BGH,
Beschl. v. 2.9.2009 - 5 StR 266/09
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB §§ 27, 271
AufenthG § 95
1. Der Annahme einer Beihilfe (§ 27 StGB) zum unerlaubten
Aufenthalt eines Ausländers nach § 95 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG durch tätige Hilfeleistung steht es nicht entgegen,
dass der Haupttäter auch ungeachtet der Hilfeleistung zur
Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen ist.
2. Die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 in Verbindung mit
§ 78 Abs. 7 Satz 1, 2, Abs. 6 AufenthG, auch in Verbindung mit
§ 63 Abs. 5 AsylVfG, ist hinsichtlich der Personalangaben
jedenfalls dann keine öffentliche Urkunde im Sinne des
§ 271 StGB, wenn die Verwaltungsbehörde den Hinweis
in die Urkunde aufnimmt, dass die Personalangaben auf den eigenen
Angaben des Ausländers beruhen (§ 78 Abs. 6 Satz 2
Nr. 10 AufenthG).
3. Die Sonderregelung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG
konsumiert den allgemeinen Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung
(§ 271 Abs. 1, 2 StGB).
BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - 5 StR 266/09
LG Berlin -
5 StR 266/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 2. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen mittelbarer Falschbeurkundung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2009
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin
vom 15. Januar 2009 wird mit der Maßgabe als
unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen, dass
der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Erschleichens
einer Duldung nach § 95 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten
Aufenthalt eines Ausländers und wegen mittelbarer
Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten
verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten
führt mit der Sachrüge zu einer Änderung des
Schuldspruchs für Fall 2 der Urteilsgründe. Im
Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs.
2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt nach
§ 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB ist im Ergebnis
nicht zu beanstanden.
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a) Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann hinreichend
deutlich entnommen werden, dass sich der Haupttäter, der
vietnamesische Staatsangehörige B. , im Tatzeitraum unerlaubt
in Deutschland aufgehalten hat.
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aa) B. war zuvor illegal nach Deutschland geschleust worden, ohne dass
er den Ausländerbehörden seine Einreise oder seinen
Aufenthalt offenbart hatte. Deswegen konnte ihm keine Duldung
(§ 60a AufenthG) erteilt werden. Die Frage eines die
Erfüllung des Tatbestands ausschließenden
hypothetischen Duldungsanspruchs (hierzu BVerfG - Kammer - NStZ 2003,
488, 489) stellt sich mithin nicht (BGHR AuslG § 92
Unerlaubter Aufenthalt 4 m.w.N.). Das Inkrafttreten des
Aufenthaltsgesetzes hat insoweit keine Änderung
herbeigeführt (vgl. Mosbacher in GK-AufenthG § 95
Rdn. 73).
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bb) Umstände, nach denen dem B. die Ausreise
unmöglich oder unzumutbar gewesen sein könnte, hat
das Landgericht nicht festgestellt. Jedenfalls solche der Ausreise
entgegenstehenden tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse,
die mit der illegalen Einreise typischerweise verbunden sind (z. B.
Passlosigkeit, Nichtaufnahme durch einen anderen Staat wegen
ungeklärter Identität), würden der Annahme
einer rechtswidrigen Haupttat auch nicht widerstreiten. Dabei muss
nicht entschieden werden, ob Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit
schon deswegen nicht gegeben ist, weil dem
„untergetauchten“ Ausländer stets ein
„Auftauchen“ zum Zweck der Erlangung einer Duldung
möglich und zumutbar ist (BGH StV 2005, 24, 26; krit.
Mosbacher aaO § 95 Rdn. 80 ff.). Denn unter dem Blickwinkel
der sogenannten omissio libera in causa (vgl. BGHSt 47, 318, 320 f.;
BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 - 5 StR 98/08; Weigend in LK 12. Aufl.
§ 13 Rdn. 67) ist dem illegal eingereisten Täter
insoweit die Berufung auf eine etwaige Handlungsunfähigkeit
oder Unzumutbarkeit versagt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 57, 59).
Ob für „atypische“
Hinderungsgründe, wie etwa eine die Ausreise
unmöglich machende schwere Erkrankung, anderes zu gelten
hätte, muss der Senat nicht entscheiden; Anhaltspunkte
für deren Vorliegen sind nach den Urteilsgründen
nicht vorhanden.
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b) Die Bewertung des Tatgerichts, der Angeklagte habe dem B. im Sinne
des § 27 StGB Hilfe geleistet, ist frei von Rechtsfehlern.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist
grundsätzlich jede Handlung als Hilfeleistung anzusehen, die
die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter
objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den
Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge kausal wird,
ist nicht erforderlich (BGH NJW 2007, 384, 388 m.w.N., insoweit in
BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; BGH NJW 2008, 1460, 1461). Anders liegt
es nur, wenn der Beihilfehandlung jede Eignung zur Förderung
der Haupttat fehlt oder sie erkennbar nutzlos für das Gelingen
der Tat ist (BGH NJW 2008, 1460, 1461; vgl. auch BGH StV 1996, 87).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Angeklagten entfaltete
Tätigkeit als Beihilfe zu werten. Er hat den B. beherbergt und
dessen Lebensunterhalt gewährleistet. Es liegt auf der Hand,
dass er hierdurch die Verletzung der Ausreisepflicht durch diesen
objektiv gefördert und erleichtert hat (vgl. König
NJW 2002, 1623, 1624). Allerdings hat das Landgericht - worauf der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist -
nicht festgestellt, ob B. auch ohne die Hilfeleistung des Angeklagten
zur Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen gewesen
wäre. Jedoch ließe eine solche Willenshaltung des B.
entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (BayObLG
NStZ 1999, 627; NJW 2002, 1663; OLG Düsseldorf StV 2002, 312;
KG NStZ 2006, 530) die Strafbarkeit des Angeklagten nicht entfallen.
Denn nach allgemeinen Regeln, die auch beim Dauerdelikt keine
Änderung erfahren (vgl. BGH NStZ 2004, 44, 45), muss die
Hilfeleistung nicht conditio sine qua non für die Fortsetzung
des unerlaubten Aufenthalts sein (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2003,
184; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 184, 186; König NJW 2002,
1623, 1624 f.; ebenso Fischer, StGB 56. Aufl. § 27 Rdn. 8;
siehe auch BayObLG, Beschlüsse vom 22. November 2004 - 4 St RR
179/04 - und vom 20. Dezember 2004 - 4 St RR 184/04). Ein Fall der
psychischen Beihilfe, der bei fest entschlossenen Haupttätern
besonders sorgfältiger Prüfung bedürfte
(vgl. etwa BGHSt 46, 107, 115), liegt nicht vor, weil der Angeklagte
den B. durch tätige Hilfe
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unterstützt hat. Eines ausdrücklichen Eingehens auf
das Vorstellungsbild des B. durch das Landgericht bedurfte es nach
alledem nicht.
cc) Soweit der Bundesgerichtshof eine Ausnahme für den Fall
erwogen hat, dass der Gehilfe dem Haupttäter eine
Unterbringung in menschenunwürdigen Verhältnissen
ersparen will (BGH NJW 1990, 2207, 2208), ist vorliegend nicht
ersichtlich, dass sich der Angeklagte von derartigen Motiven hat leiten
lassen.
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c) Der Angeklagte hat den B. zugleich möglicherweise dabei
unterstützt oder ihn dazu verleitet, unter der Angabe eines
falschen Geburtsdatums einen Asylantrag zu stellen (UA S. 5). Es
beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht die
Prüfung unterlassen hat, ob er sich deswegen der Verleitung
zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84
Abs. 1 AsylVfG schuldig gemacht hat.
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2. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte im Fall 2 der
Urteilsgründe am 28. August 2007 eine vorübergehende
Aussetzung der Abschiebung (Duldung) im Sinne des § 60a
AufenthG beantragt und dabei einen falschen Namen, ein falsches
Geburtsdatum sowie einen falschen Geburtsort angegeben. Seine Angaben
wurden in die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4, § 78
Abs. 7 AufenthG übernommen. Mit dieser Urkunde wies er sich
gegenüber zwei Polizeibeamten aus.
a) Mit Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht den
Angeklagten hierfür wegen mittelbarer Falschbeurkundung
(§ 271 StGB) verurteilt hat.
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aa) Die Bescheinigung über die Duldung (§ 60a Abs. 4,
§ 78 Abs. 7 Satz 1, 2 i.V.m. Abs. 6 AufenthG) entfaltet nach
Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 9. Januar 2002
(BGBl I S. 361, 3142) am 1. Januar 2002 hin-
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sichtlich der Personalangaben des Antragstellers jedenfalls nicht mehr
uneingeschränkt die nach § 271 StGB erforderliche
Beweiskraft für und gegen jedermann. Das Gleiche gilt
für die Bescheinigung über die vom Landgericht
angesprochene Aufenthaltsgestattung nach §§ 63, 64
AsylVfG.
(1) Es unterliegt freilich keinem Zweifel, dass die genannten
Bescheinigungen als solche öffentliche Urkunden darstellen
(BGHSt 42, 131). Dem entspricht § 276a StGB, der
Aufenthaltstitel und Duldungen für die Anwendung der
§§ 275, 276 StGB amtlichen Ausweisen gleichstellt.
Indessen muss nicht jede der in einer öffentlichen Urkunde
enthaltenen Angaben öffentlichen Glauben im Sinne des
§ 271 StGB genießen. Die Frage der Beweiskraft ist
vielmehr - unter Anlegung eines strengen Maßstabs -
für die jeweils betroffenen Angaben anhand der für
die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblichen
gesetzlichen Bestimmungen, aber auch nach der Verkehrsanschauung zu
prüfen (BGHSt - GS - 22, 201, 203; BGHSt 42, 131; BGH NJW
1996, 470).
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(2) § 78 Abs. 7 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG, auch
i.V.m. § 63 Abs. 5 AsylVfG, erlaubt es den Behörden,
in die genannten Bescheinigungen den Hinweis aufzunehmen, dass die
Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausländers
beruhen. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber einen - von der
Bundesregierung unterstützten (BT-Drucks 14/7754 S. 3) -
Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen. Der Vorschlag war damit
begründet, dass gerade „bei Duldungsinhabern, bei
denen die Personalien häufig nur auf eigenen
Angaben“ beruhten, „die Anmerkung
‚Identität nicht nachgewiesen‛ möglich
sein“ müsse (BT-Drucks 14/7727 S. 9; zu §
39 Abs. 1 Satz 3 AuslG a.F.).
Wird der Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG in
die Bescheinigung aufgenommen, so ist hierdurch für den
Rechtsverkehr unmissverständlich klargestellt, dass sich die
Urkunde hinsichtlich der Personalangaben keine Beweiskraft beimisst
(OLG Karlsruhe StV 2009, 133; OLG
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Naumburg StV 2007, 134; KG NStZ 2009, 448; siehe auch OLG Stuttgart
NStZ-RR 2008, 155). Für diesen Fall scheidet auch eine
Strafbarkeit nach § 271 StGB aus.
bb) Ob die dem Angeklagten ausgestellte Duldungsbescheinigung den
bezeichneten Hinweis enthält, hat das Landgericht nicht
festgestellt. Jedoch kommt es darauf nicht maßgebend an.
Dabei muss der Senat nicht entscheiden, ob es der für
§ 271 StGB erforderlichen Beweiskraft auch in Fällen
ermangelt, in denen die Personalangaben zwar ausschließlich
auf den Mitteilungen des Antragstellers beruhen, die Behörde
den Hinweis nach § 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG aber
gleichwohl unterlassen hat (vgl. OLG Karlsruhe StV 2009, 133), oder ob
die gesetzlich vorgegebene Hinweismöglichkeit die Beweiskraft
der relevanten Personalangaben gar generell in Frage zu stellen vermag.
Denn der Gesetzgeber hat in Bezug auf Falschangaben im
ausländerrechtlichen Verfahren und den Gebrauch hierdurch
erschlichener Bescheinigungen durch § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG
eine Sonderregelung geschaffen, die die allgemeine Vorschrift des
§ 271 Abs. 1, 2 StGB konsumiert.
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(1) § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG stellt denjenigen unter Strafe,
der unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt,
um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder
eine Duldung zu beschaffen oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich
zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Die Strafvorschrift
will das ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren im Interesse
materiell richtiger Entscheidungen gegenüber Falschangaben
absichern (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376) und das Vertrauen des
Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der
Verwaltungsentscheidung schützen (BayObLG NStZ-RR 2000, 344,
345; Mosbacher aaO § 95 Rdn. 246; für § 95
Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative AufenthG auch Aurnhammer, Spezielles
Ausländerstrafrecht 1996 S. 82, 147; a.M. Cantzler, Das
Schleusen von Ausländern und seine Strafbarkeit 2004 S. 117
ff.).
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Um einen möglichst umfassenden Schutz zu
gewährleisten, ist durch § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1.
Alternative AufenthG bereits die Unterbreitung unrichtiger oder
unvollständiger Angaben unter Strafe gestellt. Zur Erteilung
der Bescheinigung braucht es nicht zu kommen. Es müssen auch
nicht gerade die falschen Angaben geeignet sein, die Ausstellung der
Urkunde zu bewirken; vielmehr genügt es, wenn sie für
das Verfahren allgemein von Bedeutung sind und damit
grundsätzlich zur Verschaffung eines
unrechtmäßigen Aufenthaltstitels bzw. einer Duldung
führen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2007
- 1 StR 189/07; OLG Karlsruhe Justiz 1998, 223, 224; NStZ-RR 2004,
376), die richtige Anwendung des materiellen Aufenthaltsrechts wegen
der Falschangaben mithin abstrakt gefährdet ist (BayObLG
NStZ-RR 2000, 344, 345; BayVGH, Beschluss vom 20. März 2008 -
19 C 08.22, 19 CS 08.21). Die betroffenen Angaben müssen keine
erhöhte Beweiskraft entfalten (BayVGH aaO; Hailbronner,
Ausländerrecht § 95 AufenthG Rdn. 94).
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Aufgrund der in dieser Weise umfassend erfolgten Pönalisierung
abstrakt gefährlicher Handlungen bereits im Vorfeld
ausländerrechtlicher Entscheidungen (vgl. BGH NStZ 2007, 289)
und der Strafbarkeit des Gebrauchs erschlichener Bescheinigungen ist in
den hier relevanten Fällen in der Praxis keine Tat nach
§ 271 Abs. 1, 2 StGB ersichtlich, die nicht bereits von
§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfasst wird. Wegen der in
§ 271 Abs. 1, 2 StGB nicht enthaltenen Erfordernisse
absichtlichen Verhaltens in § 95 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative
AufenthG oder wissentlichen Urkundengebrauchs in § 95 Abs. 2
Nr. 2, 2. Alternative AufenthG kommen allein theoretisch Abweichungen
in Betracht, welche der Annahme von Konsumtion nicht entgegenstehen.
(2) Es besteht auch kein Bedürfnis, eine zugleich mit dem
Erschleichen des Aufenthaltstitels bzw. der Duldung verwirklichte
mittelbare Falschbeurkundung im Schuldspruch eigenständig zum
Ausdruck zu bringen. Der spezifische Unrechts- und Schuldgehalt der
Erschleichung der Urkunden und des Urkundengebrauchs kommt in einer
Verurteilung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2
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AufenthG hinreichend zum Ausdruck, ohne dass die Klarstellungsfunktion
der Tateinheit die Ausurteilung einer Tat nach § 271 StGB
erfordern würde (a.M. Fischer aaO § 271 Rdn. 19). Dem
entspricht es, dass § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG denselben
Strafrahmen androht wie § 271 Abs. 1, 2 StGB. Letztlich
korreliert auch der Schutzzweck des § 271 StGB (Vertrauen des
Rechtsverkehrs in die Beweiskraft öffentlicher Urkunden;
Zieschang in LK 12. Aufl. § 271 Rdn. 2) weitgehend mit dem des
§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Vertrauen des Rechtsverkehrs in
die materielle Richtigkeit der ausländerrechtlichen
Verwaltungsentscheidung).
b) Der Angeklagte hat sich aufgrund der Falschangaben und des
anschließenden Gebrauchs der hierdurch erlangten
Duldungsbescheinigung nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar
gemacht.
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aa) Er hat die Tat am 28. August 2007, mithin am Tag des Inkrafttretens
des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien
der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970)
begangen, mit der die zuvor hinsichtlich des Erschleichens einer
Duldung bestehende Strafbarkeitslücke behoben worden ist (vgl.
Mosbacher in GK-AufenthG § 95 Rdn. 244 sowie BT-Drucks 16/5065
S. 199). Die von ihm gemachten Personalangaben waren geeignet, zur
Erlangung einer unrechtmäßigen Duldung zu
führen. Der Angeklagte hat die erlangte Urkunde durch
Vorzeigen gegenüber zwei Polizeibeamten wissentlich zur
Täuschung im Rechtsverkehr eingesetzt. Dabei handelt es sich
um eine Tat des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Mosbacher aaO
§ 95 Rdn. 263).
bb) Der Senat berichtigt den Schuldspruch entsprechend. § 265
StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als
geschehen hätte verteidigen können. Die im Fall 2 der
Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von
vier Monaten und damit auch die Gesamtfreiheitsstrafe haben Bestand.
Die Schuldspruchänderung lässt den Unrechts- und
Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt
aus, dass das Landgericht eine
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niedrigere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, wenn
es die Tat rechtlich zutreffend bewertet hätte.
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