BGH,
Beschl. v. 2.10.2007 - 3 StR 412/07
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 412/07
vom
2.10.2007
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2.10.2007
gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 12. Juni 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des
Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des
Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf
die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des
Beschuldigten hat Erfolg.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete der Beschuldigte im
März 2005 in einem Supermarkt ein Päckchen Tabak im
Wert von 4,15 € und führte dabei ein Klappmesser mit
feststellbarer Klinge und ein Schweizer-Messer bei sich. Anfang
November 2005 hinderte er eine Bekannte daran, seine Wohnung zu
verlassen. Außerdem schlug er auf sie ein und verletzte sie
erheblich.
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Die Unterbringungsentscheidung hält rechtlicher
Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung nach § 63 StGB
setzt u. a. die positive Feststellung eines länger
andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes voraus, der
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dest eine erhebliche Einschränkung der
Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher
begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27;
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 63 Rdn. 6). Sie
bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil
sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des
Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu
stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
Das Landgericht hat weder ausreichend dargelegt, dass der Beschuldigte
zu den Tatzeiten schuldunfähig war (nachstehend 1.), noch
ausreichend dessen Gefährlichkeit begründet
(nachstehend 2.).
1. Wenn sich der Tatrichter - wie hier - darauf beschränkt,
sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der
Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen
wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so
wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur
Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH NStZ
2003, 307; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m. w. N.). Daran fehlt es hier.
Zum Beleg dafür, dass der Beschuldigte nicht fähig
war, seiner vorhandenen Unrechtseinsicht gemäß zu
handeln, hat die Strafkammer lediglich ausgeführt, bei dem
Beschuldigten bestehe "neben einer dissozialen Störung und
einer Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit eine
chronifizierte schwere schizophrene Psychose mit ausgeprägten
Störungen der Handlungsübersicht, der
Kritikfähigkeit, der adäquaten
Selbsteinschätzung, des verinnerlichten Wertgefühles
und der Impulskontrolle". Es fehlt eine Darlegung, wie dieses
Störungsbild auf den Beschuldigten und seine
Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen
eingewirkt hat. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn
bei dem Täter eine Schizophrenie diagnostiziert worden ist.
Die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich
allein genommen nicht zur Feststellung einer - generellen oder
zumindest längere Zeiträume überdauernden -
Schuldunfähigkeit (vgl. Nedopil,
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Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S.151). Dass sich der Beschuldigte bei
beiden Taten jeweils in einem akuten Schub der Krankheit befunden
hätte (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 16. Mai 2007 - 2 StR
96/07), ist nicht erkennbar. Zu dem Diebstahl mit Waffen sind
über die den Tatbestand erfüllende Handlung hinaus
weitere Umstände nicht festgestellt. Bei der
gefährlichen Körperverletzung nebst
Freiheitsberaubung hat der Beschuldigte sich vor und nach der Tat
situationsangepasst verhalten.
2. Vergleichbar knapp und damit angesichts des erheblichen Eingriffs,
der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist,
ebenfalls nicht ausreichend hat das Landgericht seine
Überzeugung von der zukünftigen
Gefährlichkeit des Beschuldigten begründet. Auch hier
ist es dem Sachverständigen gefolgt und hat lediglich
ausgeführt, es bestehe "ein erhebliches Risiko der Begehung
weiterer ähnlicher Straftaten", es sei "jederzeit mit
schwersten Gewalttaten aufgrund der psychotischen Situationsverkennung
zu rechnen". Es fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der
Beschuldigte nach den getroffenen Feststellungen letztmals Anfang 1998
bestraft worden und auch in den 15 Monaten zwischen der Tat und der
vorläufigen Unterbringung nicht wieder auffällig
geworden ist.
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3. Über die Voraussetzungen der Unterbringung des
Beschuldigten muss deshalb - sinnvollerweise auch unter Auswertung der
Erkenntnisse im Zusammenhang mit dessen mehrfachen Aufenthalten in
psychiatrischen Kliniken - erneut entschieden werden.
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4. Der neue Tatrichter wird im Hinblick darauf, dass das Opfer (und
einzige Beweismittel) bezüglich der gefährlichen
Körperverletzung selbst erheblich
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alkoholisiert war, auch der Darstellung der Beweiswürdigung
größere Aufmerksamkeit zu widmen haben.
5. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das
Verfahren an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
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Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer |