 Satz
1 StGB kraft
Gesetzes auf zeitige Freiheitsstrafe - und auf Geldstrafe - anzurechnen;
einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es nicht.
Es ist Aufgabe der Vollstreckungsbehörde, an die sich
§ 51
StGB unmittelbar richtet, bei der Strafzeitberechnung
(§§ 37 ff.
StVollstrO) den anrechenbaren Freiheitsentzug in Ansatz zu
bringen. Allein aus dem Umstand, daß eine Entscheidung des
erkennenden Gerichts über die Art der Anrechnung von
Untersuchungshaft
auf mehrere Freiheitsstrafen konstitutiv wirken
würde, kann nicht hergeleitet werden, daß eine
solche Bestimmung
erforderlich ist; hiervon geht auch § 39 Abs. 1 Satz 1
und 2 StVollstrO aus.
Es ist in der hier gegebenen Fallgestaltung praktisch gar nicht
möglich, die Frage der Anrechnung schon im Zeitpunkt des
tatrichterlichen Urteils in einer Weise zu entscheiden, die im
Blick auf die Fiktion der Strafverbüßung nach
§ 57 Abs. 4 StGB
nicht in Widerspruch zu der materiell-rechtlichen Regelung der
Mindestverbüßungszeiten in § 57 StGB und
der diese sichernden
verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 454 b StPO treten
kann (vgl. Pohlmann/Jabel/Wolf aaO § 39 Rdn. 18). Die
Anrechnung
des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB erstreckt sich nämlich
auf die Untersuchungshaft, die der Angeklagte bis zu dem Tag
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erlitten hat, an dem die Entscheidung in Rechtskraft erwächst
(vgl. § 39 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO), ohne daß sich
das - im
wesentlichen von etwaigen Rechtsmitteln abhängige -
Ausmaß
dieser Zeitspanne verläßlich einschätzen
ließe (vgl. BGH NStZ
1991, 508; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 51 Rdn.
6). Über
die Art der Anrechnung kann daher sachgemäß erst
nach Eintritt
der Rechtskraft durch die Vollstreckungsbehörde befunden
werden, etwa in der Weise, daß durch Aufteilung der
Untersuchungshaft
möglichst früh die
Mindestverbüßungszeiten des
§ 57 StGB erreicht werden (OLG Frankfurt NStZ 1990, 147 f.);
das Fehlen einer ausdrücklichen Anrechnungsregel - wie sie
das Gesetz für andere Fälle vorsieht (vgl. etwa
§ 51 Abs. 4
Satz 1 StGB, § 450 a Abs. 1 [s. BGH NStZ 1985, 497] und 2
StPO) - steht einer solchen Bestimmung nicht entgegen. Eine
gerichtliche Entscheidung über die Berechnung der erkannten
Strafen ist dem Verfahren nach § 458 StPO, das dem Verurteilten
den erforderlichen Rechtsschutz sichert, vorbehalten;
das gilt insbesondere auch für die Anrechnung der
Untersuchungshaft
in einem Fall wie dem hier zu entscheidenden (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 458 Rdn. 3;
Paeffgen in SK-StPO § 458 Rdn. 7).
Es entspricht daher auch ständiger Übung in der
neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteile, in denen der
Tatrichter mehrere (Gesamt-)Freiheitsstrafen verhängt hat, ohne
eine Bestimmung über die Art der Anrechnung erlittener
Untersuchungshaft zu treffen, nicht zu beanstanden. Im gleichen
Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in Fällen sog.
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verfahrensfremder Untersuchungshaft darauf hingewiesen,
daß eine in Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB
gebotene
Anrechnung auch im Verfahren der Strafzeitberechnung vorgenommen
werden kann (BVerfG StV 1998, 664, 666; 1999,
102, 104).
An seiner entgegenstehenden Rechtsprechung im Urteil vom
18. März 1976 - 4 StR 65/76 - hält der Senat nicht
fest. Über
die Fälle des Zusammentreffens von Freiheits- und Geldstrafe
(BGHSt 24, 29, 30; BGH bei Dallinger MDR 1970, 196; NJW
1992, 123, 125, insoweit in BGHSt 38, 7 nicht abgedruckt;
ebenso schon BGH NJW 1962, 2311 und Urteil vom
6. September 1966 - 1 StR 396/66 zu § 60 StGB a.F.;
BayObLG NJW 1972, 1631, 1632; Lemke in NK/StGB § 51
Rdn. 2, 22) sowie mehrerer anrechenbarer Freiheitsentziehungen
(vgl. BGH NStZ 1990, 231, 232) ist hier nicht zu befinden.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Solin-Stojanovic Ernemann |