BGH,
Beschl. v. 2.10.2001 - 4 StR 381/01
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 381/01
vom
2. Oktober 2001
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des
Generalbundesanwalts und nach Anhörung des
Beschwerdeführers am 2. Oktober 2001 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Halle vom 12. April 2001 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Anklagepunkt 11 wegen versuchter
Vergewaltigung "im schweren Fall" in Tateinheit mit
Körperverletzung verurteilt worden ist; insoweit werden jedoch
die Feststellungen aufrechterhalten,
b) mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch
über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten neben weiteren Straftaten der
versuchten Vergewaltigung "im schweren Fall" (gemeint ist: begangen
unter den Voraussetzungen des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB) in
Tateinheit mit Körperverletzung für schuldig befunden
und gegen ihn eine Gesamtstrafe von zwölf Jahren
Freiheitsstrafe verhängt. Mit seiner Revision rügt
der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen
Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
Die auf den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 1
StGB gestützte Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung
begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt
hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt:
"Die Verurteilung wegen Vergewaltigung im besonders schweren Fall nach
§ 177 Abs. 4 StGB wird von den Urteilsfeststellungen nicht
getragen. Danach hat der Angeklagte der Geschädigten eine
Schreckschusspistole vorgehalten und so versucht, sie zur Duldung des
Geschlechtsverkehrs zu nötigen. Schreckschusspistolen fallen
jedoch nicht unter den Waffenbegriff. Dass es sich im konkreten Fall
insoweit um ein anderes gefährliches Werkzeug gehandelt hat,
kann dem Urteil nicht entnommen werden. Zur Gefährlichkeit der
´Waffe´ insbesondere auch zu ihrem Ladezustand, hat
das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Da der Angeklagte die -
möglicherweise sogar ungeladene - Schreckschusspistole nur zur
Bedrohung und nicht auch auf andere Weise, z.B. als Schlagwerkzeug,
eingesetzt hat, kann auch aus der konkreten Art der Verwendung die
Gefährlichkeit nicht hergeleitet werden. Der Schuldspruch nach
§ 177 Abs. 4 StGB kann damit keinen Bestand haben und ist
aufzuheben. Von der Aufhebung wird - wegen der Einheitlichkeit des
Schuldspruchs - auch die an sich nicht zu beanstandende tateinheitliche
Verurteilung wegen Körperverletzung erfasst.
Die Aufhebung der Verurteilung im Anklagepunkt 11 führt zum
Wegfall der insoweit erkannten Einzelstrafe, die zugleich die
Einsatzstrafe bildet. Damit entfällt auch die Grundlage
für die Gesamtfreiheitsstrafe".
Dem tritt der Senat bei.
Die der Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen sind indes
rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben.
Ergänzende Feststellungen, insbesondere zum Ladezustand und zu
der Art des konkreten Einsatzes der vom Angeklagten bei der Tat
verwendeten Schreckschußpistole (vgl. hierzu die
Übersicht bei Boetticher/Sander NStZ 1999, 292), bleiben
zulässig.
Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat:
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen erfüllt das
Verhalten des Angeklagten in dem von der Aufhebung betroffenen Fall
jedenfalls den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 3 Nr. 2
StGB. Bei der Bemessung der neu zu bildenden Gesamtstrafe wird der neue
Tatrichter dem engen zeitlichen, sachlichen und situativen Zusammenhang
der Taten zu den Anklagepunkten 6 bis 8 Rechnung zu tragen haben (vgl.
BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 2; Tröndle/Fischer
StGB 50. Aufl. § 54 Rdn. 10). Er wird ferner zu beachten
haben, daß der Gesamtstrafausspruch im schriftlichen Urteil
umso eingehender zu begründen ist, je mehr sich die
Gesamtstrafe der oberen Grenze des Zulässigen nähert.
In gleicher Weise bedarf es einer eingehenden Begründung auch
dann, wenn - wie hier - eine hohe Gesamtstrafe sich auffallend von der
Einsatzstrafe entfernt (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8).
Tepperwien Maatz Kuckein
Ernemann Sost-Scheible |